AfD CDU Ostdeutschland LGBTQIA* Klimakrise Montagslächeln Datenschutz Digitalisierung Hate Speech Wirtschaft

Kommunale Wahlerfolge für die AfD sind bisher die Seltenheit. Wenn es um kommunale Spitzenämter geht, also Landrats- oder (Ober-)Bürgermeister*innenposten, sieht es für die rechtsextreme Partei mau aus. Ein wesentlicher Grund dafür: Die demokratischen Wähler*innen vor Ort halten zusammen. Immer wieder beobachten wir, wie AfD-Kandidierende in Stichwahlen landen und am Ende mal knapp, mal haushoch verlieren – weil sich Demokrat*innen zusammenschließen und unabhängig von der Parteipräferenz gemeinsam gegen die AfD wählen. 

Willkommen im Campact-Blog

Schön, dass Du hier bist! Campact ist eine Kampagnen-Organisation, mit der über 4,25 Millionen Menschen entschlossen für progressive Politik eintreten und unsere Demokratie verteidigen. Wenn wichtige politische Entscheidungen anstehen, starten wir Kampagnen – digital und auf der Straße. Wir schmieden breite Bündnisse und mobilisieren eine starke Bewegung für die gemeinsame Sache.

Rechte in allen Ämtern

Soweit so gut, denn kommunale Wahlerfolge sind ein elementarer Bestandteil in der Machtergreifungsstrategie der Rechtsextremen. Ihre Idee: Je mehr Posten sie in Dorf, Stadt und Landkreis besetzen, desto „normaler“ soll es für uns alle werden, dass Rechtsextreme politische Fäden in der Hand halten. Ein gefährlicher Domino-Effekt, von dem sich die AfD dann Erfolge für Landtags- und Bundestagswahlen ableiten will.

Immer dann, wenn unsere Unterstützer*innen vor Ort es wollen, sind auch wir von Campact gemeinsam mit lokalen Campact-Unterstützer*innen zu kommunalen Wahlen aktiv. Insbesondere in Ostdeutschland – denn bisher war die Gefahr hier besonders groß, dass sich AfD-Kandidat*innen durchsetzen könnten. Allein in diesem Jahr fanden bis heute Wahlen zu 40 kommunalen Spitzenämtern in den ostdeutschen Flächenländern statt. Davon führten 15 zu Stichwahlen. In sieben davon, also in der Hälfte aller Stichwahlen, stand die AfD mit eine*r Kandidat*in.

Der Eklat von Vorpommern-Rügen

So auch vor einigen Monaten in Mecklenburg-Vorpommern. Mit Zeitungsanzeigen, Wahlaufrufen und Online-Werbung machten wir auf die anstehenden Landratswahlen aufmerksam. Am Ende ging es gut aus: In keinem der vier Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern gewann die AfD, in dreien war sie jedoch in der Stichwahl. Anderthalb Monate nach den Stichwahlen dann das hier:

Screenshot: Ostseezeitung (OZ) auf Instagram

Der Parteilose Stefan Kerth, der sich im Landkreis Vorpommern-Rügen gegen den AfD-Konkurrenten durchgesetzt hat, und der CDU-Landrat Michael Sack, der ebenfalls gegen eine AfD-Kandidatin gewonnen hat, sprechen sich für ein „Ende der Brandmauer“ aus. Mindestens auf kommunaler Ebene; Kerth ist auch auf Bundesebene dafür. Wie also umgehen mit „demokratischen Kandidat*innen“, die aber gleichzeitig offen für eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen sind? 

Eben nicht nur Sachthemen

Das Dilemma, dass insbesondere CDU-Politiker*innen die AfD politisch kopieren, begegnet einem im kommunalen Raum immer häufiger. Ein prominentes Beispiel ist dafür Christian Herrgott, seit Februar 2024 Landrat im Saale-Orla-Kreis in Thüringen – er hatte sich nur knapp gegen den AfD-Kandidaten Uwe Thrum durchgesetzt. Bundesweite Aufmerksamkeit und Kritik erlangte CDU-Herrgott für seine Arbeitspflicht für Asylsuchende für 80 Cent die Stunde. 

Warum sollten Progressive, Wähler*innen wie Organisationen, eigentlich diese Kandidat*innen gegen die AfD unterstützen, wenn am Ende doch entweder Übernahme der AfD-Politik, Anbiederung oder gar Zusammenarbeit rauskommt? Kerth und Sack aus Mecklenburg-Vorpommern preschen mit einem oft gebrachten „Argument“ vor: Auf der kommunalen Ebene ginge es nicht um Parteien oder „die große Politik“, sondern vor allem um Sachthemen. Das stimmt ja sogar zum Teil. Ungefähr 70 bis 80 Prozent des kommunalen Verwaltungshandelns ist das Ausführen von Gesetzen, die auf höheren politischen Ebenen, also dem Landtag, dem Bundestag oder dem EU-Parlament getroffen wurden. 

Auf der anderen Seite ist sich die Wahlforschung, die für Kommunalwahlen übrigens äußerst dünn ist, überhaupt nicht einig darin, welche Faktoren für Wähler*innen wahlentscheidend sind. Es ist nicht erforscht, wie sehr entweder Parteiidentifikation oder Sachthemen die Entscheidung für oder gegen bestimmte Kandidat*innen beeinflussen. Ein Paper der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung besagt, dass die Parteiidentifikation als wichtiger Faktor in der Wahlentscheidung zunimmt, desto größer die Kommune ist. Schaut man sich die Ergebnisse der AfD-Kandidierenden land auf, land ab an, scheint Parteiidentifikation eine sehr starke Rolle zu spielen – denn von Kompetenz, Lösungen in Sachfragen oder Ähnlichem kann bei AfD-Kandidat*innen nicht immer gesprochen werden. 

Kommunalpolitik legt den demokratischen Grundstein

Folgt man den Landräten Sack und Kerth jedoch und beschränkt Kommunalpolitik auf das Abarbeiten von Sachthemen, würde sich jede Art von parteipolitischer Betätigung oder Wahlaktivität eigentlich verbieten – weil es eben ausschließlich um Sachfragen ginge. Dass sie mit dem „Ende der Brandmauer“ eine provokante Aussage in den Äther posaunen, ist den beiden sicher mehr als bewusst. Sack und Kerth gefallen sich vermutlich in ihrer Rolle als oberste Verwaltungschefs, die irgendwie mit allen können müssen – und auch wollen.

Dabei verkennen sie aber, dass sie erstens einfach nur ihrer subjektiven Wahrnehmung aufsitzen und keinerlei Beweise für ihre Aussagen haben. Gleichzeitig befördern sie den Rückzug des Politischen aus der Kommunalpolitik, indem sie sämtliches politisches Handeln zu Verwaltungshandeln umdeuten. Bis ganz ans Ende gedacht, würden damit auch Kommunalwahlen überflüssig, solang eben irgendwer an der Spitze der Kommune einfach alles für uns verwaltet. Dabei spielt vor allem die Kommunalpolitik eine wesentliche Entscheidung bei der Formung politischen Bewusstseins und der Stellung und des Vertrauens der Bürger*innen in demokratische und staatliche Institutionen. Und drittens öffnen sie damit Tür und Tor für eine Normalisierung von Rechtsextremen und ihrer Verankerung in unseren Kommunen. 

Keine Alternative zur Alternative?

Was ist nun aber die Lösung für Progressive in solchen Verhältnissen? Ich kann jede*n verstehen, die bei einer Stichwahl zwischen einem rechten CDUler und einem AfD-Kandidaten gar nicht mehr zur Wahl geht – weil es schlicht um eine „Wahl zwischen Pest und Cholera“ zu handeln scheint. Auch eine Nichtwahl kann in dieser Situation ein politisches Statement sein – unklar ist aber, ob es gehört wird. Gleichzeitig muss man sich im Klaren darüber sein, dass man am Tag nach der Wahl mit einem AfDler als Stadtoberhaupt aufwachen könnte – und was das für Folgen insbesondere für die Verwundbarsten in unseren Gemeinden hat. Ganz abgesehen von den zum Teil wahnsinnig langen Amtszeiten kommunaler Amtsträger von bis zu 9 Jahren.

Fakt ist aber auch: CDU-Kandidat*innen sind immer noch Teil der Gesamtpartei der Union. Auch wenn diese ebenfalls einen eklatanten Rechtsruck vollzieht, in Ostdeutschland ohnehin schon längst getan hat, gibt es innerhalb der Union einen klaren Richtungsstreit um den Umgang mit der AfD. Der Ausgang ist noch nicht entschieden. Solange die CDU hier noch mit sich hadert, ihre Rolle zu finden versucht und es vor allem laute Stimmen gegen die AfD-Öffnung gibt, so lange ist die Partei, wie auch ihre Amtsträger in den Kommunen, nicht verloren. Mindestens so lange lohnt es sich immer und immer wieder auch CDU-Kandidat*innen zu wählen, um so die AfD zu verhindern.

TEILEN

Autor*innen

Danny Schmidt ist seit 2019 Campaigner bei Campact. Als Teil des Kampagnen-Teams gegen Rechts setzt er sich vor allem gegen das Erstarken rechter Strukturen, Bewegungen und Parteien ein. Als Nachwendekind aus der ostdeutschen Provinz lässt ihn die Frage der ostdeutschen Identitäten nicht los – für den Campact-Blog schreibt Danny Schmidt für, über und aus Ostdeutschland. Alle Beiträge

Auch interessant

AfD, Rechtsextremismus Wider der Verfassung – (K)ein Richtungsstreit bei der AfD CDU, Feminismus, LGBTQIA* Familienministerin Prien verordnet Genderverbot AfD, Rechtsextremismus Antifeminismus als Familientradition Appell, CDU Spahn und die Maskenaffäre: 5 Politiker, die für weniger zurückgetreten sind CDU, Demokratie, Montagslächeln Montagslächeln: Spahn-Platte AfD, Rechtsextremismus Friedrich Merz und andere Opas gegen links CDU, Montagslächeln, Soziales Montagslächeln: Die übliche Prozedur AfD, Irankrieg, Rechtsextremismus, Trump AfD zum Israel-Iran-Konflikt: „Deutschland zuerst“ CDU, Corona, Montagslächeln Montagslächeln: Maskenbericht geschwärzt CDU, Menschenrechte, Montagslächeln Montagslächeln: Dobrindts Rechtsbruch