
Ein Zeitenwechsel in den Niederlanden: Bei den Parlamentswahlen im Nachbarstaat Deutschlands mussten die Rechtspopulisten der Anti-Islam-Partei von Geert Wilders eine Niederlage einstecken. Die Stimmen waren am Ende der vergangenen Woche zwar noch nicht vollständig ausgezählt, die niederländische Nachrichtenagentur ANP vermeldete auf Grundlage von Berechnungen allerdings, dass die linksliberale Partei D66 uneinholbar vor Wilders Partei liege. Heute verkündet die Wahlbehörde noch das Ergebnis der rund 90.000 Briefwahlstimmen. Prognosen zufolge liegt auch dort D66 deutlich vorn. Die Partei setzt sich für Klimaschutz, Bürgerrechte und eine soziale Marktwirtschaft ein.
Traditionell darf die Partei mit den meisten Stimmen auch als erste versuchen, eine Koalition zu bilden. Beste Aussichten für das Amt des Regierungschefs hat deswegen der D66-Spitzenkandidat Rob Jetten. Wilders hat keine Option auf die Regierung, denn alle großen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit seiner „Partei für die Freiheit“ (PVV) ausgeschlossen. Der Rechtspopulist reagierte bereits vor der offiziellen Verkündigung des Ergebnisses mit Verteidigung: Es habe Ungereimheiten bei der Auszählung gegeben. Begründen konnte er diese Anschuldigungen nicht. Weit hergeholt ist das Szenario, das Karikaturist Erl in seiner Karikatur darstellt, also nicht.
Vom Zerstörer zum Zerstörten
Eigentlich wäre erst 2028 wieder eine Parlamentswahl in den Niederlanden notwendig gewesen. Wilders hatte das vorherige Vier-Parteien-Bündnis im Streit um die Asylpolitik platzen lassen. Wilders hatte insbesondere gefordert:
- die Aussetzung der Familienzusammenführung für Flüchtlinge im Land,
- den Einsatz des Militärs zur Überwachung der Landesgrenzen,
- die Einführung von Maßnahmen, die gegen europäisches und internationales Recht verstoßen.
Diese Forderungen wurden von seinen Koalitionspartnern, der eher konservativ-zentristischen NSC und der populistischen und europa-skeptischen Bauernpartei BBB, abgelehnt. Im Juni stand die Regierung deshalb vor dem Aus, eine Neuwahl musste her. Nun steht die PVV mit einem deutlichen Verlust da: Die Partei kommt auf 26 Sitze im Parlament; 2023 konnte sie noch 37 Mandate erringen.
Die Parteienlandschaft in den Niederlanden ist stark zersplittert. Das niederländische Wahlsystem basiert auf einer reinen Verhältniswahl mit 150 Sitzen in der Zweiten Kammer, dem Parlament. Die einzige rechnerische Hürde, um einen Sitz im Parlament zu erhalten, ist das Erreichen eines sogenannten „vollen Sitzes“, wofür eine Partei 0,67 Prozent der landesweit abgegebenen Stimmen benötigt. Dies ist eine der niedrigsten Hürden in Europa. Dieses System der geringen Eintrittsschwelle führt dazu, dass regelmäßig viele kleine Parteien ins Parlament einziehen, was die Regierungsbildung durch Koalitionen oft komplex und langwierig macht. Bei der letzten Wahl in 2023 hatte die anschließende Regierungsbildung 223 Tage gedauert.
Rechte Parteien nach wie vor stark
Die Partei des berühmten Rechtspopulisten Wilders verliert, ja – das heißt aber noch lange nicht, dass die Politik in den Niederlanden plötzlich durchweg progressiv ist. Die PVV ist, wenn auch mit Verlusten, weiterhin die Partei mit den zweitmeisten Sitzen im Parlament; Wilders Popularität ist ungebrochen. Doch viele seiner Anhänger*innen haben nun taktisch gewählt und ihre Stimme einer anderen rechten Partei gegeben. Denn wegen der Abgrenzung zu Wilders fürchteten sie, dass eine Stimme für die PVV verloren sei.
Andere extrem rechte Parteien haben bei dieser Wahl Stimmen gewonnen und kommen auf fast ein Drittel aller Mandate. Das „Forum für Demokratie“, das als noch extremer als die PVV von Wilders gilt, hat demnach sieben Mandate gewonnen, mehr als doppelt so viele wie 2023. Die rechtspopulistische JA21 zieht jetzt mit neun Abgeordneten ins Parlament ein – bisher war es nur einer. Auch in den Niederlanden müssen progressive Kräfte deshalb weiterhin zusammenhalten. Der Wahlsieg der linksliberalen D66 macht zumindest ein bisschen Hoffnung.
Im nächsten Jahr stehen in Deutschland Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern an. Die AfD setzt alles daran, in einem der beiden Bundesländer den ersten AfD-Ministerpräsidenten stellen zu können. Dafür mobilisiert sie viel Geld – über 1,5 Millionen Euro. Campact hält dagegen. Mit dem NoAfD-Fonds will sie lokale, progressive Initiativen und Vereine in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im Wahlkampf gegen die AfD unterstützen.