CDU Energie Lobbyismus
Als der designierte Kanzler Friedrich Merz Ende April sein Kabinett vorstellte, waren einige politischen Beobachter*innen überrascht. Denn viele der dort aufgeführten Namen waren bisher eher im Hintergrund unterwegs gewesen, wie zum Beispiel der jetzige Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder. Auch Katherina Reiche war eine überraschende Besetzung, hatte sie der Bundespolitik doch eigentlich vor 10 Jahren den Rücken gekehrt.
Von Kolleg*innen wird die neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie für ihre Praxisnähe, Durchsetzungskraft und wirtschaftliche Kompetenz gelobt. Kritik an der Politikerin kommt aus der Opposition, der Zivilgesellschaft, aber auch aus den eigenen Reihen in der CDU. Wer ist die Bundesministerin Katherina Reiche – und warum bringt sie die Energiewende, die 2024 vorangetrieben wurde, in Gefahr?
Gas statt Energiewende – Reiche will den Rückschritt

Die Wirtschaftsministerin setzt auf fossiles Gas statt auf regenerative Energien – die Gas-Lobby freut das. Mit einem Appell wendet sich Campact an die Ministerin und stellt sich hinter die Energiewende. Unterstütze auch Du den Appell:
Wer ist Katherina Reiche?
Katherina Birgitt Reiche wurde am 16. Juli 1973 in Luckenwalde (Brandenburg) als Tochter der Chemikerin Birgitt Reiche und des Chemieingenieurs Klaus Reiche geboren. Auch Katherina studierte, wie ihre Eltern, Chemie, und zwar ab 1992 an der Universität Potsdam. Auslandsaufenthalte führten sie nach Finnland und die USA.
Ihre Eltern hatten vor der Wende in einem in den Siebzigern verstaatlichten kunststoffverarbeitenden Unternehmen gearbeitet, welches nach der Wende reprivatisiert wurde. Reiches Eltern übernahmen die Geschäftsführung. Katherina Reiche und ihr Bruder Felix waren bis 2003 an der Firma als Gesellschafter*innen beteiligt.
Privatleben: Freunde, Kinder, Partnerschaft mit Karl-Theodor zu Guttenberg
Über das Privatleben von Katherina Reiche ist nicht viel bekannt. Sie ist Mutter von zwei Töchtern und einem Sohn. Vom Vater ihrer Kinder, dem ehemaligen CDU-Politiker Sven Petke, lebt sie mittlerweile getrennt. Über eine Beziehung mit dem Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde schon länger spekuliert.
Vor einigen Monaten hat sie diese Beziehung dann öffentlich gemacht. Reiche und Guttenberg sind wahrscheinlich bereits seit 2023 ein Paar.

Foto: IMAGO / Christian Thiel
Wie war die politische Karriere von Katherina Reiche bisher?
Nach Abschluss ihres Diploms in Chemie 1997 wandte sich Katherina Reiche vollständig der Politik zu. Aber auch schon vorher engagierte sie sich politisch: 1992 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des Rings Christlich-Demokratischer Studenten an der Universität Potsdam an.
1996 trat sie in die CDU ein. Zwei Jahre später zog sie als Abgeordnete für Potsdam in den Deutschen Bundestag ein. Reiche war damals mit 25 Jahren die jüngste CDU-Politikerin im Bundestag. Unterboten wurde das bei der nächsten Wahl von Jens Spahn, der mit 22 Jahren als Direktkandidat in den Bundestag einzog.
Ihre Stationen im deutschen Bundestag und in der Wirtschaft
- 2002 bis 2005: Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung“ der Union-Bundestagsfraktion
- 2005 bis 2009: Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zuständig für Bildung, Forschung, Umwelt und Sicherheit
- 2009 bis 2013: Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium
- 2013 bis 2015: Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium
Bis 2015 blieb die Diplom-Chemikerin dem Bundestag treu, dann schied sie auf eigenen Wunsch aus – und wechselte ohne Übergangszeit in die Wirtschaft.
Sie arbeitete zunächst für den „Verband kommunaler Unternehmen“ (VKU), einem Lobbyverband für etwa 1.500 Stadtwerke. Viele der VKU-Unternehmen sind im Gas-Geschäft tätig und haben aktiv gegen das Heizungsgesetz Stimmung gemacht. 2020 dann der nächste Wechsel, diesmal als Vorstandsvorsitzende zum Energieversorger Westenergie AG, einem Tochterunternehmen des Energieriesen Eon, einem der größten Gasnetzbetreiber Deutschlands. Zu Beginn der Legislaturperiode 2025 holt Merz die Gas-Lobbyistin Reiche zurück in die Politik – weg vom Management-Sessel eines Energiekonzerns, hinein ins Wirtschafts- und Energieministerium.
Eine erfolgreiche Frau aus Ostdeutschland, die ganz oben im politischen Betrieb mitentscheidet – eigentlich ein Grund zur Freude, sind doch so wenige Frauen in entscheidenden politischen Positionen.
Was sind ihre politischen Standpunkte?
Mit ihrem Werdegang lassen sich auch die politischen Standpunkte der Wirtschaftsministerin erklären. Die ehemalige Gesellschafterin, Lobbyistin und Managerin in der Energieindustrie stellt die Klimaziele infrage und will Milliarden in Gas als fossilen Energieträger investieren statt in Wind und Sonne.
Auch zu anderen Themen hat sie sich während ihrer politischen Karriere geäußert. Sie hatte sich negativ über gleichgeschlechtlichen Partner*innenschaften und Regenbogenfamilien geäußert – und sich bisher nicht von diesen Aussagen distanziert. „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften“, sagte Bundesministerin Reiche 2012 in einem Interview mit der Bild-Zeitung. 2002 unterstützte sie die Klage der unionsgeführten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz – denn es sei ein „Angriff auf Ehe und Familie“.
Wie steht sie zur Energiewende-Politik?
Die Pläne der vorherigen Regierung und ihres Vorgängers Robert Habeck, die Energiepolititk in Richtung Klimaneutralität und Umweltschutz zu lenken, hält die neue Ministerin für Wirtschaft und Energie Katherina Reiche für „völlig überzogen“. Auch an der gesetzlich fixierten deutschen Klimaneutralität bis 2045 hat sie etwas auszusetzen: „Ich weiß nicht, ob sich das jemand wirklich durchgerechnet hat“, sagt sie spöttisch über die Pläne, die zuletzt der ehemalige Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in den Händen hatte.
Habeck hatte auch das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) reformiert, welches die CDU-geführte Regierung vor ihm bereits auf den Weg gebracht hatte. Diese auch als Heizungsgesetz bekannten Weiterentwicklungen will Reiche nun kippen, oder zumindest grundlegend „novellieren“. Schon in den Koalitionsverhandlungen war es der Union wichtig, das Wort „Abschaffung“ im Kontext des Heizungsgesetzes im Koalitionsvertrag stehen zu haben – wahrscheinlich, um die Gegner*innen des Gesetzes zu beschwichtigen. Reiche schiebt diese Abschaffung jetzt weiter an.
Eine soziale Gestaltung der Energiewende ist Reiche dabei egal. Eine Senkung der Stromsteuer, wie im Koalitionsvertrag versprochen, gibt es erstmal nur für Industrie und Landwirtschaft. Besonders profitieren davon Branchen wie die Chemie-, Metall- oder Zementindustrie. Ministerin Reiche begründete das mit einer Nicht-Finanzierbarkeit: „Hier trifft dann sozusagen Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit.“ Deswegen wirft der Koalitionspartner SPD ihr den Bruch des Koalitionsvertrags vor.
Welche Kritik gibt es an der CDU-Politikerin?
Und genau hier setzt die Kritik an der Ministerin Katherina Reiche an. Verbände wie Lobbycontrol hatten bereits 2015 ihren nahezu fliegenden Wechsel in die Wirtschaft kritisiert, sowie ihre ebenso nahtlose Rückkehr zehn Jahre später. „Von der Energieunternehmerin zur Energieministerin“, hieß es. Und diesem Bild scheint sie Kritiker*innen nach mehr als gerecht zu werden. Sie ist eine leidenschaftliche Lobbyistin von fossilen Energien, vor allem vom Gas – also genau des Energieträgers, mit dem sie als Vorstandsvorsitzende bei der Westenergie AG zuletzt vor allem zu tun hatte.
Reiche, Ministerin mit Nähe zur Gas-Lobby
Reiche will, nach eigener Aussage, die Energiepolitik und das überarbeitete Heizungsgesetz „technologieoffener, flexibler und einfacher“ zu gestalten. Kritiker*innen sagen, dass das nur eine Beschönigung für die letztendliche Weiterführung von fossilen Energieträgern ist. Statt Technologien wie Gas- und Ölheizungen zu „verbieten“, wie Reiche die Arbeit ihres Vorgängers Habeck beschreibt, will sie die Nutzung „weiterentwickeln“ – also auch weiter laufen lassen. Bereits zu Beginn ihrer Amtszeit setzte sie sich dafür ein, mehr neue Gaskraftwerke ans Laufen bringen zu wollen.

Zusätzlich wiederholte sie weiter das Märchen vom „Zwang zur Wärmepumpe“, den Robert Habeck gefordert haben soll. Das Heizungsgesetz hatte einen bezuschussten, schrittweisen Austausch und Umstieg von insbesondere alten Öl- und Gasheizungen bis 2045 vorgesehen. Neue Heizungen müssen laut GEG unter bestimmten Voraussetzungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Auch Fernwärme, Solarthermie, Biomasse, wasserstofffähige Gasheizungen, Strom- und Hybridheizungen sind erlaubt. Dennoch fordert Reiche: „Schluss mit dem Zwang zur Wärmepumpe.“ Damit verbreitet die Ministerin Falschinformationen und verunsichert Hausbesitzer*innen, Heizungsbetriebe und Kommunen.
Fraglich, wie ernst Reiche es künftig mit der Energiewende hin zu mehr Klimaschutz noch meint.
Journalist Hanno Christ für rbb24 Anfang Mai
Der Haushaltsentwurf der neuen Bundesregierung für 2025 legte außerdem eine weitere Strategie Reiches offen: Günstige Gaspreise auf Kosten des Klimaschutzes. 2022 führte die Ampel-Regierung, als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine, die sogenannte Gasspeicherumlage ein. Diese Umlage trugen vor allem die Abnehmer von Gas, also neben Privathaushalten auch Industrie, Gewerbe und Energieunternehmen mit fossilen Enerieträgern, die insgesamt 60 knapp Prozent des Gasverbrauchs ausmachen. Die Kosten für die Gasumlage sollen zukünftig aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen – also dem Geldtopf, der eigentlich für einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern und klimafreundliche Technologien gedacht ist.
Kritik zur geplanten Rentenreform der Bundesministerin für Wirtschaft
Auch mit ihren Positionen zu einer möglichen Rentenreform steht Katherina Reiche aktuell nicht gut dar: Die Lebensarbeitszeit müsse steigen, so Reiche.
Es kann auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.
Katherina Reiche am 26. Juli 2025 in der FAZ
Das bescherte ihr einiges an Kritik – auch aus dem christdemokratischen Lager. Christian Bäumler, Vizechef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), sieht Reiche sogar fehl am Platz im Kabinett. Der Mann vom Sozialflügel poltert, wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert habe, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit habe, sei „eine Fehlbesetzung“.
Dagmar Schmidt (SPD), Vize-Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, nannte den Vorstoß „fern der Lebensrealität der meisten Menschen“. Und Sören Pellmann, Fraktionsvorsitzender der Linken, bringt direkt Vorschläge an. Statt Menschen zum längeren Arbeiten zu zwingen, müsse das Rentensystem so finanziert werden, dass alle Erwerbstätigen einzahlen. Auch müsste eine bessere Kinderbetreuung Arbeitende entlasten und bestehende Arbeit besser umverteilt werden. „Viele Beschäftigte leisten Überstunden ohne Ende, werden krank durch zu viel Arbeit und für viel zu viele wartet jetzt schon nach einem Leben voller Arbeit bittere Altersarmut“, so Pellmann.
Reiche stellt die Klimaziele infrage, poltert gegen die Wärmewende und will statt in Wind und Sonne Milliarden in Gas investieren. Doch ihre Nähe zur fossilen Industrie erregt immer mehr Aufmerksamkeit. Offenbar hat Reiche sogar ihr Profil auf der Plattform LinkedIn gelöscht, aus dem ihre beruflichen Stationen hervorgingen. Eine Website mit ihrem Namen ist nicht erreichbar.
Der Ministerin wäre es lieber, ihre Lobby-Verbindungen blieben unbemerkt – gerade deshalb holt Campact sie ins Rampenlicht. So zeigen wir, dass Reiches klimaschädliche Politik vor allem einer nutzt: der fossilen Lobby. Hilf mit, die Kampagne groß zu machen – durch Deine Unterschrift.