WeAct
Sie liefern das Essen, packen Medikamente, machen Krankentransporte, reinigen OP-Säle, kümmern sich um Reparaturen: Ohne sie läuft nichts in der Charité, einem der bekanntesten Krankenhäuser Deutschlands. Trotzdem bekommen die rund 3.500 Beschäftigten der Tochterfirma Charité Facility Management (CFM) seit Jahren deutlich weniger Lohn als ihre Kolleg*innen, die direkt bei der Charité angestellt sind und genau die gleiche Arbeit machen – im Schnitt fehlen ihnen rund 700 Euro pro Monat.
Agnieszka und Christian, beide bei der CFM angestellt, hatten genug. Gemeinsam mit vielen Kolleg*innen und mit der Unterstützung von Verdi traten sie ab April in den unbefristeten Streik. Die vorherigen Warnstreiks hatten nicht ausgereicht, erste Verhandlungen waren geplatzt. Hunderte CFM-Mitarbeitende gingen auf die Straße und konfrontierten ihren Arbeitgeber und die politischen Entscheidungsträger*innen mit ihren Forderungen. Eine Kampagne in den sozialen Netzwerken und die Petition auf WeAct machten zusätzlich Druck – über 12.000 Menschen, meist aus Berlin und Umgebung, haben unterzeichnet.
Ihre Forderung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und eine Wiedereingliederung der CFM in den Mutterkonzern Charité! Das haben schließlich schon seit 2016 alle Berliner Regierungen versprochen. Seit Dienstag steht fest: Die Löhne werden angepasst. Die Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, der an der Charité gilt, soll kommen. Ein wichtiger Meilenstein hin zu mehr Lohngerechtigkeit im Krankenhaus.

Zweiklassengesellschaft in der Charité
Die CFM wurde vor 20 Jahren gegründet – nicht etwa, um die Charité zu verbessern, sondern um Kosten zu sparen. Das bedeutet: schlechtere Verträge, weniger Lohn, kaum Sicherheit. Viele müssen zusätzliche Jobs annehmen, um über die Runden zu kommen. Besonders hart traf es bisher Kolleg*innen in der Reinigung oder der Sicherheit, die sogar unter dem Branchenmindestlohn bezahlt wurden.
Dabei hatten Politiker*innen immer wieder Besserung versprochen. Auch die aktuelle Berliner Regierung aus CDU und SPD nahm sich im Koalitionsvertrag vor, dass die CFM zurückgeführt und die Löhne angeglichen werden sollen. Doch jahrelang passierte nichts.
Sie wollten den Streik verbieten
Die CFM-Spitze versuchte zunächst, den Streik der Beschäftigten gerichtlich verbieten zu lassen. Das Gericht ließ das nicht zu – verhängte aber, ganz im Sinne der CFM-Geschäftsführung, umfangreiche Notdienste. Diese gingen laut Verdi weit über das hinaus, was für die Versorgung der Patient*innen notwendig ist. Teilweise sollten sogar mehr Mitarbeitende eingesetzt werden als im normalen Dienst üblich. Verdi musste den Streik deshalb abrupt stoppen.
In erneuten Verhandlungen haben sich Verdi und CFM hinsichtlich der Notdienste auf einen Kompromiss geeinigt. Der Streik konnte wieder losgehen. Ganze 45 Streiktage hielt die Belegschaft insgesamt durch.
Die taz hat eine der Streikdemonstrationen begleitet. Dobrila, Reinigungskraft bei der CFM, schilderte dort ihren harten Arbeitsalltag: Blut, Urin, Erbrochenes, gebrauchte Spritzen und Kot müsse sie beseitigen. Systemrelevante Arbeit. „Was glauben Sie, wie ich von 1.500 Euro überleben kann?“, klagte sie die Verantwortlichen an.
Ein virales Video
Agnieszka, Christian und ihre Kolleg*innen ließen nicht locker. Sie sammelten Unterschriften, erzählten ihre Geschichten, riefen öffentlich zur Unterstützung auf.
Insbesondere in den sozialen Netzwerken haben sie viele Menschen erreicht und dem Arbeitskampf deutschlandweit Sichtbarkeit verschafft. Mit Geldern aus dem WeAct Impact Fund konnten zwei professionelle Kampagnen-Videos verwirklicht werden. Eines ging mit über 1,4 Millionen Views und 60.000 Likes auf Instagram viral und wurde dadurch im bekannten News-Podcast „Apokalypse und Filterkaffee“ aufgegriffen.Mit den Streiks und der Kampagne schafften es die Mitarbeiter*innen in zahlreiche Medien. Der große öffentliche Rückhalt motivierte die Streikenden weiter. Neben all den Menschen, die die Petition unterzeichnet haben, spendeten auch viele – über 60.000 Euro landeten in der Streikkasse.

Langer Atem zahlt sich aus
Zusätzlich gingen die CFM-Beschäftigten mit diversen Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses und der Berliner Regierung ins Gespräch. An Kai Wegner (CDU), Berlins regierenden Bürgermeister, haben sie sich regelmäßig bei öffentlichen Auftritten gewandt – und er hat ihnen mehrfach zugesagt, die CFM in die Charité zurückführen zu wollen.
Der Druck wirkte: Anfang Juni einigten sich die Arbeitgeberseite und Verdi, diese Woche stimmten die Gewerkschaftsmitglieder der CFM dem Verhandlungsergebnis offiziell zu. Die Löhne werden endlich steigen! Die Bezahlung der CFM soll schrittweise an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angeglichen werden. Ab 2030 gilt dann: 100 Prozent Tarifvertrag!Eine Beschäftigte der OP-Reinigung mit sechs Jahren Betriebszugehörigkeit etwa bekommt im ersten Schritt 460 Euro mehr Gehalt pro Monat, bis 2030 sind es schätzungsweise 1.144 Euro mehr.
Wie es jetzt weitergeht
Komplett gleichgestellt sind die CFM-Beschäftigten ihren Charite-Kolleg*innen leider immer noch nicht: Es gibt keine Angleichung an die sonstigen Arbeitsbedingungen der Charité-Beschäftigten und einige Berufsgruppen wurden unfair in die Lohntabelle eingruppiert. Laut Verdi ein schmerzlicher Kompromiss – 2030 will sich die Gewerkschaft für weitere Verbesserungen einsetzen. Auch die Rückführung der CFM in die Charité steht noch aus – an dieses Versprechen werden die CFM-Beschäftigten Bürgermeister Wegner noch erinnern.
Dennoch, Agnieszka, Christian und die vielen anderen haben einen riesigen Durchbruch erreicht. Die große Hoffnung: Dass ihr Erfolg zukünftig als Vorbild gesehen wird und Personal an anderen Kliniken und Arbeitsstätten dazu ermutigt, ebenfalls für faire Gehälter zu kämpfen.