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CDU und CSU wollen deutschlandweit eine Überwachungssoftware von Palantir einsetzen. Die Firma des Trump-Vertrauten Peter Thiel hätte so Zugriff auf hochsensible Daten von Millionen Menschen in Deutschland. Noch ist die Bundesregierung uneins: Während die SPD sich gegen einen bundesweiten Einsatz der Software stellt, will die Union diesen unter allen Umständen durchsetzen. Der Druck auf die SPD wächst massiv.

Die SPD darf nicht einknicken!

Ohne Zustimmung der Sozialdemokrat*innen kann die Union ihre Palantir-Pläne nicht umsetzen. Campact und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) fordern die SPD mit einem Appell auf, die Späh-Software zu verhindern. Schließe Dich ihnen an: 

Was ist Palantir? 

Palantir ist ein US-amerikanisches Überwachungsunternehmen, das Software zur Analyse großer Datenmengen anbietet. Die Gründung des Konzerns wurde maßgeblich von der CIA finanziert, dem Auslandsgeheimdienst der USA. Zu den Kunden von Palantir gehören hauptsächlich Geheimdienste und Militärbehörden

Woher kommt der Name Palantir?

Der Name des Unternehmens Palantir kommt aus dem Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien. Die drei Palantir sind dort Kugeln aus schwarzem Glas, welche die Herrscher des fiktiven Kontinents Mittelerde zur Kommunikation nutzten – ein bisschen wie Smartphones. In dem Teil der Geschichte Mittelerdes, der in „Der Herr der Ringe“ erzählt wird, haben die drei Palantir allerdings eine andere Funktion. Sauron, der Antagonist des Epos, ist im Besitz eines Palantir und kann so die Besitzer der beiden anderen aus der Ferne kontrollieren, betrügen und in den Wahnsinn treiben. Ein Palantir wird also als ein Instrument der Kontrolle und Korruption benutzt. 

Peter Thiel hat insgesamt sechs Unternehmen gegründet, deren Namen auf Orte oder Gegenstände in „Der Herr der Ringe“ zurückgehen: Palantir Technologies, Valar Ventures, Mithril Capital, Lembas LLC, Rivendell LLC und Arda Capital.

Die Union möchte die deutsche Polizei mit der Palantir-Software „Gotham“ ausstatten.

Wie funktioniert die Software “Gotham”?

„Gotham“ wurde entwickelt, um Daten aus verschiedenen Quellen wie Polizeidatenbanken, Gesundheitsdaten oder Social-Media-Inhalten zusammenzuführen und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in Sekundenschnelle auszuwerten

Auch hier gibt es einen berühmten Namensvetter. „Gotham“ ist eine fiktive Stadt, in der viele der vom US-amerikanischen Comicverlag „DC Comics“ produzierten Comicserien spielen. Vor allem Fans der „Batman“-Reihe ist die Stadt ein Begriff. Innerhalb der Comics wird die Stadt als düster, unheimlich und von Kriminalität durchzogen dargestellt.

Die Polizei in Bayern nutzt die Software von Palantir bereits seit 2024 unter dem Namen „VeRA“. Die Abkürzung steht für „Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform“. Bei der hessischen Polizei heißt die Software „HessenData“. Ähnlich einer Google-Suche ließen sich damit Daten analysieren, sodass Profile und Muster erkennbar würden und auch gewisse Prognosen ableitbar seien, sagt Martin Thüne,  Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaften, gegenüber der taz. Dass das so gut funktioniere, liege „ganz wesentlich daran, dass es aus einem Umfeld komme, in dem Datenschutz kaum eine Rolle spiele“. 

Denn hinter Palantir steckt undurchsichtige Technologie. Nur Thiel und seine Mitarbeitenden wissen, wie die Software „Gotham“ genau funktioniert. Demokratische Kontrolle ist damit unmöglich – deutsche Behörden können nicht sicher sein, welche Daten der US-Konzern hier sammelt.

Wofür will die deutsche Polizei Software von Palantir einsetzen?

Die Software von Palantir ist eine Raster-Suchmaschine. Mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt sie Profile aus Polizeidaten – auch von Zeug*innen, Opfern und völlig Unbeteiligten. Ziel ist es, Straftaten vorherzusagen und Verdächtige zu identifizieren.

Die automatisierte Analyse dieser riesigen Datensätze stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Bundesbürger*innen dar. Palantir schickt eigene Mitarbeiter*innen in die deutschen Behörden, in denen Palantir bereits im Einsatz ist, um die Software zu betreuen. Demokratische Kontrolle ist damit unmöglich. Die Palantir-Mitarbeitenden hätten Zugriff auf einen Datensatz, in dem rund 30 Millionen Bürger*innen erfasst sind – mehr als ein Drittel aller Deutschen.

Was kann Palantir über mich wissen?

Die Palantir-Software kann Dich erfassen, ohne, dass Du etwas Falsches getan hast. Du könntest als Zeug*in bei einem Autounfall ausgesagt oder Anzeige gegen jemanden erstattet haben. Oder Du bist einfach nur zufällig am selben Bahnhof umgestiegen wie eine gesuchte Person und wurdest dort kontrolliert – schon besteht die Gefahr, dass Du im System landest. Schon heute handelt es sich bei vielen Personen im Datensatz der deutschen Polizei um einfache Verkehrssünder*innen.  

Datenschützer*innen warnen davor, dass bei einem bundesweiten Einsatz massenhaft unbescholtene Menschen dem Risiko von polizeilichen Folgemaßnahmen ausgesetzt sein könnten. Denn die Software versucht, vermeintliche Zusammenhänge zwischen Daten zu finden und daraus Ableitungen zu treffen. 

Da die Software auch mit bereits bestehenden Datensätzen der Polizei arbeitet, geraten auch lange zurückliegende Fälle mit in den Datenpool. Stechen dort Daten besonders hervor (nach Kriterien, welche die Polizei oder die Software festlegen), werden sie besonders untersucht – auch, wenn es gar keine Anhaltspunkte für eine Straftat gibt. Die Software stellt Abhängigkeiten zwischen Daten her, die sonst überhaupt nichts miteinander zu tun haben.

In Polizeidatenbanken dürfen zum Beispiel auch Merkmale über Menschen gespeichert werden, die eine „Volkszugehörigkeit“ oder einen „Phänotyp“, die „äußere Erscheinung“ oder Religionszugehörigkeit, verwendete Sprachen, Dialekte oder Mundarten festhalten. Das sind ohne Zweifel höchst sensible Daten, auch mit hohem Diskriminierungspotential.

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Durch die fehlende Kontrolle der Datensätze gibt es zudem keinen Schutz vor Fehlern: In vielen Polizeiakten sind People of Color überrepräsentiert – einfach, weil sie öfter durch die Polizei kontrolliert werden. Automatische Datenanalysen verstärken diese Diskriminierung, deshalb landen nicht-weiße Menschen überproportional häufig im Visier von Ermittler*innen.

Besonders gefährlich ist das mit Blick auf das Erstarken der rechtsextremen AfD. Schafft sie es in eine Landesregierung, könnte sie die Palantir-Software für ihre Zwecke nutzen. Denkbar wäre etwa, dass die Rechtsextremen versuchen, wie US-Präsident Trump die Software zur Deportation von Menschen zu nutzen. 

Was will Palantir mit meinen Daten? 

Was kann ein US-amerikanischer Konzern mit den Daten von europäischen Bürger*innen wollen? Auch, wenn Palantir-Gründer und Großaktionär Peter Thiel versichert, Datenschutz ernst zu nehmen, sollte Vorsicht gelten. Seine engen Verbindungen zur Trump-Administration und den US-Geheimdiensten geben hier Anlass zum Zweifel. Niemand kann ausschließen, dass die Daten an US-Geheimdienste weitergegeben werden.

Daten, egal, woher sie kommen, sind für Tech-Firmen Gold wert – denn mit ihnen können sie ihre KI-Datensätze weiter füttern und trainieren.

Was hat Peter Thiel damit zu tun? 

Peter Thiel ist Gründer von Palantir. Er sagte unter anderem:

Ich glaube nicht länger, dass Demokratie und Freiheit kompatibel sind.

Peter Thiel

Der Tech-Milliardär gilt als wichtiger Macher beim autokratischen Umbau der USA: Er hat enge Kontakte zum US-Militär, zu US-Geheimdiensten und zu Donald Trump. Dessen Regierung nutzt seine Software, um Migrant*innen aufzuspüren.

Peter Thiel folgt dem sogenannten Rechts-Libertarismus, einer politischen Richtung, die sich an den Lehren des staatsfeindlichen, marktradikalen Mises-Instituts orientiert. Er ist außerdem Befürworter von totalitär-kapitalistischen Privatstadtprojekten; er unterstützte zum Beispiel den Bau der Privatstadt Próspera in Honduras finanziell. Wie andere Tech-Oligarchen ist er ebenfalls Fan des Pronatalismus und propagiert ein frauenfeindliches Rollenverständnis. Er war unter anderem Geldgeber für Biotechfirmen wie Colossal, die künstliche Gebärmütter entwickeln. 

Gibt es eine Alternative zu Palantir?

Das Bundesinnenministerium hatte eigentlich vor, selbst eine Software wie „Gotham“ bzw. VeRA an den Start zu bringen, oder sich für eine europäische Lösung einzusetzen. Ein deutsches IT-Unternehmen hatte bereits im vergangenen Jahr die Bereitschaft für die Entwicklung einer solchen Software gezeigt. Mit den nötigen Geldern und der entsprechenden Unterstützung könnte es es innerhalb von einem Jahr schaffen, eine ähnliche Software zu entwickeln.

Die Bundesländer wollen die Software von Palantir aber nun zumindest als „Interimslösung“ nutzen. Das birgt die Gefahr, dass ein Umzug zu einer neuen Software schwerer wird. Denn das dürften viele kennen: Hat man sich erstmal an ein System gewöhnt, arbeitet man sich ungern kurz danach wieder in ein neues System ein. Außerdem würden in dieser Übergangszeit schon mal vermutlich Daten in Richtung USA fließen.  

In ihrem Antrag begründen die Bundesländer die Eile auch mit den Anschlägen von Magdeburg und Aschaffenburg. Allerdings war VeRA zu diesem Zeitpunkt bereits in Bayern im Einsatz und konnte offensichtlich nicht helfen, den dortigen Anschlag zu verhindern.


Unsere Chancen, Palantir zu stoppen, werden täglich kleiner. Einige Bundesländer haben schon gefährliche Präzedenzfälle geschaffen: Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen nutzen die US-Software für ihre Polizeiarbeit; bald könnte das auch Sachsen-Anhalt geschehen. Die Union argumentiert, dass die Software zur Terrorabwehr unabdingbar ist. Doch tatsächlich wird sie vor allem bei kleineren Delikten eingesetzt, auch bei Fahrraddiebstahl – nur selten kam Palantir bei der Aufklärung eines Anschlags zum Einsatz.

Doch die Union drängt in den von ihr regierten Ländern und im Bund weiter auf die Späh-Software. Bisher haben sich die Sozialdemokrat*innen noch dagegen gewehrt, aber in Sachsen-Anhalt wollen sie den Einsatz von Palantir nun mittragen. Zeig der SPD, dass Palantir in Deutschland keine Zukunft haben darf. 

Unterzeichne jetzt gegen die Trump-Software in Deutschland
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