Alltagsrassismus Globale Gesellschaft
„Ein anderes Wort für Rassismus“
Die amerikanische Rechte hat einen neuen Kampfbegriff: DEI. Wie aus der Antidiskriminierungspolitik vermeintlich anti-amerikanische Umtriebe wurden.

Die Aktivistin Nadine Seiler steht an der Stelle in Washington D.C., an der bis vor kurzem noch ein großes "Black Lives Matter"-Kunstwerk zu sehen war. Im März ließ die demokratische Bürgermeisterin von Washington den Schriftzug auf Druck der Republikaner entfernen. Er war ursprünglich nach den "Black Lives Matter"-Protesten 2020 angebracht worden. Die Proteste waren eine Reaktion auf den gewaltsamen Tod von George Floyd durch einen Polizeibeamten. Foto: IMAGO / NurPhoto
Wie verbreitet Rassismus in den USA ist, wissen Latinos, asiatisch-stämmige und schwarze Amerikaner*innen ganz genau, denn sie sind täglich davon betroffen. Polizeigewalt, schlechtere Chancen im Job und mangelnde Gesundheitsvorsorge: Menschen, die nicht weiß sind, sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis heute klar im Nachteil.
Auch Elon Musk, reichster Mann der Welt, und US-Präsident Donald Trump haben in den USA Rassismus entdeckt – in ihrer Lesart jedoch zugunsten von Minderheiten. Dem wollen sie ein Ende bereiten. Ihre Unterstützer*innen bejubeln das.
„DEI ist nur ein anderes Wort für Rassismus“, schreibt Musk auf seiner Plattform X. DEI steht für Diversity, Equity and Inclusion, zu Deutsch Diversität, Gleichheit und Inklusion. Dahinter verbergen sich eine Reihe von Maßnahmen, die in der Verwaltung, aber auch in Unternehmen und an Bildungseinrichtungen, für mehr Chancengleichheit sorgen sollen. Diskriminierung auf Grundlage von ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Identität, Behinderung, sozioökonomischer Herkunft und anderer Faktoren soll bekämpft und die positiven Aspekte von Vielfalt hervorgehoben werden.
Ihren Ursprung hat die Idee in der US-amerikanischen Bürgerbewegung der 1960er Jahre; sie begann mit der Aufhebung der Rassentrennung und hat sich über die Jahrzehnte weiterentwickelt. Auch die Biden-Regierung hatte zuletzt eine Reihe von DEI-Maßnahmen auf den Weg gebracht, um unter anderem die Personalpolitik der Bundesbehörden inklusiver zu machen. Für Musk und Trump bedeutet Antidiskriminierung jedoch Rassismus gegen Weiße. Und in letzter Konsequenz, davon sind sie überzeugt, die Spaltung und Schwächung Amerikas.
Katharina Draheim ist ist Redakteurin bei Campact e.V. Im Blog schreibt sie über Politik und Gesellschaft in den USA.
Spalterische Ideologien
Stolz verkündet Donald Trump deshalb in einer Ansprache an den Kongress, dass er die „Tyrannei der sogenannten“ DEI-Maßnahmen beendet habe. Denn es habe sich dabei um eine „radikale und verschwenderische“ Politik gehandelt, durch die die „Regierung infiltritert“ wurde. Seine Administration arbeitet mit vollem Einsatz daran, gegen die Antidiskriminierungspolitik vorzugehen, in allen Regierungsabteilungen, in Museen, Universitäten und Schulen. Das Bildungsministerium – das Trump ohnehin am liebsten ganz abschaffen möchte – hat ein Portal namens „End DEI“ eingerichtet, in dem Kinder und Eltern Beschwerden gegen „spalterische Ideologien“ an Schulen einreichen können.
Firmen wie Google, Walmart und die Bank of America, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, passen sich den neuen Ansagen aus Washington an, löschen jeden Bezug auf Inklusion und Vielfalt aus ihren Geschäftsberichten und beenden Diversitätsprogramme. Sogar auf europäische Firmen, die mit dem US-Außenministerium zusammenarbeiten, versuchte die Trump-Regierung Druck auszuüben. Die Unternehmen sollen ihre Bemühungen zum Thema Gleichstellung und Inklusion beenden – bislang hatte die US-Regierung mit dieser Forderung allerdings noch keinen Erfolg.
Der neue Kampfbegriff der Rechten
Trumps Anhänger*innen haben verstanden, worum es geht. Sich über Diskriminierung zu beklagen ist für sie ebenso unamerikanisch und unerträglich wie das selbstbewusste Auftreten von Minderheiten. Das Konzert des Rappers Kendrick Lamar in der Halbzeit der Superbowl, eines der größten Popkultur-Events in den USA, entrüstete einen Teil der Zuschauer*innen. Ihre Kritik? Der Auftritt sei rassistisch gewesen, weil kein weißer Künstler auf der Bühne stand. Der Musiker und Trump-Fan Kid Rock bezeichnete das Event als „Inbegriff von DEI“.
Hier wird deutlich, dass DEI zu einem Kampfbegriff geworden ist. Das Konzert eines mehrfachen Grammy-Gewinners ist keine Antidiskriminierungsmaßnahme; das weiß auch Kid Rock. Doch darum geht es schon gar nicht mehr. DEI steht im rechten Duktus für alles und alle, die Zweifel an der Greatness Amerikas aufkommen lassen – und sei es nur dadurch, dass sie Teil einer diskriminierten Gruppe sind.
Aber langsam regt sich Widerstand. Eine ganze Reihe Unternehmen behalten ihre Richtlinien zu Diversität, Gleichheit und Inklusion bei. Darunter sind Apple, die Fluglinie Delta und der Outdoor-Händler Patagonia. Auch die öffentlichen Schulen im Bundesstaat New York wollen sich Trumps Diktat ebenfalls nicht unterwerfen. Und Organisationen wie die ACLU, die American Civil Liberties Union, engagieren sich gegen Trumps Angriffe und für gleiche Chancen und das Ende rassistischer Diskriminierung. Auch wenn noch offen ist, wie dieser Kampf ausgeht: Es ist wichtig, ihn zu führen.