Den TTIP-Lobbyisten auf der Spur – Teil 1
Diese Grafik-Serie zeigt, wo und wann bestimmte Lobby-Gruppen das Ruder an sich reißen und das öffentliche Interesse auf der Strecke bleibt. Aktuelle Infografiken und Hintergründe zum TTIP-Lobbyismus in Brüssel stellen wir hier im Blog in zwei Artikeln vor.
Diese Grafik-Serie zeigt, wo und wann bestimmte Lobby-Gruppen das Ruder an sich reißen und das öffentliche Interesse auf der Strecke bleibt. Aktuelle Infografiken und Hintergründe zum TTIP-Lobbyismus in Brüssel stellen wir hier im Blog in zwei Artikeln vor.
Geheime Verhandlungen – Die Lobby hinter TTIP
Heute veröffentlichte die Nicht-Regierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) eine Grafik-Serie mit aufschlussreichen Informationen zur TTIP-Lobbyarbeit in Brüssel. 14 Monate lang blieb CEO hartnäckig am Ball, um an die Daten ranzukommen. Die Anfrage an die Generaldirektion Handel der Europäischen Komission (engl. Directorate-General Trade, kurz DG-Trade) basiert auf dem europäischen Informationsfreiheitsgesetz. Doch seit der Antragstellung im Frühjahr 2013, musste CEO immer wieder Verzögerungen hinnehmen, bis Brüssel alle angefragten Daten freigab. Namen von Lobbyisten oder Aspekte politischer Strategien wurden aus den Protokollen gestrichen. Eine diskriminierende Zensurpolitik, haben doch die teilnehmenden Lobbyisten durch ihre Teilnahme vollen Einblick in die Inhalte der Gespräche bekommen.
Die Auswertungen machen wichtige Kanäle sichtbar, über die die Lobbyisten versuchen, Einfluss auf die TTIP-Verhandlungen zu nehmen: Redebeiträge zum Abkommen bei öffentlichen Konsultationen der Kommission, Anmeldungen für zivilgesellschaftliche Dialogtreffen, sowie eine Reihe an Treffen mit Lobby-Gruppen hinter verschlossenen Türen. Zusätzliche Informationen zu den Lobbyisten, stammen aus Protokollen dieser Unterredungen. Auch ZEIT ONLINE veröffentlichte heute auf Basis dieser Daten einen Artikel über die Macht der Lobby. Alle Quellenhinweise befinden sich am Ende des Artikels.
Geheimsache TTIP Lobbyismus
Als die entscheidenden Vorbereitungen zu den TTIP-Verhandlungen Ende 2012 und im Frühjahr 2013 unter der Leitung von Handelskommissar Karel De Gucht starteten, sah sich die Kommission mit Lobbyisten aus 298 Interessensgruppen konfrontiert. 269 dieser Akteure, und damit ein Großteil dieser Gruppen, stammen aus der Privatwirtschaft. Von den 560 Zusammentreffen mit der Kommission in Debatten, Konsultationen oder Beratungen hinter verschlossenen Türen, waren es 520 also 92 Prozent Lobbyisten aus dem privaten Wirtschaftssektor. Gerade mal 26 also 4 Prozent dieser Treffen, fanden mit Gewerkschaften oder Verbraucherschutzorganisationen statt. Auf ein einzelnes Treffen mit solchen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen kommen demnach 20 mit Unternehmen, Konzernen und Industrieverbänden. Ein beispielloses Ungleichgewicht.
Lobbyismus für TTIP
Demnach werden Unternehmen und Konzerne in Brüssel bevorzugt. Die EU-Generaldirektion für Handel hat laut CEO im Zuge der TTIP-Verhandlungen Wirtschaftsunternehmen aus EU und USA gesonderte Einladungen zukommen lassen.
Ein Beispiel: Im Herbst 2012 hielt die Kommission die Pestizid-Lobby-Gruppe ECPA per E-Mail dazu an, den laufenden öffentlichen Konsultationen zu TTIP beizuwohnen: Die europäische Pflanzenschutz- und Pestizit-Industrie sei eine der Schlüssel-Branchen, deren Beitrag in Bezug auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sehr zu begrüßen wäre. Eine offizielle Ergänzung lautete: ein substantieller Beitrag von dieser Seite, idealerweise mit Unterstützung der US-amerikanischen Partner, könne von entscheidender Bedeutung sein, um Chancen zu erkennen, eine engere Zusammenarbeit zu beginnen und die Kompatibilität zu erhöhen. Einige Wochen später antwortete die ECPA gemeinsamen mit der US-Schwester CropLife America, sie strebe eine „erhebliche Harmonisierung“ für Pestizidrückstände in Lebensmitteln an. Arbeitnehmerverbände, Umweltaktivisten oder Verbraucherschutz-Gruppen wurden nicht gezielt von der Kommission angesprochen.
Lobbyismus geheim halten
Dass in Brüssel nicht alle Interessengruppen gleich behandelt werden, ist für Eingeweihte kein Geheimnis. Transparent nach außen getragen wird es aber noch lange nicht. Verhandlungspositionen zu Abkommen wie TTIP werden der Öffentlichkeit gleich ganz vorenthalten. Welche Akteure sich mit welchen Empfehlungen und Ergebnissen an einen Tisch setzen, ist nur durch geleakte, teilweise öffentlich gemachte Geheimdokumente, bekannt.
Was uns erwartet – die geheimen Details der Verhandlungen:
- Wenn Konzerne ihre Profite durch Gesetze geschmälert sehen, sollen sie von den Steuerzahler/innen künftig Schadensersatz verlangen dürfen. Darüber entscheiden dann geheim tagende Schiedsgerichte ohne die Möglichkeit einer Berufung.
- Das Abkommen soll US-Konzernen erlauben, Gen-Food, mit Hormonen behandeltes Fleisch und Chlor-Hühner in Europa zu vertreiben – ohne Kennzeichnung. Ein gnadenloser Preiskampf würde dann hochwertige Lebensmittel vom Markt drängen.
- Der Vertrag soll das Geschäft mit der umweltschädlichen Erdgas-Förderung mittels Fracking anheizen. Fracking-Gas könnte dann einfach nach Europa exportiert werden – und unsere Chemiekonzerne könnten ihre giftigen Chemikalien dafür in die USA verkaufen. So käme es auch in Europa zum Fracking-Durchbruch.
- Das Abkommen könnte eine beispiellose Welle von Privatisierungen lostreten. Konzerne bekämen die Möglichkeit, sich viele kommunale Dienstleistungen – Wasser, Gesundheit, Bildung – einzuverleiben. Der Erfolg unserer Wasserkampagne bei der EU-Konzessionsrichtline würde zunichte gemacht.
- Mit dem Abkommen soll das gescheiterte ACTA-Abkommen durch die Hintertür eingeführt werden: mit beispielloser Gängelung von Internetnutzern, Aushöhlung des Datenschutzes, Beschneidung der Kommunikationsfreiheit.
Ausblick: der Widerstand gegen TTIP wächst
Wenn wir bis kommenden Montag, den 14. Juli mindestens 600.000 Unterzeichner zusammenbekommen, wollen wir die Unterschriften der EU-Kommission während des offiziellen Berichts aus den Verhandlungen (Stakeholder-Briefing) auf den Tisch knallen.
Quellenhinweis
Alle Quellenangaben finden Sie hier und in dieser Excel-Datei den zugehörigen Datensatz (Zeitraum Januar 2012 – April 2013).
Hallo,
mich würde mal interessieren, wie die deutsche Industrie zu TTIP steht, bzw. mit welchen positiven Zahlen dieses Abkommen erklärt wird.
Wir sind in einer kleinen Diskussionsrunde und wollen über das Für und Wider sprechen.
Danke für Informationen.
Gruß
Stefan
Der BDI sieht nur Vorteile. Allerdings verdreht er die vorliegenden Studien zu den Auswirkungen des Abkommens. Die Behauptung, es entstünden neue Arbeitsplätze, ist erst einmal nur eine Annahme. Es werden auf jeden Fall auch viele Arbeitsplätze vernichtet. Beim Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den Staaten Nord- und Südamerikas wurden in der Summe mehr Arbeitsplätze vernichtet als neu geschaffen.
Hier eine Quelle zum BDI http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-05/Freihandel-TTIP-Deutschland-USA/seite-3