Im Jahr 2025 fanden 245 Christopher Street Days statt, so viele queere Demonstrationen wie nie zuvor. Doch fast jeder zweite CSD wurde gestört oder angegriffen; etwa die Hälfte der Angriffe hatten einen rechtsextremen Hintergrund. Das zeigt der neue Sicherheitsreport der Amadeu Antonio Stiftung – und das sind nur die bekannten und medial besprochenen Fälle. Die Dunkelziffer könnte weitaus höher sein.
Der Christopher Street Day (CSD) ist eine jährliche Demonstration für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LGBTIQ+). Er erinnert an den Aufstand gegen eine Polizeirazzia in einer Schwulenbar am 28. Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street. Weltweit steht der CSD seitdem für Stolz, Sichtbarkeit und den Widerstand gegen Diskriminierung.
Die insgesamt 111 dokumentierten Störungen und Angriffe reichten von rechtsextremen Gegendemonstrationen mit teils mehreren hundert Teilnehmenden über Versuche rechtsextremer Kommunalpolitiker*innen, CSDs zu verhindern, bis hin zu körperlicher Gewalt, Hassrede, Online-Hetze und Sachbeschädigungen.
Die Bedrohung wächst – besonders in kleineren Städten
Die Amadeu Antonio Stiftung spricht von einer neuen Qualität rechter Mobilisierung: gezielt, strategisch und mit dem Ziel, queeres Leben aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Die rechtsextreme Szene nutzt CSDs als Angriffsfläche, um gegen Vielfalt, Demokratie und Minderheiten Stimmung zu machen.
Die Angriffe auf CSDs sind keine zufälligen Provokationen, sondern Teil einer Strategie: Rechtsextreme versuchen den öffentlichen Raum zu erobern und die demokratische Zivilgesellschaft einzuschüchtern.
Lea Lochau, Expertin für Angriffe auf die Zivilgesellschaft bei der Amadeu Antonio Stiftung
Die Amadeu Antonio Stiftung setzt sich für eine demokratische Gesellschaft ohne Hass, Hetze und Ausgrenzung ein – gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Sie unterstützt Betroffene rechter Gewalt, fördert zivilgesellschaftliche Projekte –besonders im ländlichen Raum – und liefert mit Studien, Bildungsarbeit und Öffentlichkeit fundiertes Wissen für politische und gesellschaftliche Veränderung.
Wenn Schutz fehlt, wird queere Sichtbarkeit zur Gefahr
Besonders beunruhigend: Die Angriffe trafen oft kleinere Städte – dort, wo queere Sichtbarkeit besonders wichtig ist, aber Schutzstrukturen fehlen. Behörden unterschätzten in vielen Fällen die Gefahr, Sicherheitskonzepte blieben lückenhaft oder fehlten ganz.
Die Folge: Veranstalter*innen standen mit der Bedrohungslage oft allein da. In manchen Städten konnten CSDs nur unter großen Schwierigkeiten – oder gar nicht – stattfinden.
Solidarität wirkt: Der Regenbogenschutzfonds
Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, haben Campact und die Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam den Regenbogenschutzfonds ins Leben gerufen.
Mit 100.000 Euro wurden 49 CSDs unterstützt – gezielt dort, wo die Sicherheitslage besonders angespannt war. Das Geld floss in konkrete Maßnahmen: professionelle Sicherheitsdienste, Zugangskontrollen, Schulungen für Ordner*innen, Awareness-Teams und Krisenkommunikation. So konnten Veranstaltende Schutzlücken schließen oder CSDs überhaupt erst ermöglichen.
Stimmen aus der Praxis
Dass der Fonds wirkt, zeigen Rückmeldungen aus den geförderten Orten:
- In Grevesmühlen trugen die Mittel dazu bei, die Sicherheit queerer Menschen auf der An- und Abreise zu gewährleisten – dort, wo die Polizei keine Präsenz zeigte.
 - In Plauen half die Unterstützung, langfristige Strukturen für queere Selbstorganisation aufzubauen.
 - In Wetzlar ermöglichte der Einsatz von Security, dass der CSD trotz Bedrohungslage sicher stattfinden konnte.
 
Alle Rückmeldungen stammen aus der Pressemitteilung der Amadeu Antonio Stiftung vom 27. Oktober 2025.
Warum das alle etwas angeht
Was als Angriff auf queere Menschen beginnt, zielt letztlich auf das Herz der Demokratie: die Freiheit, sichtbar zu sein, zu demonstrieren und gemeinsam für eine gerechte Gesellschaft einzustehen.
Jeder Angriff auf einen CSD ist ein Angriff auf demokratische Werte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist ein klarer Warnruf an alle Demokrat*innen: Heute trifft es queere Menschen, morgen womöglich politisch Andersdenkende und alle, die den Rechtsextremen nicht passen. Umso wichtiger ist es, dass wir zusammenstehen für Vielfalt, Meinungsfreiheit und Demokratie – insbesondere in kleinen Städten und im ländlichen Raum ist das ein wichtiges Signal!
Felix Kolb, geschäftsführender Vorstand von Campact e.V.
Überall braucht es Solidarität – nicht nur in Berlin, Hamburg oder Köln, sondern vor allem dort, wo queeres Leben am meisten gefährdet ist: im ländlichen Raum, in Mittelstädten, in Strukturen ohne große Lobby.
So kannst Du helfen
- Informiere Dich darüber, was Du tun kannst: zum Beispiel mit den Tipps aus diesem Blog-Beitrag.
 - Zeige Haltung. Ob online, indem Du Informationen auf Social Media teilst, oder auf der Straße bei Demonstrationen. Mache deutlich, dass Queerfeindlichkeit keinen Platz in unserer Gesellschaft hat.
 - Spende für den NoAfD-Fonds, um die AfD von Regierungspositionen fernzuhalten.