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Protest in Zeiten von Corona

Schutzmaske vor dem Mund, Sicherheitsabstand einhalten und bloß nicht zu viele Menschen mobilisieren: Protest-Aktionen in Zeiten von Corona sind eine Herausforderung. Wir haben es trotzdem gewagt und am 5. Mai vor dem Kanzleramt gegen eine Abwrackprämie 2.0 protestiert.

So kann Protest in Zeiten von Corona aussehen. Foto: Ruben Neugebauer / Campact [CC BY-NC 2.0]
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„Es haben sich schon 200 Menschen angemeldet“, ruft meine Kollegin am Telefon. Es ist der Tag vor der Aktion und sie klingt verzweifelt. Normalerweise wären wir begeistert: So viel Zuspruch für unsere Protest-Aktion. Aber normalerweise ist auch keine Corona-Pandemie.

Protest vor Ort: unersetzbar

50 Menschen dürfen wir maximal werden am 5. Mai, dem Tag des Autogipfels, morgens vor dem Kanzleramt. Das ist die Auflage der Polizei. In Berlin sind Demonstrationen gerade erst wieder erlaubt. In den Wochen vorher haben wir all unseren Protest ins Netz verlagert, notgedrungen. Beim Klimastreik von Fridays for Future am 24. April haben Zehntausende teilgenommen – aber bei mir blieb ein Gefühl der Vereinzelung, einsam zu Hause vor meinem Bildschirm.

Doch die Dreistigkeit der Autolobby lässt uns keine Wahl. Wir müssen gegen eine neue Abwrackprämie protestieren – und zwar vor Ort vor dem Kanzleramt. Kanzlerin Merkel hat die Chefs der Autokonzerne zu einer Online-Konferenz eingeladen. Sie fordern von ihr: staatliche Kaufprämien für neue Autos – auch für die dicksten Spritschlucker-SUVs.

Unfassbar, dass so ein Vorschlag im Jahr 2020 ernsthaft noch im Raum steht. Haben nicht vergangenes Jahr Millionen Menschen für Klimaschutz demonstriert? Es wäre unverantwortlich, die Nachfrage nach Dieseln und Benziner mit Steuergeldern künstlich anzukurbeln.

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Fridays for Future, Fahrradverbände, eine Gewerkschaftsvertreterin von Ver.di – immer mehr Menschen schreiben uns, dass sie an der Aktion teilnehmen wollen. Das bringt uns ganz schön ins Schlingern. Die Anmeldung der Aktion bei der Polizei, der Aufbau des Aktionsbilds morgens in aller Frühe: Was eigentlich Routine ist, wird plötzlich zur Herausforderung.

Abstand per Kreppband

Mit Kreppband kleben wir X-förmige Zeichen auf den Boden. Auf jedem darf später eine Person stehen, dazwischen bleiben 1,50 Meter Abstand. Immer wieder zähle ich die Markierungen ab, um sicherzustellen, dass es genau 50 sind. Meine Kollegin versichert der Polizei unterdessen, dass wir uns alle Mühe geben die Auflagen einzuhalten. Wir tragen schließlich auch Verantwortung gegenüber den Menschen, die zu unserer Aktion kommen: Viele sind schon älter, haben Menschenmengen wochenlang gemieden aus Angst vor einer Corona-Infektion – aber heute sind sie hier, weil es ihnen wichtig ist.

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Meine Corona-Einsamkeit verfliegt

Es läuft gut: Alle tragen Masken, alle halten Abstand. Trotzdem ist die Stimmung nicht beklemmend, wie ich es befürchtet hatte. Wir sind wütend, und wir sind laut. Wir spenden uns gegenseitig Kraft. Bei einer zweiten Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude haben sich weitere Menschen versammelt – ihnen rufen wir unsere Solidarität zu. Mehrere Menschen würden gerne noch zu unserer Aktion dazu stoßen, werden aber von der Polizei daran gehindert, weil wir sonst zu viele sind. Getrennt aber gemeinsam applaudieren wir, und freuen uns über die gelungene Aktion.

Zwischenerfolg: Keine Einigung beim Autogipfel

Nach diesem Protesttag ist meine Corona-Einsamkeit verflogen. Wir haben ein starkes und lautes Zeichen gegen die Abwrackprämie gesetzt. Die Extra-Anstrengungen für die Sicherheitsmaßnahmen haben sich gelohnt. Und der Protest auch: Der Autogipfel geht ohne Einigung zu Ende. Bei der SPD und selbst in den Reihen der Union gibt es Widerstand gegen die Abwrackprämie.

Aber so schnell wird die Autolobby nicht aufgeben. Und wenn die Chefs der Autokonzerne weiter unsere Zukunft verheizen wollen, dann muss unser Protest weitergehen – auch in Zeiten von Corona.

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Autor*innen

Lara Eckstein hat im Journalismus-Studium Interviews mit Überlebenden des Holocausts geführt und ist seitdem glühende Antifaschistin. Bei Campact arbeitet sie als Campaignerin vor allem zu Klimathemen; privat ist sie als stadtpolitische Aktivistin in Berlin im Einsatz. Hier bloggt sie zu Erinnerungspolitik und gegen das Vergessen. Alle Beiträge

5 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Lieber Herr Krautfelder, die sog. „Regeln von oben“ sind soweit ich weiß von einem demokratischen System festgelegt worden, an dem Sie sich gerne beteiligen dürfen. Und wenn wie in diesem Fall „brav Regeln einhalten“ meint, während der Corona-Pandemie Rücksichtnahme auf andere zu üben und solidarisch zur Kontrolle der Pandemie beizutragen, dann möchte ich lieber ein solches „Bürgerlein“ sein als Teil einer „unkontrollierbaren Menschenmasse“. – eine solche Menschenmasse macht mir persönlich mehr Angst.

  2. Ich glaube, die Mächtigen finden es richtig putzig, wenn protestierende Bürgerlein brav alle Vorschriften einhalten.
    Menschenmassen dagegen, die sich nicht mehr an Regeln „von oben“ halten und kaum mehr kontrollierbar sind, werden sicher anders beurteilt.

  3. Unterstützung an Autokonzerne würde ich nur akzeptieren, wenn man sich zukünftig dazu verpflichtet, dass
    1. keine Diesel PKW mehr gebaut werden wegen der Abgas Betrügereien.
    2. die Vorstände und Geschäftsleitung der AG’s für mind. 2 Jahre keine Erhöhung ihrer sowieso viel zu hohen Boni/Renditen bekommen u. bis dahin auf 50% ihrer jetzigen Einkünfte verzichten.
    3. ab sofort mind.60% ihrer Neuwagen Produktion Hybrid-, Elektro- und Wasserstoff Autos sein sollen.

    Da das leider nur sehr schwer umzusetzen sein wird, sind wir Verbraucher in der Pflicht. Wenn wir ein Auto kaufen wollen oder müssen, dann
    Sollten wir ein klimafreundliches Fahrzeug kaufen, aber auf keinen Fall einen Diesel.

  4. Die Mobilität, Bewegungsfreiheit und Produktionskapazitäten sind für uns Menschen sehr sehr wichtig, aber wenn die Natur uns schon sozusagen einen „Schuss vor den Bug“ setzt, indem wir derzeit zu Ausgangsbeschränkungen oder Kontakteinschränkungen und – soweit möglich – Heimarbeit gezwungen sind, dann sollten die Allgemeinheit, Politik und Wirtschaft dringend die Subventionspolitik, also unsere Prioritäten, überdenken. Ist uns das Wohl der Gesellschaft bzw. Wirtschaft, Politik und Allgemeinheit jeweils einzeln und für sich alleine oder gemeinsam und für alle ein Anliegen (Stichwort: z. B. § 111 Aktiengesetz)?

  5. Ich halte über haubt nichts von einer so genaten abwrackprämie
    weil das wie da zu führt das man noch gebrauchs fähige Autos
    verschrottet auser dem kauft jetzt so wie so keiner ein Auto wenn
    man Angst um sein Arbeitsplatz haben mus,jetzt will jeder aus der
    Wirtschaft vom Staat mit Geld unter stüzt werden egal op Industrie
    Handwerk, Landwirtschaft, Kulter und Andere.

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