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„Ich hasse meine Gegner“ – bei seiner Grabrede auf Charlie Kirk gab US-Präsident Trump sich nicht milde. Im Gegenteil: Die Ermordung des rechtsextremen Aktivisten nahm er zum Anlass, um gnadenlos gegen die politische Opposition durchzugreifen. Das stand für Trump schon fest, bevor überhaupt ein Täter gefasst worden war.

Zurückhaltend gegenüber seinen Gegner*innen war Trump noch nie. Doch die Härte und Entschlossenheit, mit der er nun gegen alle vorgehen will und bereits vorgeht, die ihm im Weg stehen, ist eine Verschärfung, die für die amerikanische Zivilgesellschaft und Opposition gefährliche Folgen haben kann.

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McCarthy ist zurück

Unter dem Begriff „radikale linke Verrückte“ fasst Trump alle zusammen, die er als politische Gegner*innen begreift. Wer gegen ihn ist, ist links – und unamerikanisch. Was derzeit geschieht, erinnert an die „Red Scare“, die Kommunistenhatz, mit der der republikanische Senator Joseph McCarthy das liberale Amerika in den frühen 1950er Jahren in Angst versetzte. Mit Unterstellungen, Lügen, Halbwahrheiten und viel Stimmungsmache wollen Trump und seine Unterstützer*innen Verunsicherung säen und für Stillschweigen sorgen. 

Um das zu erreichen, gehen sie gleich auf mehreren Ebenen vor. Zum einen nimmt Trump prominente Personen ins Visier, wie den Entertainer Jimmy Kimmel, dessen Witze ihm zu frech waren. Oder den Ex-FBI-Chef James Comey, der einst Trumps Beziehungen nach Russland untersuchte. 

Trump ist die Anti-Antifa

Zum anderen wendet er sich gegen politische Gruppen. Besonders entschieden geht er gegen die Antifa vor, die er schon kurz nach dem Attentat auf Kirk per Verfügung zu einer einheimischen terroristischen Organisation („a domestic terrorist organization“) erklärte. Zwar hat die Antifa auch in den USA keine zentral organisierte Struktur, ist also im engeren Sinne gar keine Organisation. Und der Präsident hat auch nicht die Macht, eine politische Gruppe so zu klassifizieren. Doch das kann keine Beruhigung sein. Wenn die letzten Monate etwas gezeigt haben, dann, dass Trump sich nicht davon aufhalten lässt, was er laut Gesetz darf.

Seine Mitarbeiter*innen haben gar keine Zweifel daran, dass der Präsident dem Kampf gegen den Antifaschismus nun mehr Ressourcen widmen wird – und es darauf ankommen lässt, ob die Gerichte einschreiten. Der Trump-Vertraute Steve Bannon sieht in der Verfügung einen „Game Changer“. Bürgerrechtsaktivist*innen fürchten, dass linke Gruppen durch Trumps Dekret stigmatisiert und delegitimiert werden. Und dass die Antifa keine eindeutig begrenzte Organisation ist, dürfte Trump eher noch in die Hände spielen. So kann er beliebige Personen und Gruppen zu dieser vermeintlich terroristischen Gruppe zählen.

Ein erschreckend breites Feindbild

In einem Nationalen Sicherheitsmemorandum, das Trump wenige Tage nach seiner Verfügung unterzeichnete, wird noch genauer beleuchtet, welche Ideologien für ihn noch zum heimischen Terrorismus gehören, den er bekämpfen will: „Antiamerikanismus, Antikapitalismus und Antichristentum [..]; Extremismus in Bezug auf Migration, Rasse und Geschlecht; Feindseligkeit gegenüber Menschen, die traditionelle amerikanische Ansichten zu Familie, Religion und Moral vertreten.“ Das lässt sich auf fast alle anwenden, die nicht christlich-konservativ eingestellt sind. Mit dieser erschreckend breiten Definition tritt er auch gegen etablierte Stiftungen an.

„Ein übler Typ, der ins Gefängnis gehört“

Allen voran gegen George Soros’ Open Society Foundation. Die philanthropische Organisation des Investment-Bankers unterstützt progressive Organisationen in großem Maßstab – und ist so zum Feindbild der Rechten weltweit geworden. Für Trump ist Soros, der den Demokraten nahesteht und für diese viel gespendet hat, ein „übler Typ“ der „ins Gefängnis gehört“.

Darum hat Trumps Justizministerium nun begonnen, eine mögliche Anklage gegen den Holocaustüberlebenden Soros vorzubereiten. Die Vorwürfe könnten auf organisierte Kriminalität und Unterstützung terroristischer Organisationen lauten. Das Ziel ist klar: Trumps politische Gegner sollen keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen. 

Denunziation erwünscht

Trump und seine Unterstützer*innen nutzen eine weitere Taktik, um unliebsame Ansichten zu unterdrücken. Trumps Vize J.D. Vance rief dazu auf, alle bei ihren Arbeitgebern zu denunzieren, die sich despektierlich über Charlie Kirk und seine Ermordung geäußert haben. Sein Plan ging auf: Über 145 Menschen wurden mittlerweile entlassen – für einen Spruch im Kollegenkreis, einen Post auf Facebook oder auf Twitter, oder einfach, weil sie mit jemandem verwechselt wurden.

Einige Entlassungen folgten auf Online-Hetzkampagnen, andere auf Druck von offiziellen Stellen. Einige der Posts mögen geschmack- und pietätlos sein, andere betonen den politischen Gegensatz zu Kirk – ohne seine Ermordung zu gutheißen. Doch das Entscheidende ist: Die Angst vor einer unbedachten Äußerung wächst. Die Skrupel, einen Bekannten, eine Kollegin oder eine Unbekannte im Internet wegen einer abweichenden politischen Meinung anzuschwärzen, sinken. 

Erster Protest zeigt Wirkung

Nun ist die Zivilgesellschaft gefragt. Der Fall Jimmy Kimmel hat gezeigt, dass Gegenwehr funktioniert. Nachdem Organisationen und Hunderte Prominente gegen die Absetzung seiner Sendung protestiert haben, ist er zurück im Fernsehen. Doch der Protest wird nur wirksam sein, wenn er sich auch auf Trumps weniger berühmte Gegner*innen erstreckt: Auf die Lehrerin, die für einen Facebook-Post ihren Job verliert, auf den Immigranten, der wegen seiner politischen Meinung abgeschoben werden soll, und auf die kleine Organisation, die sich gegen Rechtsextremismus stellt.

Senator Joseph McCarthys vier Jahre währende Jagd auf Kommunist*innen und vermeintliche Kommunist*innen kam an ihr Ende, als er sich mit den Falschen anlegte und seine Anschuldigungen auf das Militär ausweitete. Die im Fernsehen übertragenen Army-Mc-Carthy-Hearings kratzten am Image des Senators; kurz darauf folgte ein Tadel der Senatskolleg*innen und das Aus für McCarthy. Vielleicht legt sich auch Trump mit den Falschen an – und vielleicht ist das dieses Mal die Zivilgesellschaft.

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Autor*innen

Katharina Draheim ist Redakteurin bei Campact. Nach ihrem Studium in Berlin und New Orleans war sie lange für die Atlantik-Brücke tätig. Das Land auf der anderen Seite des Ozeans beschäftigt sie noch immer: Im Blog schreibt sie über die USA. Alle Beiträge

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