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Die Bundesregierung überlegt, den Pflegegrad 1 abzuschaffen, um Kosten zu senken. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe spricht sich wiederum dafür aus, den Pflegegrad zu erhalten, aber grundlegend zu überarbeiten. Welche Unterstützung Pflegebedürftigte und Angehörige erwarten können und was eine Streichung für die Gesellschaft bedeutet, schauen wir uns hier genau an. 

Erhalt des Pflegegrads 1 – für alle Angehörigen und Pflegenden!

Monika Müller-Herrmann ist Altenpflegerin und pflegt ihren an Demenz erkrankten Ehemann. Sie findet: Das fünfstufige Pflegegradsystem ist eine große Errungenschaft in der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Deswegen setzt sie sich auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, für den Erhalt des Pflegegrads 1 ein. Über 150.000 Menschen unterstützen ihre Petition bereits. Schließ auch Du Dich ihnen an! 

Was bedeutet “Pflegegrad 1”? 

Der Pflegegrad 1 ist die niedrigste Stufe in einem System aus fünf Graden, das es seit 2017 gibt. Das Pflegegradsystem löste damals das System aus Pflegestufe 1, 2 und 3 ab. Die Pflegegrade richten sich je nach dem individuellen Pflegebedarf:

  •     Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit
  •     Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit
  •     Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit
  •     Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit
  •     Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Die Pflegekasse vergibt den Pflegegrad nach einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) bei gesetzlich Versicherten oder durch Medicproof bei privat Versicherten. Bei dieser Begutachtung fließen nicht nur die körperliche Gesundheit und Selbständigkeit, sondern auch psychische und soziale Faktoren mit ein. Das war bei dem alten Pflegestufen-System nicht so; es berücksichtigte in erster Linie die körperlichen Beeinträchtigungen. 

Auf Grundlage des Gutachtens vergibt die Pflegekasse dann eine Pflegestufe. Diese regelt, wie viel Unterstützung und welche Hilfen den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zustehen. 

Wer erhält Pflegegrad 1? 

In Deutschland sind derzeit rund 860.000 Menschen in Pflegegrad 1 eingestuft. Sie sind meist noch weitgehend selbstständig. Sie können sich in der Regel noch recht gut selbst versorgen und ihren Alltag in einigen Bereichen ganz ohne fremde Hilfe bewältigen – aber eben nicht vollständig. Das können zum Beispiel Personen mit Demenz im frühen Stadium sein, sowie Menschen mit Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen wie Arthrose und Rheuma, oder anderen körperlichen oder auch seelischen Beeinträchtigungen.

Eine feste Liste von Erkrankungen, die zu Pflegegrad 1 führen, gibt es nicht. Die Einstufung erfolgt höchst individuell und unter Einbezug der persönlichen Lebenssituation sowie der körperlichen und psychischen Verfassung der Person.

Welche Leistungen stehen Menschen mit Pflegegrad 1 zu? 

Pflegeversicherte mit anerkanntem Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den sogenannten „Entlastungsbetrag“. Der beträgt 131 Euro im Monat. Den Entlastungsbetrag können Pflegende nutzen, um die Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person zu erhalten und zu fördern. Das kann zum Beispiel bedeuten, eine Haushaltshilfe einzustellen, die bei grundlegenden Hausarbeiten unterstützt. 

Für Pflegehilfsmittel wie Desinfektionsmittel oder Handschuhe gibt es einen Anspruch von 42 Euro monatlich. Bauliche Anpassungen in Wohnung oder Haus, wie beispielsweise einen Treppenlift oder eine barrierefreie Dusche, unterstützt die Pflegeversicherung mit bis zu knapp 4000 Euro pro Maßnahme. Die Installation eines Notrufsystems in den eigenen vier Wänden unterstützen die Pflegekassen mit 25,50 Euro monatlich. Das erleichtert Pflegebedürftigen, die alleine wohnen, im Notfall schneller einen Notruf abzusetzen. 

Auch pflegende Angehörige profitieren: Sie haben Anspruch auf kostenlose Pflegeberatung, Pflegekurse und das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld. Das ist eine Unterstützung für pflegende Angehörige, die in akuten Pflege-Notfällen die Fortzahlung von Lohn oder Gehalt übernimmt.  

Was plant die Bundesregierung für den Pflegesektor? 

Am Wochenende gab Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Talk-Sendung von Caren Miosga im ARD einen Einblick in die aktuellen Pläne der Bundesregierung für das Pflegesystem und den Pflegegrad 1. Die Moderatorin fragte Merz geradezu, ob der Pflegegrad 1 gestrichen werde. Der CDU-Chef sagte dazu: „Den Vorschlag gibt es nicht!“

Als Miosga daraufhin sagte, „das ist ja eine gute Nachricht für alle, die Pflegegrad 1 haben“, gab der Kanzler zu: „Es gibt diesen Vorschlag nicht. Was nicht heißt, dass wir nicht über diese Frage diskutieren.“ Entschieden sei noch nichts. Aber: „Wir müssen bei der Pflegeversicherung sparen. Und zwar relativ kurzfristig, weil wir die Beiträge nicht erhöhen wollen zum 1. Januar. Und deswegen diskutieren wir über alle Optionen.“

Was würde eine Streichung des Pflegegrad 1 bedeuten?

Laut Berechnungen des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung könnte die Abschaffung von Pflegegrad 1 rund 1,8 Milliarden Euro einsparen. Das habe das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung berechnet. Dieses Geld könnte die Regierung nutzen, um die derzeitige Finanzierungslücke bei der Pflegeversicherung zu stopfen. Zum Vergleich: Mit einer Erbschaftssteuer für Überreiche könnte die Regierung der Staatskasse rund 8,8 Milliarden Euro pro Jahr zuführen. Lies hier mehr über diese verpasste Chance.

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Seit Juli berät eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe über eine große Pflegereform. Sie will den Pflegegrad 1 nicht abschaffen. In einem internen Papier von Ende September bewertet die Fachebene der Arbeitsgruppe den Pflegegrad 1 als „grundsätzlich positiv“. Mit ihm könnten pflegebedürftige Menschen frühzeitig erreicht werden. Mitte Oktober will die Arbeitsgruppe einen ersten Bericht vorlegen. 

Welche Folgen hätte die Abschaffung des Pflegegrads 1 für Betroffene?

Der Pflegegrad legt fest, welche Zuschüsse und Hilfen jemand erhält. Bei manchen Leistungen spielt es jedoch keine Rolle, ob jemand Pflegegrad 1 oder Pflegegrad 5 hat: die Ansprüche bleiben gleich. Das betrifft zum Beispiel den Entlastungsbetrag, die Pflegehilfsmittel und den Zuschuss zur Wohnraumanpassung. Sie stehen allen Pflegestufen gleichermaßen zu. 

Gerade diese Unterstützungen machen im Pflegegrad 1 einen großen Unterschied. Sie zeigen: Auch ein leichter Pflegebedarf wird anerkannt. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand, fällt das direkt auf, da das System es registriert. So fallen Menschen mit leichter Pflegebedürftigkeit nicht durchs Raster. Sie erhalten Unterstützung – nicht alleine durch Angehörige, sondern auch durch Institutionen.

Ein Wegfall des Pflegegrad 1 würde zu einer erhöhten Belastung der pflegebedürftigen Personen und ihrer Angehörigen führen. Haushaltshilfen, Einkaufsdienste oder Begleitung zum Reha-Sport: all das kostet Geld. Die Verantwortung dafür würde dann wieder vollständig auf die Angehörigen zurückfallen – wenn es welche gibt. Für alleinstehende Pflegebedürftige bräche ein komplettes Hilfesystem weg, das sie aktuell noch an der Gesellschaft teilhaben lässt. 

Petition für den Erhalt des Pflegegrad 1

So argumentiert auch Monika Müller-Herrmann in ihrer Petition auf WeAct für den Pflegegrad 1. Sie pflegt seit zwei Jahren ihren Mann, der an Demenz erkrankt ist. 

Gerade Menschen mit Demenz oder alleinlebende Pflegebedürftige mit niedriger Rente und noch geringer Pflegebedürftigkeit profitieren sehr davon. Diese Sozialleistung ermöglicht niedrigschwellig den Zugang zu Pflegehilfsmitteln, Hausnotrufsystem und hauswirtschaftlicher Hilfe.

Petitionsstarterin Monika Müller-Herrmann über den Pflegegrad 1

Dank des Pflegegrads 1 konnte sie Pflegeberatung und Pflegedienste in Anspruch nehmen. Das erleichterte es ihr, die nächsten Krankheitsstufen ihres Mannes zu bewältigen.

Deswegen setzt sich Monika Müller-Herrmann gemeinsam mit über 150.000 weiteren Menschen auf WeAct für einen Erhalt des Pflegegrad 1 und eine grundlegende Pflegereform ein, die nicht bei den Schwächsten spart. Ihr Appell richtet sich an Bundeskanzler Friedrich Merz und Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU): „Bitte opfern Sie diese wichtige Sozialleistung, von der sehr viele Menschen in Deutschland profitieren, nicht den allgemeinen Sparzwängen!“

Unterzeichne auch Du die Petition für den Erhalt des Pflegegrad 1
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