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Das neue Zollabkommen mit den USA beinhaltet erhebliche Nachteile für europäische Firmen. Während Präsident Donald Trump zusätzliche Zölle auf viele Produkte erhebt, dürfen US-Firmen steuerfrei nach Europa exportieren. Dabei wurde ein besonders problematischer Punkt des Abkommens bisher wenig diskutiert: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat zugestimmt, dass die EU fossile Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar aus den USA kauft. Damit droht eine neue, einseitige Abhängigkeit von Gas- und Öl-Importen – ein Rückschlag für das europäische Ziel der Klimaneutralität.

Gigantische Gasmengen aus den USA

Das Abkommen von Ende Juli 2025 verpflichtet die EU, in den Jahren 2026 bis 2028 jährlich fossile Energie im Wert von durchschnittlich 250 Milliarden Dollar zu kaufen – weit mehr, als US-Unternehmen bisher nach Europa lieferten. Zum Vergleich: 2024 importiere Europa Erdöl, Gas, Kohle und Uran im Wert von etwa 80 Milliarden Dollar aus den USA. Dieses Volumen soll sich also fast verdreifachen.

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„Der US-Anteil an den gesamten EU-Energie-Importen läge dann bei rund 60 bis 65 Prozent“, erklärt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Um die Importe aus den USA in diesem Umfang zu erhöhen, müsste Europa seine Einfuhren aus anderen Quellen verringern. Denn die hiesige Wirtschaft wird kaum so stark wachsen, dass sie die umfangreichen US-Lieferungen zusätzlich verbrauchen könnte.

Weniger aus Russland, mehr aus den USA

Ein Ansatz wäre, die Importe aus Russland weiter zu senken. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 hat die EU diesen Prozess bereits begonnen. Dennoch fließen weiterhin Öl und Gas aus Russland nach Europa.

Ab 2027 soll damit Schluss sein: Die EU-Kommission plant, den Import von Flüssigerdgas (LNG, Liquefied Natural Gas) aus Russland vollständig zu stoppen. Dieses Ziel strebt Brüssel auch deshalb an, weil Trump Druck macht. Der US-Präsident fordert, dass Nato-Staaten keine Energie mehr aus Russland beziehen. Anscheinend will er die russische Regierung damit zu einem Waffenstillstand mit der Ukraine bewegen.

US-Gas verdrängt andere Quellen

Auf russische Lieferungen zu verzichten, würde aber nicht ausreichen. Auch Importe aus anderen Ländern müssten sinken, um Platz für die US-Mengen zu machen. Die EU-Kommission hält das für machbar – und verweist auf die Entwicklung der LNG-Importe: 2021 stammten 28 Prozent des Flüssiggases aus den USA, während Russland, Katar, Nigeria und Algerien ebenfalls große Mengen beisteuerten. Für dieses Jahr rechnet die Kommission mit einem US-Anteil von 56 Prozent – bei deutlich geringeren Mengen der übrigen Lieferanten.

Neue Abhängigkeit von den USA

Dieser Trend widerspricht dem Ziel der EU, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern (wie Russland) zu verringern. Seit 2022 verfolgt die Kommission eine Strategie, die Energieimporte auf mehrere Quellen zu verteilen, um in Konfliktfällen die politische und ökonomische Handlungsfähigkeit zu sichern.

Doch das Abkommen mit den USA könnte diese Bemühungen zunichtemachen. DIW-Energieexpertin Kemfert sagt: Das Zollabkommen „würde die gewünschte Diversifizierung der Energieimporte ins Gegenteil verkehren“. Es entstünde „eine neue Abhängigkeit von den USA“. Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, macht sich darüber ebenfalls Sorgen: „Wir wechseln so nur die Abhängigkeiten.“

Diese neue Abhängigkeit birgt Risiken. Wenn ein Großteil der Energie aus einer einzigen Quelle stammt, haben der Lieferstaat und seine Firmen größeren Einfluss auf die Preise. „Dass US-Anbieter bei steigender Nachfrage höhere Preise durchsetzen, ist wahrscheinlich“, schlussfolgert Kemfert. Zwar könnten Konkurrenten mit Rabatten reagieren, doch umfangreiche Lieferverträge mit US-Firmen lassen europäischen Importeuren wenig Spielraum. Sie sitzen in der Falle – die zusätzlichen Kosten würden letztlich Privathaushalte und Wirtschaft tragen.

Klimaneutralität in Gefahr

Während die Staaten der EU den Ausstieg aus fossilen Energien beschlossen hat, könnte der Einkaufsboom in den USA diesen Plan erschweren. Die gigantischen Mengen an Öl und Gas könnten den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen. Die EU-Kommission betont zwar, sie habe „gerade ein aktualisiertes Klimagesetz mit einem ehrgeizigen Ziel zur Verringerung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent für 2040 vorgeschlagen“, doch Ökonomin Kemfert befürchtet: „Ein massiver fossiler US-Deal läuft diesen Pfaden klar zuwider. Er würde den Ausbau von erneuerbaren Energien behindern.“

Wie realistisch ist der Fossilboom?

Nicht die EU-Kommission oder die Mitgliedstaaten kaufen Energie, sondern private Unternehmen. Die Politik setzt jedoch die Rahmenbedingungen. Die Vermittlungsplattform AggregateEU, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gegründet wurde, koordiniert Angebot und Nachfrage, um größere Lieferverträge zwischen privaten Unternehmen zu ermöglichen. Das war bisher ein Beitrag, um russische Energielieferungen zu ersetzen. Dieses Modell könnte auf die USA ausgeweitet werden, sagt die Kommission.

Ob das wirklich die gewünschte Wirkung erzielt, lässt sich heute aber kaum beurteilen. EU-Experte Guntram Wolff glaubt nicht, dass die EU die vereinbarten Energiemengen tatsächlich kaufen wird. Dem Wirtschaftsprofessor der Freien Universität Brüssel „scheint die Strategie“ eher darin zu bestehen, „dem US-Präsidenten etwas zu versprechen, diese Versprechen aber nur sehr begrenzt zu halten“. Wobei sich diese Strategie ebenfalls als risikoreich erweisen könnten. Denn Trump ist nicht dafür bekannt, sich an der Nase herumführen zu lassen.

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Autor*innen

Hannes Koch ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin und Mitgründer des Journalistenbüros www.die-korrespondenten.de. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt- und Sozialpolitik, unter anderem für die Tageszeitung taz. Alle Beiträge

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