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Anfang Juni 2025 startete die „Welt“ eine mediale Kampagne gegen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Die Welt behauptete in einem Artikel, die EU-Kommission habe Umwelt-NGOs heimlich beauftragt, mit Steuergeldern Lobbyarbeit zu leisten. Angeblich hätten sie sogar im Namen der Kommission geklagt, um bestimmte „grüne“ Klimaschutz-Ziele durchzudrücken.

Die Behauptung über angebliche „Geheimverträge“ zwischen EU-Kommission und NGOs wurde bereits mehrfach widerlegt. Und doch hält sie sich hartnäckig. Selbst seriöse Medien wie die ARD-Tagesschau übernahmen das Framing der Welt und verbreiteten die Desinformation weiter. Als Quelle zitiert sie darin eine gerade einmal zwei Wochen junge Organisation: die „Initiative Transparente Demokratie”.

Was ist die Initiative Transparente Demokratie?

Hinter der Initiative Transparente Demokratie verbergen sich eine PR-Organisation und Lobbyisten des Bayer-Konzerns, der INSM-Geschäftsführer, der Präsident vom Bund der Steuerzahler sowie CDU- und FDP-Mitglieder. Gemeinsam fordern sie vermeintliche Transparenz, jedoch nur von gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen, nicht von den großen Lobbyverbänden der Industrie und Wirtschaft.

Die Verschwörungserzählung vom Deep State 

Gerade die Springer-Medien befeuern eine öffentliche Agenda: Die Welt hatte bereits vor Monaten von einem angeblichen „tiefen Staat“ berichtet und damit die Verschwörungserzählung der Rechtsextremen aufgegriffen. Die CDU hat in ihrer Kleinen Anfrage sogar auf diesen Meinungsbeitrag in der Welt verlinkt. 

Die Erzählung von einer „Schattenstruktur“ (Deep State), also ein Staat im Staat, ist eher in rechten und rechtsextremen Medienportalen zu finden. Die Verschwörungstheorie behauptet, dass nicht die demokratischen Institutionen das staatliche Handeln bestimmen, sondern „finstere Mächte“. Gemeint waren damit zuerst Geheimdienste, Militärs, Prominente oder Milliardäre, die angeblich NGOs steuern. Besonders unter Beschuss ist die Zivilgesellschaft, seitdem sie gegen die Zusammenarbeit von AfD und CDU zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen sind. Seitdem heißt es von diversen Seiten, dass NGOs eine vom Staat finanzierte Kampagne gegen die Union führen würden. 

Auch US-Präsident Donald Trump bedient sich dieser Verschwörungserzählung. Im Wahlkampf 2015 verbreitete er die Geschichte, das FBI, die Bürokratie oder politische Gegner würden gegen seine Präsidentschaft arbeiten. 

Woher kommt die Erzählung des „Deep State“? 

Seinen Ursprung hat der Begriff des „Deep State“ in der Türkei. Mit den türkischen Wörtern „derin devlet“ (auf Deutsch „tiefer Staat“) wurde ein Netzwerk von Militärangehörigen und zivilen Verbündeten im türkischen Staatsapparat beschrieben, das zur Zeit von Mustafa Kemal Atatürk aktiv war. Auch in Ägypten und Pakistan beschreibt der Begriff laut dem BR-Faktenfuchs intransparente Machtstrukturen. 

Die Erzählung, dass geheime Mächte an einer „Neuen Weltordnung“ arbeiten würden, ist zudem häufig Teil von antisemitischer Verschwörungserzählungen. Antisemit*innen behaupten, eine kleine Gruppe von Juden und Jüdinnen würde die (Welt-)Politik lenken – die Politiker*innen seien nur „Marionetten“ oder „Handlanger“ der jüdischen Verschwörung. 

Bedient wird diese antisemitische Erzählung auch heute noch: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder behauptete beispielsweise, dass sich NGOs „wie ein Kraken“ ausbreiten würde. Bereits im 19. Jahrhundert nutzen Antisemit*innen Bilder der Krake als Symbol für die vermeintlich weltumspannende „jüdische Weltverschwörung“.  

Deep State und die AfD

Während in den USA die Verschwörungstheorie vor allem auch unter Anhänger*innen der rechtsextremen QAnon-Bewegung verbreitet ist, greift in Deutschland vor allem die AfD das Narrativ des „Deep State“ auf. 

Die demokratische Zivilgesellschaft in Deutschland gerät immer stärker unter Druck. Über 525.000 Menschen haben bereits unseren Appell unterzeichnet. Schließe Dich jetzt an!

Parteichefin Alice Weidel behauptete beispielsweise in einem Interview mit dem rechtsextremen österreichischen Sender „AUF1„, dass ein „tiefer Staat“ Lügen über die AfD verbreiten würde und versuche, sie zu diskreditieren. 

551 parlamentarischen Fragen der Union

Anfang des Jahres bediente sich dann auch die CDU dieser Verschwörungserzählung. Im März 2025 stellte sie die berüchtigten 551 parlamentarischen Fragen zur Finanzierung der Zivilgesellschaft – kurz nachdem Millionen gegen eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD demonstrieren. Auch Campact e.V. war Teil des Fragenkatalogs – über 20 Fragen widmeten sich unserer Kampagnen-Organisation.

Die Demos seien von der Bundesregierung finanziert, schrieben Bild und Welt von der rechten Hetz-Seite Nius ab. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg wollte allen am Protest beteiligten Organisationen ihre Gemeinnützigkeit entziehen. Und der Focus zweifelte an Campacts Unabhängigkeit und warf Campact Regierungsnähe vor.

Die Angriffe von Springer und Union richten sich gegen viele Organisationen, die sich um Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit kümmern. So wie Donald Trump in den USA versuchen auch die Union und die AfD ihre politischen Gegner zu diskreditieren. 

Einschüchterung der Vereine „Buntes Meißen“ und „Oma gegen Rechts“ 

Und nicht nur bundesweit werden Vereine eingeschüchtert, sondern auch ganz konkret vor Ort. In Sachsen stellte ein CDU-Abgeordneter eine kleine Anfrage zur Finanzierung vom Verein „Buntes Meißen“, der sich für Geflüchtete und Demokratie einsetzt. Im April 2025 folge eine Anfrage in Mecklenburg-Vorpommern; hier forderte ein CDU-Abgeordneter Infos zur Finanzierung der „Omas gegen Rechts“. 

Im Februar 2025 hat der CDU-Landrat in Bautzen (Sachsen) zudem 1,6 Millionen Euro Fördergelder an gemeinnützige Vereine blockiert. Im März 2025 verweigerte die CDU auch Vereinen in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) die Fördergelder – und zwar gemeinsam mit der AfD. Die Stadt Salzwedel hatte in den kommenden acht Jahren bis zu 1,2 Millionen Euro in Aussicht. 140.000 Euro hatte der Bund sogar schon fest zugesagt.

Campact stellt sich gegen Lügen und Hetze

Auch Campact muss immer häufiger gegen Lügen und falsche Behauptungen vorgehen. Deshalb wehren wir uns juristisch, wenn nötig, vor Gericht – und gewinnen.

EU gegen die Zivilgesellschaft

Und auch auf EU-Ebene startete die konservative EVP gerade zusammen mit rechtsextremen Parteien aus Ungarn und Frankreich einen Angriff auf die europäische Zivilgesellschaft. 

Die Konservativen haben sich rechtsextreme Mitstreiter gesucht, um die Finanzierung von Vereinen zu untersuchen – wie sie sagen. Angeblich für mehr Transparenz. Dabei hat die EU bereits neue Transparenzregeln für NGOs geschaffen. Was eigentlich dahinter steckt, kennen wir bereits. 

Die europäischen Konservativen schaffen ein Kontrollgremium, das kritische Stimmen überwacht – und damit Angst verbreitet und die Grundlage für Repressionen schafft. So was kennt man von Autokraten wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. 

Die demokratischen Parteien sprechen von einer „Hexenjagd gegen die Zivilgesellschaft“. Denn wenn es den Konservativen wirklich um Transparenz ginge, würden sie auch die Finanzströme der mächtigen Wirtschaftslobby in Brüssel untersuchen – wie von den demokratischen Fraktionen vorgeschlagen. Das hat sie aber abgelehnt.

In Brüssel sieht man, wie schnell sich solche Verschwörungstheorien festsetzen – und was für Folgen sie haben. 

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