Ob die Wirtschaft mit der AfD reden soll, wurde in den vergangenen Wochen breit diskutiert. Oft kommt dabei zu kurz, wie unsozial und ökonomisch schädlich sich wesentliche Teile des Programms der extrem rechten Partei auswirken würden, sollte man sie verwirklichen. Zwei kürzlich von der AfD selbst vorgestellte Vorschläge – zur Steuerreform und zur Atompolitik – verdeutlichen das besonders gut.
Bizarre Steuerreform
Ein „Entfesselungsprogramm für marktwirtschaftliche Kräfte“ forderte Ende November 2025 AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel im Bundestag. Einen wichtigen Punkt darin bildet die „Steuerreform mit einheitlich niedrigen Steuersätzen, Familiensplitting und hohen Freibeträgen“, die angeblich „die große Mehrheit der Bürger, Familien und vor allem die Mittelschicht“ entlasten soll. Diese Ansage täuscht.
Konkret plädiert die Partei für einen einheitlichen Satz von 25 Prozent bei der Einkommens- und Gewinnsteuer – sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Derzeit beginnen die Steuersätze für Privathaushalte bei 14 Prozent auf niedrige Einkommen und steigen auf bis zu 45 Prozent bei hohen. Der Freibetrag für Erwachsene, bis zu dem keine Steuern anfallen, liegt momentan bei knapp 12.100 Euro. Die AfD will ihn auf 15.000 Euro anheben. Auch Firmen sollen von den 25 Prozent profitieren, während sie heute noch bis zu rund 30 Prozent Körperschaft- und Gewerbesteuer entrichten. Allerdings hat die schwarz-rote Koalition schon beschlossen, die Unternehmenssteuer ab 2028 auf etwa 25 Prozent zu senken.
Sehr Reiche profitieren am meisten
Stefan Bach, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hat die finanziellen Folgen dieses Vorschlags berechnet. Sein Ergebnis: Rund drei Viertel der privaten Mehreinnahmen kämen bei den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung an – nicht bei der „großen Mehrheit“, wie Weidel behauptet. Der Grund ist simpel: Hohe Einkommen profitieren deutlich stärker von der allgemeinen Steuersenkung auf 25 Prozent als niedrige.
Laut Steuerexperte Bach würden die reichsten zehn Prozent der Privathaushalte durch die AfD-Pläne knapp 86 Milliarden Euro mehr pro Jahr erhalten. Die nächsten 40 Prozent der wohlhabendsten Bürger*innen erhielten ungefähr 26 Milliarden Euro zusätzlich. Für die gesamte zweite Hälfte der Bevölkerung – die Haushalte mit mäßigen und niedrigen Gehältern – blieben nur etwa vier Milliarden Euro übrig. So mag es zwar stimmen, dass alle einen gewissen Vorteil hätten, doch die Verteilung der zugunsten der Oberen und Reichen wäre schreiend ungerecht.
„Umverteilung von unten nach oben“
Was das mit einer Stärkung der Mittelschicht und des Mittelstandes zu haben soll, bleibt Weidels Geheimnis. Mit ihrem Steuerprogramm erweist sich die AfD als Partei der Milliardäre und Millionäre. Als der Finanzausschuss des Bundestages das Konzept diskutierte, kritisierte selbst die CDU/CSU-Fraktion, es würde „zu einer Umverteilung von unten nach oben führen“.
Die überzogenen Geschenke an die Reichsten müssten letztlich alle Bürger*innen bezahlen. Nach Bachs Berechnungen entgingen dem Staat durch die AfD-Steuerpolitik jährlich rund 116 Milliarden Euro. Geld, das für dringend nötige Investitionen in Schienen, Schulen und Krankenhäuser fehlte. SPD, Grüne und Linke kritisierten das Konzept ebenfalls. Der Finanzausschuss lehnte es ab.
Fantasie-Atomkraftwerke
Ein weiteres typisches Wirtschaftsthema der AfD ist ihre Forderung, wieder in die Atomkraft einzusteigen. Unter anderem die Bundestagsabgeordneten Michael Kaufmann und Marc Bernhard empfehlen neue Atomkraftwerke des Typs „Dual Fluid“, den die gleichnamige deutsch-kanadische Firma entwickelt. Eine Testanlage soll in Ruanda entstehen. Auf Nachfrage räumte die Firma ein, dass der Bau nicht beginnen könne, weil „momentan nur ein Bruchteil“ des benötigten Geldes vorhanden sei. Es geht um etwa sieben Milliarden Euro, die über zehn Jahre investiert werden sollen. Andere Projekte als das Pilot-AKW in Afrika habe man nicht in Vorbereitung, sagte Dual Fluid.
So hängt die AfD ihre Hoffnungen auf eine sichere, kostengünstigste Energieversorgung Deutschlands, der drittgrößten Wirtschaftsnation der Welt, an den komplett unrealistischen Plan für neue Nuklear-Meiler. Derweil liefern die erneuerbaren Energien tatsächlich mehr als die Hälfte des hiesigen Stroms. Diese will die Partei jedoch bremsen und zurückschneiden.
Libertäre Wohnungspolitik
Von Blindgängern wie dem Steuerkonzept und der Atomspinnerei abgesehen, ist das Wirtschaftsprogramm der extrem rechten Partei über weite Strecken neoliberal bis libertär. Bezeichnend ist ihre Ansage zur Wohnungspolitik: „Wir wollen ein Volk von Eigentümern werden.“ Dem aktuellen Wohnungsmangel wollen sie begegnen, indem Mieter*innen staatlich darin unterstützt werden, ihre Wohnungen zu kaufen. Trotzdem werden sich Dutzende Millionen Leute den Erwerb nicht leisten können. Und mehr Wohnungen kommen durch einen Eigentümerwechsel auch nicht auf den Markt.
„Nationalistische Wirtschaftspolitik“
Derartige Wirrnis hielt Marie-Christine Ostermann, die Präsidentin des Verbandes der sogenannten Familienunternehmen, nicht davon ab, das Kontaktverbot ihrer Organisation zur AfD aufzuheben. Allerdings erntete sie massiven Gegenwind. Einige Firmen traten aus dem Lobby-Verband aus, andere Wirtschaftsvertretungen kritisierten die Entscheidung. „Eine nationalistische Wirtschaftspolitik à la AfD würde Exporte torpedieren, Lieferketten und Arbeitsplätze zerstören“, sagte Gitta Connemann, die Vorsitzende des Wirtschaftsflügels der Union. Als Beispiele nannte sie die Forderung der AfD nach Austritt aus dem Euro und der Schwächung der EU. Auch Bertram Kawlath, der Präsident des Maschinenbau-Verbandes, konnte es nicht fassen. Warum plädiere die AfD für den Abschied von Europa, wenn 44 Prozent der deutschen Maschinen-Exporte genau dorthin gingen?
Als Wirtschaftspolitik man so etwas kaum bezeichnen, vor Experimenten wie diesen sollte man sich hüten.