LGBTQIA* Menschenrechte
Menschen werden aufgrund eines Unterschiedes zu anderen systematisch in Listen erfasst. Sie sind dadurch sichtbar, angreifbar und werden verfolgt. Was klingt, wie eine Beschreibung der Nazi-Zeit, könnte bald in Deutschland wieder Realität werden. Das Bundesinnenministerium unter Minister Alexander Dobrindt (CDU) möchte ein Register für trans* Personen führen lassen. Andere CDU-Politiker und Landesverbände bringen Melderegister für Menschen mit psychischen Erkrankungen ins Spiel. Das setzt diese ohnehin marginalisierten Gruppen potentiell Bedrohung und Verfolgung aus – aus fadenscheinigen Gründen.
Verzeichnis für trans* Personen, weil … warum genau?
Der Vorschlag von Innenminister Dobrindt (CSU) für ein verpflichtendes Register liegt bisher nur als Verordnungsentwurf vor. In dem steht: „Die Verordnung stellt sicher, dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, in verschiedenen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen weiterhin identifiziert werden können und ihre Identität nachvollziehbar ist.“ Heißt: Wer vom Selbstbestimmungsgesetz Gebrauch gemacht und seinen Namen amtlich hat ändern lassen, dessen*deren alter Name soll künftig nicht nur in einer Akte vermerkt werden, sondern auch zusätzlich in weiteren Registern mit altem und neuen Namen auftauchen: bei der Rentenversicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern und auch bei einem neuen Melderegister, wenn die Person umzieht.

Auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, versammeln sich bereits über 200.000 Menschen hinter Petitionsstarterin Penelope und fordern: Kein Sonderregister für trans* Personen!
Für diesen Plan hagelt es massive Kritik. Denn es wäre im Grunde ein erzwungenes Outing. Die eigene Vergangenheit liegt bei allen Behörden vor und ist von vielen Personen ganz einfach einsehbar.
Eine unnötige aber gefährliche Änderung
Das Bundesinnenministerium begründet seine Pläne damit, dass Personen in verschiedenen amtlichen Registern weiterhin identifizierbar sein müssen. Dazu sei es erforderlich, auch die früheren Namen und Geschlechtseinträge an andere Behörden weiterzugeben.
Diese „Erforderlichkeit“ scheint Dobrindt und dem Ministerium allerdings jetzt erst aufgefallen zu sein. Denn auch bisher, unter dem „Transsexuellengesetz“ (TSG) war die alte Identität einer Person nachverfolgbar. Änderte eine Person ihren Namen und Geschlechtseintrag, legte das Einwohnermeldeamt einen neuen Eintrag an. Der alte wurde Verschlusssache – er blieb zwar weiterhin verfügbar, war aber nur bei „berechtigtem Interesse“, zum Beispiel im Falle einer Strafverfolgung, einsehbar.
Das ist bei einer offenen Auflistung, wie Dobrindt sich das vorstellt nicht der Fall. Im Gegenteil: Sie bringt trans*, nicht-binäre und queere Personen in Gefahr. Gefahr zum Beispiel vor Diskriminierung durch Behörden und Polizei. Und dass auch Polizeiregister nicht vor ungewollten Zugriffen sicher sind, hat der Fall um den „NSU 2.0“ gezeigt. Trans* und queere Menschen sehen sich ohnehin bereits einem erhöhten Risiko für Übergriffe ausgesetzt, gerade von Rechts.

Dobrindts Pläne sind ein fataler Rückschritt – zu einer queerfeindlichen Politik, die noch immer nachwirkt. Schon im Kaiserreich wurden queere Menschen systematisch erfasst, die Nazis legten zu diesem Zweck „rosa Listen“ an. Schon der Name zeigte nichts als Verachtung für queeres Leben. Auch in der Bundesrepublik und der DDR wurden diese Listen weitergeführt. Sie sorgten dafür, dass sämtliche Instanzen die intimsten Details über queere Menschen wussten. Der Staat nutzte sie, um Menschen einzuschüchtern, zu stigmatisieren, zu bestrafen. Bis hin zu Haft und Mord. „Weil der Staat sie niemals für gleichwertig hielt“, fasst der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano zusammen.
Psychische Erkrankung? Ab auf eine Liste!
Aber der CDU geht es nicht nur um trans* Menschen. Auch für andere Personengruppen möchte sie gerne Listen führen. Im Juni hat unter anderem die CDU-Fraktion im Landtag in Hessen einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der eine Änderung am Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) vorsieht.
Es gibt Menschen, die sind schwer psychiatrisch erkrankt, sie sind eine Gefahr für sich selbst und die Gesellschaft. Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, dass diese Personen den Ordnungsbehörden gemeldet werden müssen.
Ralf-Norbert Bartelt, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU im hessischen Landtag
Auch hier war die Kritik groß: Das erinnere doch sehr an die Anfänge der Euthanasie unter den Nazis, so die Kommentare. Ein Register für Personen mit psychischen Gesundheitsproblemen stelle Menschen unter einen völlig unangemessenen Generalverdacht. In der Regel sind Menschen mit starken psychischen Erkrankungen oder in psychischen Ausnahmezuständen erst einmal für sich selbst eine Gefahr – und seltener für andere. Dazu kommt, dass sie selbst häufiger Opfer von Gewalt als Täter*innen werden.
Die CDU in Hessen verteidigte sich so: Es ginge ihr um die vermeintlichen Gefahren, die von psychisch erkrankten Geflüchteten ausgehen würden. Als einen der Hauptgründe für ihren Gesetzentwurf gab die Landespartei Messerangriffe wie jenen im Januar in Aschaffenburg an.
Psychiater Martin Finger ist Arzt in Frankfurt und Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte des Landesverbands Hessen. Er hält den Gesetzentwurf „auf Menschenrechtsbasis für sehr problematisch“, sagte er gegenüber der FAZ. Es könne nicht Aufgabe der Ärzt*innen sein, kranke Menschen bei der Polizei zu melden. „Da geht das Vertrauensverhältnis zum Patienten verloren.“ Er hält den Gesetzesentwurf für populistisch. Eine Panikmache, die bewusst mit der Angst der Menschen spielt.
Listen als vermeintliche Terror-Prävention
Die Idee für eine Liste für psychisch Kranke kommt nicht von ungefähr. Anfang des Jahres hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schon ins Spiel gebracht: „Wir haben große Raster angelegt für Rechtsextremisten, für Islamisten, aber offenkundig nicht für psychisch kranke Gewalttäter“, sagte Linnemann in einem Interview mit Bezug auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg.
Auch er verkürzte die Problemlage – in der zugespitzten Migrationsdebatte im Wahlkampf Anfang des Jahres – auf psychisch erkrankte Gewalttäter mit Fluchtgeschichte.
Ein psychisch kranker Mensch hat eine medizinische Diagnose. Ein Gewalttäter ist ein Mensch, der eine Straftat begangen hat. Manchmal – und dann immer tragisch – kommt wie bei dem Täter in Magdeburg beides zusammen.
Kommentar von Henriette de Maizière bei ZDF Heute
Der Knackpunkt: Der Attentäter von Magdeburg hatte laut taz anscheinend gar keine Diagnose, war aber von unterschiedlichen Menschen bereits wegen Drohungen bei der Polizei gemeldet worden. Er wäre also in einem Register für psychisch Kranke überhaupt nicht aufgetaucht.
Wer ein solches Register fordert, fördert aktiv die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen, die in Deutschland ohnehin schon sehr deutlich ist. Es schreckt außerdem diejenigen ab, die dringend Hilfe benötigen. Schon heute suchen viele Betroffene aus Angst vor gesellschaftlicher Abwertung viel zu spät oder gar nicht nach Unterstützung.
Personen mit psychischen Problemen brauchen Hilfe, keine Diskriminierung
Millionen Menschen sind von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen. Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen können jeden treffen und sind alltägliche Realität. Auch eine einmalige Psychose, ausgelöst durch Stress, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Ausnahmezustände, kann ebenso bei jedem Menschen vorkommen.
Richtig ist: Aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse in der Heimat oder auf der Flucht sind Gefflüchtete häufiger von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen als Menschen ohne Flucht- oder Verfolgungsgeschichte. Laut ProAsyl bräuchten rund 30 Prozent eigentlich eine Therapie.
Diese bekommen sie aber in den oft nicht. Die Ressourcen sind nämlich ohnehin schon knapp, es gibt immer wieder Versorgungsengpässe bei Therapieplätzen. Geflüchtete würden zusätzlich systematisch vernachlässigt, wenn es um eine ausreichende gesundheitlich Versorgung ginge: „Ein Systemversagen mit Ansage“, klagt Correctiv an. Eine zentrale Erfassung, wie CDU-Generalsekretär Linnemann oder die CDU in Hessen sie vorschlugen, kann dieses Problem nicht lösen – sondern nur mehr Therapieplätze.
Du bist von einer psychischen Ausnahmesituation betroffen, oder Deine Gedanken kreisen darum, Dein Leben zu beenden? Sprich mit anderen Menschen darüber: Je schneller Dir geholfen werden kann, desto besser. Du bist nicht allein!
TelefonSeelsorge 0800 111 0 111 Sorgen-Chat der TelefonSeelsorge Nummer gegen Kummer Krisenchat: Soforthilfe bei akuten Krisen
Falls Du selbst Betroffene*r oder Angehörige*r einer Person mit einer psychischen Erkrankung bist und Hilfe suchst, wende Dich baldmöglich an eine Beratungsstelle. Auch wenn Du erstmalig unter einem psychischen Gesundheitsproblem leidest, ist es ratsam, dass Du Dir Unterstützung suchst.
Beartungsstellen für Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen:
Infoseite des Vereins Pro Psychotherapie e.V. Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle (PSKB) des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Online-Beratung bei Behinderung und psychischer Beeinträchtigung (Caritas)
Beratungsstellen für trans*, inter- und queere Menschen:
Trans* – Ja und?! Bundesvereinigung trans*: Infos, Workshop-Angebote und Vernetzungsmöglichkeiten Lesben- und Schwulenverband in Deutschland: E-Mail Rechtsberatung für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche sowie weitere queere Menschen (LSBTIQ*) Queermed Deutschland: Deutschlandweites Verzeichnis von queerfreundlichen und sensibilisierten Ärzt*innen, Therapeut*innen und Praxen Coming out und so: Online-Beratung per Mail, Messenger-App und Video-Call, begleitet von Psycholog*innen und Sozialpädagog*innen Jugendnetzwerk Lambda e.V.: Online-Beratung durch Peers