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Die Karikatur "Spahn-Platte" von Karikaturistin Christiane Pfohlmann beschäftigt sich mit dem Umgang von Politikern, insbesondere von Jens Spahn (CDU), mit der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf. Diese war für einen Posten als Richterin des Verfassungsgerichts nominiert, bevor eine politische Hetzkampagne gegen sie gestartet wurde.
Quelle: Pfohlmann / toonpool.com

Es ist der aktuell bekannteste Doppelname in der Politik: Brosius-Gersdorf. Bis vor ein paar Tagen war die Rechtswissenschaftlerin in erster Linie ihren Studierenden an der Universität Potsdam ein Begriff. Seitdem die Nominierungen für die neuen Posten am obersten Gericht Deutschlands, dem Verfassungsgericht, bekannt sind, läuft eine politische Schlammschlacht – mit Frauke Brosius-Gersdorf mittendrin.

Künstlerin Christiane Pfohlmann zeigt in ihrer Karikatur die geschasste Kandidatin beim Arzt, mit einigen Blessuren. Der Arzt fragt, ob sie gegen die Gläserne Decke geprallt wäre? Nicht unwahrscheinlich, denn die sprichwörtliche „gläserne Decke“ ist etwas, an der aufsteigende Frauen in Politik, Wirtschaft und anderen Karrierezweigen aufgrund von strukturellen und ideologischen Ursachen oft abprallen. Trotz hoher Qualifikation erreichen ihre männlichen Kollegen mit vergleichbarer (oder auch schlechterer) Qualifikation einen Aufstieg, während die Frauen (oder auch andere marginalisierte Gruppen) verdutzt zurückbleiben. Die gläserne Decke ist bei Brosius-Gersdorf allerdings nicht die Ursache. Sie antwortet, dass ihr eine „Spahn-Platte“ in die Quere gekommen sei.

Kritik an der liberalen Kandidatin

Damit meint sie den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jens Spahn (CDU). Der war von Anfang an in das Geschehen um die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf eingebunden.

In der vergangenen Woche schlug der Wahlausschuss drei Kandidat*innen für die drei freien Posten am Bundesverfassungsgericht vor: den von CDU und CSU unterstützten Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, sowie die von der SPD vorgeschlagenen Rechtsprofessorinnen Ann-Katrin Kaufhold und Frauke Brosius-Gersdorf. Zur letzteren gab es direkt Kritik, die aber erstmal nur von der AfD ausging. Die bezieht sich unter anderem auf die Haltung von Brosius-Gersdorf zu Abbrüchen von (ungewollten) Schwangerschaften. Brosius-Gersdorf war in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied der Kommission, die die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen empfohlen hat. „Das gefällt einer konservativen Partei wie der Union nicht. Vor allem gefällt es antifeministischen Lobbygruppen nicht – die wiederum großen Einfluss in der Unionsfraktion haben“, sagt Soziologe und Campact-Blog-Autor Andreas Kemper in der taz. Auch Bischöfe und Kardinäle stimmten in die Kritik der Union mit ein.

Spahn und die konservative Hetzjagd gegen Brosius-Gersdorf

Und was ist mit Spahn? Tja, der wusste schon seit Wochen von der Personalie und hatte sie sogar abgenickt. Am Anfang der Woche habe auch der Richterwahlausschuss mit den Stimmen der Union mit Zwei-Drittel-Mehrheit dem Personalvorschlag zugestimmt. Doch im Verlauf der Woche hat Spahn die Hetzjagd seiner Partei gegen Brosius-Gersdorf laufen lassen, ohne einzugreifen.

Die konservativen Kritiker hatten nämlich noch eine „Ungereimtheit“ ausgegraben. Es geht darum, dass Frauke Brosius-Gersdorf 1997 eine Doktorarbeit veröffentlicht hat. Der selbsternannte „Plagiatsjäger“ Stefan Weber hatte auf seiner Website eine Übersicht veröffentlicht, in der er „23 Verdachtsstellen auf Kollusion und Quellenplagiate“ aufführte. Die Doktorarbeit der SPD-Kandidatin und die Habilitation ihres Ehemannes, Hubertus Gersdorf, hätten auffällige Ähnlichkeiten. Allerdings erschien die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf bereits im Jahr 1997, die Habilitation ihres Mannes erst im Jahr 2000. Rein zeitlich passt es also gar nicht zusammen, dass Brosius-Gersdorf die Passagen übernommen haben kann. Bevor sie zu den Vorwürfen ansetzte, hätte die Union also mindestens mal die Arbeiten selbst anschauen können.

Das hat sie aber nicht. Und Spahn hielt sich weiter konsequent zurück, bei einer Personalie, der er vorher selbst auch zugestimmt hatte. Das Ergebnis: ein großer Eklat und letztendlich die Absetzung der Richter*innen-Wahl am Freitag.

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Spannend: Die möglichen Kompetenzbereiche von Brosius-Gersdorf

Sowohl Ann-Katrin Kaufhold als auch Frauke Brosius-Gersdorf waren für Positionen im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes vorgesehen. Dieser hat mit der ganzen Thematik um Schwangerschaftsabbrüche primär erstmal nichts zu tun – in erster Linie, weil diese Zuständigkeiten sehr komplex und teils anderen Senaten oder anderen Gerichten zugeordnet sind.

Womit sich der Zweite Senat allerdings sehr wohl befasst, sind Parteiverbotsverfahren – genau das Gebiet also, was zuletzt rund um die AfD ein großes Thema war.

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