Datenschutz Digitalisierung
Stell Dir vor, Du holst am Hauptbahnhof eine Freundin vom Zug ab und gerätst dort in eine Polizeikontrolle. Wenige Tage später steht die Polizei vor Deiner Tür. Was Du nicht wusstest: Zufällig hast Du den gleichen Weg genommen wie ein mutmaßlicher Attentäter. Eine Überwachungssoftware hat Daten ausgewertet – und nun stehst Du selbst unter Verdacht.
Was ist Palantir?
Palantir ist ein US-amerikanisches Überwachungsunternehmen des Tech-Milliardärs Peter Thiel. Es bietet Software zur Analyse großer Datenmengen an. Die Gründung des Konzerns wurde maßgeblich von der CIA finanziert, dem Auslandsgeheimdienst der USA. Zu den Kunden gehören hauptsächlich Geheimdienste und Militärbehörden.
Die Palantir-Software für die deutschen Behörden wurde entwickelt, um Daten aus verschiedenen Quellen wie Polizeidatenbanken, Gesundheitsdaten oder Social-Media-Inhalte zusammenzuführen und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz in Sekundenschnelle auszuwerten.
Was klingt wie aus einem düsteren Film, könnte in Baden-Württemberg schon bald Wirklichkeit werden: Die Landesregierung will die Überwachungssoftware Palantir einführen. Die Reform des Polizeigesetzes muss nur noch den Landtag in Stuttgart passieren, dann kann die US-Software Palantir in Baden-Württemberg eingesetzt werden. Die Regierung hatte den Weg dafür gebahnt – der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat dem Deal mit der CDU zugestimmt.
Doch noch ist es nicht entschieden. In der Grünen-Fraktion gibt es viele kritische Abgeordnete, die das Gesetz noch blockieren könnten. Denn um die Software des Trump-Vertrauten Peter Thiel einzuführen, muss das Polizeigesetz in Baden-Württemberg reformiert werden. Das kann die Fraktion noch verhindern. Und dafür gibt es gute Gründe – vor allem diese drei:
US-Behörden könnten auf Daten aus Baden-Württemberg zugreifen
Bekommt Palantir Zugriff auf die Datenbank der deutschen Polizei, kann niemand ausschließen, dass die Daten US-Geheimdiensten zugänglich gemacht werden könnten. Der Cloud Act verpflichtet US-Unternehmen dazu, US-Behörden auf Anfrage Zugriff auf außerhalb der USA gespeicherte Daten zu gewähren. Zwar versichert Palantir-Gründer und Großaktionär Peter Thiel, die Datenverwaltung in den Händen der Polizei zu belassen. Aber eine endgültige Sicherheit gibt es nicht. Selbst, wenn die Software nur offline verwendet wird. Das Fraunhofer-Institut sollte dies zwar überprüfen, jedoch ist deren Studie nicht öffentlich zugänglich – zumal sie nur eine Momentaufnahme wäre, denn die Software wird ständig weiterentwickelt. Da auch der Code nicht einsehbar ist, kann auch niemand überprüfen, ob nicht doch Hintertüren für die US-Geheimdienste eingebaut wurden. Zusätzlich geben Thiels enge Verbindungen zur Trump-Administration und den US-Geheimdiensten Anlass zum Zweifel.
Und sogar Palantir-Personal könnte Zugang zur baden-württembergischen Polizei bekommen: Schon jetzt entsendet Palantir eigene Mitarbeiter*innen in die deutschen Behörden anderer Bundesländer, die die Technologie bereits einsetzen, um die Software zu betreuen. Allein in Bayern, wo die Software bereits von der Polizei benutzt wird, könnten Palantir-Mitarbeitende Zugang zu den Daten von rund 30 Millionen Bürger*innen haben – das sind mehr als ein Drittel aller Deutschen. Auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen nutzt die Polizei die Analysesoftware des US-Konzerns bereits.
Grüne kritisieren Palantir-Pläne in Baden-Württemberg
Laut der Landesregierung in Baden-Württemberg soll Palantir nur vorübergehend genutzt werden. Doch ist das Programm erst einmal eingeführt, tritt der sogenannte Lock-in-Effekt ein. Das heißt, es wird sehr schwer, später wieder davon wegzukommen, denn Behörden machen sich durch dessen Nutzung – Schulungen, Personal, Abläufe – davon abhängig. Ein Wechsel zu einer anderen Software wird so aufwändig und teuer.
Zwei bundesweite Arbeitsgemeinschaften der Grünen haben deswegen zu Recht von der Einführung der Palantir-Software abgeraten. Sie widerspreche nationalen Sicherheitszielen und untergrabe die Souveränität Deutschlands. Die AGs fordern, dass Verträge mit Palantir so schnell wie möglich beendet und Vereinbarungen aufgelöst werden. Auch andere prominente Grüne wie Marina Weisband warnen vor Palantir: „Es ist designt für Totalüberwachung. Es ist in seinem Grund inkompatibel mit einer Demokratie.“
Die demokratische Kontrolle von Palantir ist unmöglich
Die Landesregierung in Baden-Württemberg argumentiert, dass man den Einsatz von Palantir überwachen werde. Dazu soll sich das parlamentarische Kontrollgremium, das normalerweise den Verfassungsschutz kontrolliert, „in bis zu vier Sitzungen im Jahr“ mit Palantir befassen.
Aber selbst wenn die Polizei die Abgeordneten regelmäßig informieren würde, ob und wie sie die Palantir-Software bei der Telekommunikations- und Verkehrsüberwachung und der Datenanalyse einsetzt: Eine demokratische Kontrolle ist unmöglich. Nicht nur für Außenstehende, selbst für Abgeordnete bleibt Palantir eine Blackbox. Nur der Konzern selbst weiß, wie die Software genau arbeitet, denn der Software-Code ist nicht bekannt. So lässt sich nicht nachvollziehen, wie Daten erschlossen und verarbeitet werden.
Und das ist hochproblematisch, denn:
- Wenn die Abgeordneten Grundrechte schützen wollen, müssen sie nachvollziehen können, wie diese Massen an Daten analysiert werden.
- Solange unklar bleibt, nach welchen Algorithmen und Kriterien die Daten ausgewertet werden, können sie nicht ausschließen, dass Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder Kontaktverhalten diskriminiert werden.
Das Vertrauen der Bevölkerung in Polizei und Rechtsstaat wird untergraben, wenn der Landtag eine Kontrolle verspricht, die er nicht durchführen kann.
Der Einsatz von Palantir verletzt Bürgerrechte, Unschuldige werden zu Verdächtigen
Die Palantir-Software kann Menschen erfassen, ohne dass sie etwas Falsches getan haben. Viele Menschen waren schon einmal an einem Unfall beteiligt, haben Anzeige gegen jemanden erstattet oder sind zufällig am selben Bahnhof in eine Kontrolle geraten wie eine gesuchte Person. Und schon besteht die Gefahr, dass sie im System der Palantir-Software landen.
Datenschützer*innen warnen davor, dass bei einem bundesweiten Einsatz massenhaft unschuldige Menschen von polizeilichen Folgemaßnahmen bedroht sein könnten und somit Bürgerrechte verletzt werden. Besonders gefährlich ist das mit Blick auf das Erstarken der rechtsextremen AfD. Schafft sie es in eine Landesregierung, könnte sie Palantir für ihre Zwecke nutzen. Denkbar wäre etwa, dass die Rechtsextremen versuchen, nach dem Vorbild von US-Präsident Trump die Software zur Deportation von Menschen zu nutzen.
Schon jetzt sind in vielen Datensätzen People of Color überrepräsentiert – weil sie öfter durch die Polizei kontrolliert werden (Racial Profiling). Automatische Datenanalysen verstärken diese Diskriminierung, deshalb landen nicht-weiße Menschen überproportional häufig im Visier von Ermittler*innen.

Keine Trump-Software für die Polizei!
Palantir-Technologie bei den deutschen Sicherheitsbehörden: CDU und CSU wollen, dass die Polizei die Überwachungssoftware des Trump-Vertrauten Peter Thiel auch deutschlandweit einsetzt. Die SPD kann den Deal noch verhindern. Sei dabei.
Baden-Württemberg droht Verfassungsbeschwerde
Die Rechtsgrundlagen für den Einsatz der Technologie sind jedoch höchst umstritten: Datenschützer*innen warnen davor, dass das Zusammenführen von Daten aus verschiedenen Quellen stets das Risiko mit sich bringt, dass auch unschuldige Menschen überwacht werden. Das stelle einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Wenn gesetzlich nicht klar geregelt ist, wann genau und wie das Programm eingesetzt werden darf, wird der Datenschutz verletzt und unser Recht darauf, selbst zu bestimmen, was mit unseren persönlichen Daten passiert.
Und das könnte auch für Baden-Württemberg blamabel werden: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat deshalb beim Bundesverfassungsgericht Beschwerden gegen den Einsatz von Palantir-Software in Hessen und Nordrhein-Westfalen eingereicht. Mit Erfolg: Die Richter*innen verhängten im Urteil zu Hessen strenge Auflagen. Seit Kurzem prüft das Gericht aufgrund einer weiteren Verfassungsbeschwerde der GFF auch den Einsatz der Software in Bayern.