AfD Rechtsextremismus
Es war einer der ersten Auftritte der Opas gegen links – und der rechtsextreme Kanal Compact-TV feierte die Handvoll von neonazistischen Anhänger*innen, die sich vor einem Jahr einem Protest der Omas gegen Rechts mit Plakaten entgegenstellten. „Auch dort konnten wir gegenhalten“, jubelt die Moderatorin in einem YouTube-Video. „Wir hatten nämlich auch Opas gegen links da. Was natürlich besonders schön zu sehen war.“
Opas gegen links: kein harmloser Seniorenclub
Immer wieder setzt sich die Gruppe seither in der Öffentlichkeit ins Bild – zuletzt, als das Bundesverwaltungsgerichts im Juni in Leipzig zum Compact-Verbot verhandelte. Damals war vor den Eingangsstufen des Gerichtsgebäudes ein Rollstuhl aufgestellt, daran montiert vier Fahnen mit der Aufschrift Opas gegen links, wie die FAZ notierte. Mindestens indirekt solidarisiert sich Compact so mit einem der „umtriebigsten Personen des ostdeutschen Rechtsextremismus“ Anfang der 1990er Jahre. So stellte der MDR 2016 Thomas Dienel vor, der 2024 die Opas gegen links gründete und noch immer anführt.
Seine bizarre Biografie: Der gebürtige Weimarer war Sekretär der DDR-Jugendorganisation FDJ, aktiv in der Deutschen Sex-Liga, dann in der NPD. Später noch gründete er eine eigene Partei in Thüringen, die fester Bestandteil des neonazistischen Netzwerkes um Michael Kühnen wurde. Im Sommer 1992 hatte Dienel zwei Schweineköpfe und ein Schmähflugblatt auf das Grundstück der Erfurter Synagoge geworfen, wie zum Beispiel im nd zu lesen ist. Den Holocaust leugnete er öffentlich.
Neonazi als V-Mann in Thüringen
Dass der Fall Thomas Dienel zu einem der größten Politskandale in Thüringen wurde, hat indes einen anderen Hintergrund: Anfang 1996 war es ihm gelungen, sich beim damals von Helmut Roewer geleiteten thüringischen Verfassungsschutz anzudienen.
„93mal wird sich das Landesamt mit dem eigentümlichen Neonazi – Tarnname ,Küche‘ – treffen“, schreibt der Journalist Axel Hemmerling in dem 2019 erschienenen Buch „Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz“. Er bekommt für seine Spitzeldienste rund 30.000 D-Mark. Anfang der Jahrtausendwende wird Dienel enttarnt. Roewer muss gehen – und wird nun offen Aufhetzer der Neuen Rechten, etwa als Autor vom rechtsextremen Magazin Compact und der Jungen Freiheit. „Er kann ungebremst krude Verschwörungstheorien über den NSU und Umsturzfantasien auf unseriösen Internetplattformen fabulieren“, schrieb Hemmerling 2019.
Der 64-jährige Thomas Dienel reiht sich derweil ein in die Stimmungsmache gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – inzwischen eines der Hauptkampffelder der Neuen Rechten, der AfD, aber auch von den Unionsparteien CDU und CSU. In NGOs sieht Dienel „Denunzierungsorganisationen“, wie er auf der Homepage der Opas gegen links schreibt. Die vielfach ausgezeichneten Omas gegen Rechts nennt er „linke Berufsdemonstrierer“. Sie seien „von der schwarz-roten Brut mitfinanziert und ausgehalten“ und „von Staatsknete abhängig“, behauptet er wahrheitswidrig.
Auf Facebook verbreiten die Opas gegen links AfD-Propaganda. Im Internet verhökert werden Basecaps und Tassen mit – Achtung, Deppenapostroph – dem Spruch: „Fürchtet weder Sturm noch Wind, doch Opa’s die in Rage sind!“
Propagandanetzwerk gegen NGOs
Die Organisation „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ fragte vor ein paar Tagen in einem Instagram-Posting irritiert: „Opas gegen links? Geht’s noch?!“ Alte weiße Männer fühlten sich diskriminiert und sähen die Meinungsfreiheit als bedroht an, hieß es. „Wir hoffen, dass sie schnell merken, dass ihre Aktionen toxisch und unangebracht sind.“
Gemessen an ihren relativ wenigen bisherigen öffentlichen Auftritten könnte man die Opas gegen links des Rechtsextremisten Thomas Dienel als Scheinriesen ansehen. Und doch reiht sich die von Leipzig aus agierende Gruppe ein in ein Propagandanetzwerk, das größer ist .
Belltower-News hat das vor ein paar Tagen beispielhaft in einer Analyse zu Julian Reichelts Hetzportal Nius beschrieben. Reichelt entwerfe ein „Zerrbild der Realität“ und markiere NGOs als „Schattenregierung“, die linke Narrative im Auftrag der Politik verbreite – bezahlt mit Steuergeldern. „NGO-Feindlichkeit ist ein roter Faden autoritärer Machtkonsolidierung“, schreibt Autor Patrick Gensing. „Wo freie Presse, kritische Wissenschaft und unabhängige Gerichte attackiert und eingeschränkt werden, stehen NGOs als nächstes auf der Abschussliste.“ Und: „Wer NGOs schwächt, stärkt nicht den Staat – sondern autoritäre Machtkonzentration.“
Wie gesagt: Diese Stimmungsmache gegen eine wache Zivilgesellschaft geht nicht nur von Opas gegen links, Nius, dem Compact-Magazin oder der AfD aus. Sondern auch von der Union und Springer-Medien wie Bild. Vorrangig zu erwähnen sind die von CDU-Chef Friedrich Merz gleich nach der Bundestagswahl im Februar initiierten 551 Fragen zur „politischen Neutralität staatlich geförderter Institutionen“.
In dieselbe Kategorie fallen aber auch Sprüche wie der von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Mai im Interview mit der Zeit. Zum Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen riet er, es sei besser, wenn Sozialarbeiter*innen nicht gendern: „Wir brauchen Träger, die Vertrauen genießen – und das funktioniert nicht mit Gendersprache und Regenbogenfahne.“ Auch Merz und Kretschmer wirken wie Opas gegen links, selbst wenn der eine, der aus Sachsen, erst 50 Jahre alt ist.
Die Lebensfreude der Omas gegen Rechts
Als die Omas gegen Rechts 2022 mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden ausgezeichnet wurden, hielt die Publizistin Carolin Emcke die Laudatio. Sie lobte die „ungeheure politische Wucht“ des Einspruchs von Großmüttern. Sie betonte „den wirklich gehörigen Spaß, den es ihnen macht, den rassistischen, homo- oder frauenfeindlichen, antisemitischen Gegenüber ihre humanistische Lebensfreude, ihren Witz, ihre Lust auf eine andere Gesellschaft entgegenzuhalten“.
Unvergessen auch die Seite eins der Taz Ende Januar 2025: Altkanzlerin Angela Merkel kritisierte Merz für die Zusammenarbeit mit der AfD und wurde dort als Oma gegen Rechts gewürdigt. Ein paar Tage später gab Merkel bei einer Signierstunde in Hamburg auf dem Taz-Titel ein Autogramm. Obwohl sie in Wirklichkeit ja gar keine Großmutter ist. In Solidarität mit den Omas gegen Rechts aber gefühlt wohl schon.
Zu wünschen ist, dass der Frohsinn, den Carolin Emcke beschrieb, Schule macht, wenn es um das Einstehen für die Demokratie geht.
Die Opas gegen links wollen sich, wie Thomas Dienel vor ein paar Tagen in einer Rundmail an Mitstreiter*innen schrieb, formell Anfang August bundesweit konstituieren – am Rande einer Kundgebung „Weltfrieden. Für ein Leben in Frieden und Freiheit“ am Brandenburger Tor. Die Rechtsextremisten wollen anschließend gemeinsam demonstrieren unter anderem mit dem Berliner Ableger von Querdenken, der Coronaleugner-Partei „Die Basis“ sowie Initiativen wie Autokorso Berlin, Räuchern für Mutter Erde oder Straßenaufklärung Treptow. Der Kontrast zum Charme und Witz der Omas gegen Rechts könnte bei diesem Trauermarsch nicht größer sein.