Digitalisierung
Deutschland, eine KI-Nation?
Da ist die Perspektive der Hoffnung: Wer kann sich recherchieren, formulieren, abwägen oder übersetzen zeitlich noch leisten? Wir freuen uns alle über digitale Abkürzungen. KI verspricht die Automatisierung von zeitaufwendiger Kopfarbeit, die sowieso immer weniger entlohnt wird. Sollen sich doch Computer durch die Informationsberge wühlen. Dazu kommt: Wirtschaft und Politik brauchen einen Hoffnungträger. Und KI ist der perfekte Hoffnungsträger für alles: KI wird die Wirtschaft ankurbeln, das Bildungssystem retten, die Klimakrise abwenden und uns dabei jede Menge mühsame Arbeit ersparen. Oder?
Darum investieren wir als Gesellschaft unsere Aufmerksamkeit und unser Geld lieber hoffnungsvoll in KI als in langwierige, teure und anstrengende Dinge wie Bildungs- und Sozialarbeit. Konsequenterweise will die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag das Land in eine KI-Nation verwandeln und „[d]as bedeutet massive Investitionen in die Cloud- und KI-Infrastruktur sowie in die Verbindung von KI und Robotik.“ Nur, wie wird die KI-Nation auf die ökologisch und technisch destruktiven Seiten von KI reagieren?
Admins gegen KI-Bots
Seitenwechsel zur Perspektive derjenigen, die mit der Destruktivität von KI konfrontiert sind: Dazu gehören Systemadmins, die mit Mühe und Not dafür sorgen, dass digitale Informationsangebote unter der Last von KI-Bots nicht zusammenbrechen.
Das Problem ist Folgendes: KI benötigt Informationen in Form von Texten, Bildern, Videos und allen möglichen Datenquellen. Diesen Datenhunger stillen miteinander konkurierende KI-Scraper-Bots. Das sind vernetzte Computer, die alle sichtbaren und unsichtbaren Ecken des Internets abgrasen und dabei unvorstellbar viel Energie und Datenvolumen verbrauchen und sich über Vorgaben der Website-Admins (und über geltendes Recht) hinwegsetzen.
Um diese Rückseite von KI sichtbar zu machen, habe ich im Internet, hauptsächlich im Fediverse nach Zitaten von Admins gesucht, in denen sie ihre Abwehrarbeit gegen KI beschreiben. Diese Zitate habe ich zu einer intersubjektiven Collage mit Unterhaltungen und Einzelstatements zusammengesetzt – soll heißen: Die unten beschriebenen Erfahrungen machen täglich tausende Admins weltweit. Die meisten Zitate sind aus dem Englischen übersetzt und nur minimal angepasst für bessere Lesbarkeit. Ihre Quellen sind immer gegen Ende des jeweiligen Zitats verlinkt.
Eine Collage der Frustration
„Seit dem Jahreswechsel haben die DDOS-Überlastungs-Angriffe von KI-Scraper-Bots erheblich zugenommen. Nur ein kleiner Teil unseres Datenverkehrs dient derzeit tatsächlich menschlichen Lesern. Manchmal beschließen Bots, uns von Hunderten von IP-Adressen auf einmal anzugreifen und die Arbeit zu blockieren. Sie geben sich nicht als Bots zu erkennen, und die robots.txt ist das Einzige, was sie *nicht* von der Website lesen.“
„Sie respektieren nicht einmal diese robots.txt, wie es die besseren Suchmaschinen tun.“
„Eine robots.txt bedeutet nichts mehr in einem Kontext, in dem der Respekt aufgegeben worden ist. Und selbst wenn sie rechtlich durchsetzbar wäre, glaubt ihr dass eine Uni die Mittel hätte, diese Milliarden-Dollar-Unternehmen zu verklagen?“
„Anstatt an meinen Prioritäten zu arbeiten, habe ich in jeder Woche zwischen 20 und 100 Prozent meiner Zeit damit verbracht, hyper-aggressive KI-Scraper im großen Stil zu entschärfen. Mehrere Kernaufgaben haben sich um Wochen oder sogar Monate verzögert, weil wir immer wieder unterbrochen werden, um uns mit diesen Bots zu befassen. Und viele unserer Benutzer wurden gestört, weil unsere Schutzmaßnahmen nicht immer zuverlässig zwischen Benutzern und Bots unterscheiden können. Alle meine Sysadmin-Freunde haben mit denselben Problemen zu kämpfen.“
„Also, kurz gesagt: Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Man sperrt einige aus, sie finden andere Wege hinein. Wenn du anfängst, komplette Netzwerke oder Länder zu sperren (ich schaue dich an, China ), unterbrichst du auch den Datenverkehr zu den dort ansässigen Servern. Es fühlt sich an, als könne man nicht gewinnen. Diese Grafik hier zeigt ausschließlich schwachsinnigen KI- und Bot-Verkehr von China, den wir blockiert haben: mehr als 5.000 Anfragen in etwa 3 Minuten, die auf unser Wiki treffen. Und das geht den ganzen Tag so, jeden Tag, die ganze Zeit. Ihr könnt euch sicher vorstellen, was hier weltweit los ist.“
„Diese KI-Bots sind dumm, technisch rücksichtslos, ineffizient und wahrscheinlich nicht von einem Menschen programmiert worden. Sie gehen mit ihren eigenen Ressourcen genauso verschwenderisch um wie mit unseren.“
„Es gibt keinen grundsätzlichen technischen Unterschied zwischen den Crawlen, die Suchindizes füttern, und dem Crawlen, die den KI-Hunger stillen. Der Unterschied ist sozialer Natur: Die Leute, die Ersteres tun, respektieren Konventionen; die Leute, die Letzteres tun, sind Raubtiere, die sich um solche Dinge nicht scheren.“
„Jede IP-Adresse bleibt unter den Schwellenwerten für unsere vorhandenen Schutzschalter, aber die Überlastung ist überwältigend. Jede Art von aktiver Verteidigung muss herausfinden, wie man eher Subnetze als einzelne Adressen blockieren kann, und selbst das könnte nicht ausreichen. Wir müssen Zeit in die Entwicklung einer Art aktiver Abwehrmaßnahmen investieren, um die Website online zu halten.“
„Aber die ‚aktive Verteidigung‘ gegen eine Flut von unsozialen Web-Scraping-Bots hat negative Auswirkungen für die Nutzer. (…) Ich habe keine bessere Verteidigung anzubieten, aber es schließt wirklich große Teile des Webs aus.“
„Wissenschaftliche Inhalte werden für Maschinen immer weniger zugänglich. Weil die Archive zunehmend den maschinellen Zugriff blockieren, um sich vor aggressiven KI-Bots zu schützen. Bis Ende des Jahres wird alles hinter einer Login-Wand liegen. Danke, KI.“
Gegenhalten – aber wie?
„Es ist Zeit, KI-vergiftende Bots einzurichten. Das wirklich Tolle an diesem Blödsinn ist, dass man sich keine angemessene Verteidigung leisten kann, wenn man nicht gerade eine riesige Social-Media-Plattform ist.“ – „Gibt es irgendwelche Alternativen, um sich zu wehren, insbesondere für die Bilderzeugung?“
„Hier ist eine Liste von ausgewählten Strategien, offensiven Methoden und Taktiken für (algorithmische) Sabotage, Störung und vorsätzliche Vergiftung.“
„Vergiss das Tool Nightshade nicht, das ein Bild so verändert, dass es einem KI-Bildgenerator schadet, aber für das menschliche Auge noch erkennbar ist.“ – „Nightshade (und Glaze) funktionieren nicht wirklich.“ – „Verdammt! Für einen Moment war ich wirklich voller Hoffnung. Die Quelle, die Du angibst, stammt von einer dieser ‚KI‘-Organisationen. Wahrscheinlich haben sie erkannt, dass es funktioniert, und lügen, um die Leute davon zu überzeugen, dass sie sich nicht die Mühe machen sollen, es zu benutzen, damit sie keine Datenvergiftung bekommen.“
„Gibt es Anti-AI-Strategien, die den Prozess nicht noch mehr mit Energie und Wasser belasten?“
„Es gibt Leute, die Software schreiben und Webserver einrichten, die unbefugte KI-Webcrawler mit Junk-Daten vergiften. Das ist so, als würde man versuchen, eine Sprache von jemandem zu lernen, der einfach eine Reihe zufälliger Wörter aus 20 Wörterbüchern für verschiedene Sprachen aufsagt.“ – „Das ist keine gute Idee. Das würde die KI noch schlechter machen, als sie ohnehin schon ist. Es ist schon schlimm genug, dass wir überall KI-Schrott bekommen – wie soll ein *schlimmerer* KI-Schrott unser Leben verbessern?“
„Ob es nun Kryptowährungsbetrüger sind oder Google-Ingenieure, die zu faul sind, ihre Software richtig zu entwerfen, oder das Silicon Valley, das alle Daten, die es in die Finger bekommt, auf Kosten aller anderen abzockt… ich habe es satt, dass all diese Kosten direkt auf meine Kosten externalisiert werden. Tut etwas Produktives für die Gesellschaft oder verschwindet verdammt noch mal von meinen Servern. Setzt all diese Milliarden und Abermilliarden von Dollar für das Gemeinwohl ein, bevor die Systemadministratoren kollektiv eine Revolution anzetteln.“
„Angesichts hegemonialer algorithmischer Systeme (namentlich großer Sprachmodelle und ähnlicher maschineller Lernsysteme) und der überwältigenden Macht des Kapitals, das uns diese Technologien aufzwingt, habe ich das Gefühl, dass das menschenzentrierte Design einen Zustand des völligen Scheiterns erreicht hat.“
„Das Internet ist tot. Es ist nur noch ein Ort, an dem Bots dir zurufen, was du denken oder kaufen sollst, oder dir helfen, überhaupt nicht zu denken. Während eine Armee anderer Bots alles ausschöpft und als Quelle für die erste Art ins Visier nimmt. Sie tanken ihre Maschinen mit allem, was du geschaffen hast, oder assimilieren deine Systeme in ihre Armee.“
Bitte hört auf, KI oder KI-Bildgeneratoren oder GitHub Copilot oder all diesen Müll zu legitimieren. Ich flehe euch an, hört auf, das zu verwenden, hört auf, darüber zu reden, hört auf, diese Dinge zu entwickeln, hört einfach auf. Wenn es nicht ausreicht, CO2 in die Luft zu blasen und unser gesamtes Süßwasser zu ruinieren und unterbezahlte Arbeitskräfte zu traumatisieren und jeden Systemadministrator, den ihr kennt, Ärger zu bereiten und Programm-Code und Bücher und Kunst im großen Stil zu klauen und unsere verdammte Demokratie zu ruinieren, was ist dann genug für euch, um uns mit dieser Scheiße in Ruhe zu lassen?
Drew DeVault in einem Beitrag zu KI in seinem Blog
Am 25. Juli ist Admin-Tag!
Am letzten Freitag im Juli gibt es die Gelegenheit, sich bei Admins zu bedanken und ihnen einmal zuzuhören. Ich sage vorab an dieser Stelle schon einmal: Herzlichen Dank an alle Admins, die unermüdlich dafür kämpfen, uns Nutzende und den Planeten vor der Gier von KI zu schützen. Ich hoffe, dieser Text ist ein Beitrag für mehr Verständnis zu diesem Thema.