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Junge Frauen im Netz hetzen gegen Frauenrechte, Alice Weidel kandidiert als erste Frau für das Kanzleramt der AfD – und bei Demos gegen den Christopher Street Day finden sich vermehrt junge Frauen zwischen den Glatzköpfen. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, folgt einer klaren Strategie: Denn rechtsextreme Parteien nutzen Frauen seit Jahren gezielt für ihre Zwecke.

Die AfD macht aus ihrer frauenfeindlichen Haltung keinen Hehl. In sozialen Medien veröffentlicht die Partei Grafiken, die „traditionelle Frauen“ gegen „moderne befreite Feministinnen“ ausspielen. Die „gute“ Frau liebt ihre Familie, hält Kindererziehung für ihre erste Pflicht und unterstützt ihren Mann. Die „schlechte“ Frau hingegen macht Karriere und hat wenig Interesse an Kindern.

Für Maximilian Krah, achtfacher Vater und AfD-Europaparlamentarier, ist „Feminismus heute Krebs“. Er vernichte die Weiblichkeit und verhindere Kinder. Diese Aussagen stehen exemplarisch für das Frauenbild der AfD: Frauen sollen wieder an den Herd zurückkehren und vor allem eines tun – Kinder bekommen.

Die AfD als männerdominierte Partei mit weiblichem Gesicht

Mit nur 11,8 Prozent Frauenanteil im Bundestag stellt die AfD die männerlastigste Fraktion. Dennoch führt eine Frau die Partei: Alice Weidel. Im Strategiepapier der AfD, dem neuen Masterplan der Partei, steht schwarz auf weiß: „Alice ins Kanzleramt“. Wie sie das schaffen will, skizziert die AfD-Bundestagsfraktion auf 55 bedrohlichen Seiten. Dass gerade eine Frau die Partei anführen soll, ist dabei kein Zufall, sondern Teil der Strategie.

„Rechtspopulistische Parteien brauchen weibliche Gesichter, um moderat und modern zu wirken, sonst werden sie nicht gewählt“, zitiert der RND die Autorin Susanne Kaiser, die das Buch „Politische Männlichkeit: Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen“ geschrieben hat. Diese Frauen fungieren als Aushängeschild und sollen vor allem Wählerinnen ansprechen. 

Das internationale Muster: Von Le Pen bis Meloni

Diese Strategie ist nicht nur in Deutschland erkennbar. Auch in anderen Ländern übernehmen Frauen in extrem rechten Parteien Führungspositionen:

  • Marine Le Pen in Frankreich machte das Rassemblement National gesellschaftsfähig und scheiterte 2022 nur knapp bei der Präsidentschaftswahl. Bei der kommenden Präsidentschaftswahl darf die rechtsnationale Politikerin wegen der Veruntreuung von EU-Geldern nicht antreten.
  • Giorgia Meloni wurde 2022 zur ersten Ministerpräsidentin Italiens gewählt, obwohl ihre Partei gegen Maßnahmen zum Schutz von Frauen stimmte.
  • Beata Szydło war 2015 bis 2017 Ministerpräsidentin der Republik Polen. Heute sitzt sie für die rechtskonservative PiS-Partei im Europaparlament. 

Alle diese Frauen vertreten antifeministische Positionen und machen gegen progressiven Feminismus mobil. Sie lehnen Feminismus entweder ganz ab oder behaupten, den „wahren“ Feminismus zu vertreten.

Frauen als Schutzschild gegen Sexismus-Vorwürfe

Frauen an der Spitze extrem rechter Parteien erfüllen also eine bedeutsame Funktion: Sie normalisieren extremistische Positionen und dienen als Schutzschild gegen Sexismus-Vorwürfe. Denn wenn Frauen selbst gegen Frauenquoten argumentieren oder Gleichstellungsmaßnahmen ablehnen – und die Partei sogar eine Frau als Kanzlerkandidatin benennt – wirkt die Partei weniger radikal und frauenfeindlich. So die Logik. 

Auch inhaltlich will sich die AfD anschlussfähiger aufstellen: Die menschenfeindlichen Inhalte der Partei bleiben laut Strategiepapier zwar gleich, aber mit bürgerlicher Rhetorik, Benimmregeln und seriösem Auftreten in Parlament und Fernsehen will sie mehr Wähler*innen für sich gewinnen. Denn noch ist Weidel vor allem für viele Akademiker*innen, Menschen in Großstädten oder über 60-Jährige zu rechtsextrem. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Denn Weidel als Kanzlerin wird es nur geben, wenn die Union mit der AfD koaliert.

Warum unterstützen Frauen die AfD?

Doch ob Alice Weidel in Deutschland, Marine Le Pen in Frankreich oder Giorgia Meloni in Italien: Warum machen Frauen Karriere in Parteien, die strukturell gegen ihre eigenen Interessen arbeiten? 

Die Autorin Susanne Kaiser erkennt eine „Zweckallianz“, von der Frauen in rechtsextremen Parteien profitieren: In einer Partei mit wenigen Frauen steigen einzelne schneller in Spitzenpositionen auf. Wer bereit ist, das reaktionäre Weltbild der Partei mitzutragen, kann eine steile politische Laufbahn machen. Die Parteien erhalten im Gegenzug Stimmen von Frauen und jüngeren Menschen.

Das Beispiel Alice Weidel zeigt aber auch, dass sich viele aus Überzeugung engagieren. Konfliktforscherin Michaela Köttig erklärt dazu in der Frankfurter Rundschau: „Bei den politischen Einstellungen gibt es keinen Unterschied. Da gibt es genauso viele Frauen wie Männer, die rechtsextrem orientiert sind.“

Laut Köttig könnten sich Frauen auch deshalb in der Szene verorten, weil sie ein reaktionäres Mütterideal vertreten. Viele Frauen erleben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Überforderung: Parteien wie die AfD knüpfen daran an und idealisieren alte Rollenverständnisse. Deutlich wird dies aktuell auch in der Tradwife-Bewegung, die im rechtsextremen Milieu ihre Kreise zieht.

Der Femonationalismus: Frauenrechte gegen Migranten

Unter dem Deckel der Frauenrechte gibt die AfD zudem vor, Frauen schützen zu wollen – allerdings nur vor migrantischen Männern. Dieses Phänomen nennt die Wissenschaft „Femonationalismus“: Feministische Ideale werden für Kampagnen gegen Migration und Islam vereinnahmt.

Die brandenburgische AfD-Landtagsabgeordnete Birgit Bessin behauptete, die AfD sei „die einzige Partei, die Frauenrechte verteidigt, weil sie sich gegen die Einwanderung der frauenverachtenden islamischen Kultur stemme“. Gleichzeitig lehnt sie alle Gesetze ab, die tatsächlich die Rechte von Frauen stärken würden. Dabei will die Partei Abtreibungen drastisch einschränken, Gleichstellungsbeauftragte abschaffen und die „traditionelle Familie“ als einzig legitime Lebensform durchsetzen.

Comeback des Antifeminismus 

Das Engagement von Frauen in rechten Parteien ist Teil einer größeren antifeministischen Bewegung. Fest steht: Frauen engagieren sich aus verschiedenen Gründen in der AfD. Manche sehen Karrierechancen in der männerdominierten Partei, andere sind von den reaktionären Idealen überzeugt. Wieder andere fühlen sich von den Anforderungen der Gleichberechtigung überfordert und sehnen sich nach „einfacheren“ Zeiten zurück.

Alle werden jedoch von der Partei instrumentalisiert – als Feigenblatt, als Aushängeschild oder als Kronzeuginnen gegen den Feminismus. Das macht ihre Unterstützung nicht weniger gefährlich für die Demokratie und die Rechte aller Frauen.

Die AfD bleibt eine Partei von Männern für Männer – auch wenn Frauen an der Spitze stehen. Ihr Ziel ist die Rückkehr zu patriarchalen Strukturen, in denen Frauen wieder auf Heim und Herd reduziert werden. Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. Denn wie Alice Weidel zeigt: Auch Frauen können Frauenfeinde sein.


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Autor*innen

Vera Kuchler arbeitet seit 2017 als Redakteurin bei Campact. Die ausgebildete Soziologin und gelernte Journalistin beschäftigt sich im Blog vor allem mit dem Thema „Arbeit und Geschlecht“. Alle Beiträge

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