Feminismus Wirtschaft
Die Deutschen müssten wieder mehr arbeiten. Seine Wutrede gegen die Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance war nicht das Einzige in Friedrich Merz erster Regierungsansprache, das bei vielen eine Mischung aus Unbehagen und Fremdscham ausgelöst hat.
Geld und Arbeit spielen für die Union eine zentrale Rolle. Auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD geht es oft ums Geld. Geplant ist eine Steuerreform, die kleine und mittlere Einkommen entlasten soll. Das wie ist noch völlig unklar. Deutlich stärker fokussieren sich die Regierungsparteien derzeit auf eine Senkung der Unternehmenssteuer. Firmen first! Na, bravo.
Kinderbetreuung ist teuer
Ganz anders sieht es bei Eltern und Familien aus – sie spielen in den Steuerplänen von Schwarz-Rot keine große Rolle. Mehr Kinder werden zwar gewünscht, mehr arbeitende Eltern auch, doch die wirklichen steuerlichen Entlastungen fehlen.
Dabei ist Kinderbetreuung teuer; egal ob für Krippe, Kita oder Babysitter. Die Kosten unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Während Familien in Hamburg Anspruch auf fünf Stunden pro Tag haben (beitragsfrei!), werden in Niedersachsen jeden Monat oftmals Beträge über 200 Euro pro Betreuungsplatz fällig.
Gerade die Kosten für Krippenkinder sind in manchen Bundesländern enorm kostspielig. Dazu kommen dann noch Ausgaben für Verpflegung, Ausflüge, Geschenke für die Erzieher*innen oder die doppelte Ausstattung an Matschhosen, Gummistiefeln und Wechselsachen, die in den Kitas hinterlegt werden müssen.
Wie lassen sich Betreuungskosten steuerlich absetzen?
Seit 2012 lassen sich Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben für alle Eltern absetzen – jedoch nur zu zwei Dritteln und begrenzt auf 4.000 Euro im Jahr pro Kind (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Einkommenssteuergesetz). Essenskosten in Kita und Schule sind davon ausgenommen.
Betreuen die Großeltern das Kind, können Eltern in Deutschland gerade mal die Fahrtkosten – mit Bus, Bahn oder Auto – absetzen. Vorausgesetzt, die Eltern stellen den Großeltern eine Rechnung aus und haben ihnen die Fahrkosten überwiesen.
Andere Länder sind hier deutlich weiter. In Schweden können Eltern beispielsweise seit 2024 Elterngeldmonate auf die Großeltern übertragen; gerade für Alleinerziehende ist das ein Gewinn. Denn es braucht ein Dorf, um Kinder großzuziehen, oder nicht?
Kindergeld vs. Kinderfreibetrag: Wenn Reiche noch reicher werden
Doch ein Dorf alleine reicht nicht aus – Eltern brauchen vor allem Geld. Je älter die Kinder, desto teurer wird es. Durchschnittlich summieren sich die Ausgaben bis zum 18. Lebensjahr auf insgesamt 164.800 Euro.
Ein Teil davon wird vom sogenannten Kindergeld aufgefangen, das in der Regel für Kinder bis zum 18. Lebensjahr gezahlt wird. Für das Jahr 2025 wurde das Kindergeld um 5 Euro auf 255 Euro erhöht, ab 2026 gibt es pro Kind 259 Euro. Wie sinnvoll eine Erhöhung um 5 Euro ist, darüber lässt sich sicher streiten – und doch ist das Kindergeld viel wert. Jedes Kind bekommt es. Ziemlich fair, oder?
Oder auch nicht. Denn gerade die berühmte Doppelstruktur aus Kindergeld und Kinderfreibetrag zeigt, wie unfair unser Steuersystem noch immer ist. Denn der Kinderfreibetrag führt dazu, dass Kinder reicher Eltern vom Staat mehr Geld erhalten als Kinder von Normalverdiener*innen. Im Jahr 2024 machte der Kinderfreibetrag zusammen mit dem Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf satte 9.312 Euro pro Kind aus, die nicht versteuert werden müssen.
Der Clou: Das Finanzamt prüft in der Steuererklärung, was günstiger ist – Kindergeld oder die Steuerersparnis durch den Freibetrag. Nur das Vorteilhaftere wird angerechnet. Das heißt im Klartext: Je mehr Du verdienst, desto mehr ist dem Staat Dein Kind wert. Absurd, oder? Bei einem richtig gut verdienenden Paar können das locker 100 Euro mehr sein – und zwar pro Kind und pro Monat.
Schere soll verringert werden. Nur wie?
Laut Koalitionsvertrag wollen CDU, CSU und SPD „die Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld schrittweise verringern“. Schwarz-Rot will so sicherstellen, dass „bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt“. Wie das passieren soll, haben die Parteien noch nicht definiert. Dabei gibt es längst Ideen. Wie Maurice Höfgen in der taz darlegt, könnte der Staat 3,5 Milliarden Euro einsparen, wenn er den Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf auf ein Minimum reduziert.
„Damit ließe sich entweder das Kindergeld um 20 Euro pro Monat oder der Kinderzuschlag für armutsbedrohte Kinder um ganze 120 Euro anheben“, hat Höfgen ausgerechnet.
Mehr Steuererleichterungen für Eltern
Berufstätige Eltern sind auf die Betreuung für ihre Kinder angewiesen. Wer will, dass wieder „mehr gearbeitet“ wird, der muss Eltern auch entsprechende Anreize bieten – und sie nicht steuerlich abstrafen.
Zudem braucht es ein Modell, dass reiche Eltern nicht bevorzugt behandelt. Sondern echte Chancengleichheit bietet und aktiv gegen Kinderarmut vorgeht. Was es dafür braucht? Eine progressive Politik.
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