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Jina Amini: Ihr Tod erschüttert den Iran

Ein Jahr nach dem Tod von Jina Amini: Am 16. September 2022 ist die 22-jährige Iranerin kurz nach der Verhaftung durch so genannte Sittenwächter gestorben. Ihr Tod bewegt die westliche Welt und entfacht Proteste im Iran. Wie geht es damit weiter?

Eine Frau hält im australischen Sydney ein Foto mit dem Bild von Mahsa Amini in die Luft. Der richtige Name von "Mahsa" ist jedoch jina.
Protest gegen das Regime im Iran: Eine australische Demonstrantin erinnert mit einem Bild an Mahsa Amini, die eigentlich Jina Amini heißt. Quelle: IMAGO

Es ist der 13. September 2022, Teheran. So genannte „Sittenwächter“ nehmen die 22-jährige Iranerin Jina Amini fest. Der Vorwurf: Sie habe ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen. Drei Tage später ist sie tot. Sie stirbt in einer Klinik. Bilder zeigen unter anderem starke Verletzungen am Kopf. Die genauen Umstände ihre Todes sind ungeklärt. Was bekannt ist: Sie befand sich etwa zwei Stunden in den Händen der Sittenpolizei. Danach kam sie ins Krankenhaus. Der Vorname Mahsa, unter dem sie nun weltweit bekannt ist, ist ein ihr als Kurdin aufgezwungener persischer Name. Jina heißt sie wirklich.

Der Iran ist seit Jahrzehnten ein innen- wie außenpolitisch unruhiges Land. Nach Außen dominiert der Streit um das Atomprogramm und den Israel-feindlichen Kurs, im Innern flammen immer wieder Proteste gegen das Regime auf. Vielen in Erinnerung ist die „Grüne Bewegung“ im Jahr 2009. Vor allem Mütter setzten sie in Gang. Und zwar Mütter von Söhnen und Töchtern, die nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl auf die Straße gingen – dort festgenommen, dann getötet oder gefoltert wurden. Der Iran stand am Abgrund. Doch das Regime festigte seine Macht erneut sehr konsequent mit Gewalt. Die „Grüne Bewegung“ verschwand in der Unsichtbarkeit.

Iran ist isoliert und sanktioniert

Eine Frau lässt sich in Paris aus Protest gegen den Tod von Mahsa Amini die Haare abrasieren. Quelle: IMAGO
Solidarität: Eine Frau lässt sich in Paris aus Protest gegen den Tod von Jina Amini die Haare abrasieren. Quelle: IMAGO

Nun sind tausende Iraner*innen wieder auf der Straße und demonstrieren für Freiheit, Individualismus, Frauenrechte und Pluralität. Als Symbol und Mahnung schneiden sich viele Frauen die Haare ab – eine Ehrung der mutmaßlich getöteten Jina Amini. Das Regime antwortet mit altbekannten Mitteln: Gewalt. Mehr als 50 Tote soll es bisher geben, mehr als 1200 Menschen sollen verhaftet worden sein. Dass die besonders brutale Revolutionsgarde eingreift, könnte der nächste Schritt zur Unterdrückung der Proteste sein.

Weltweit haben sich Menschen mit der neuen Protestbewegung im Iran solidarisiert. Italien, Australien, Frankreich, Deutschland: Von überall werden Demonstrationen gemeldet. Bilder und Plakate von Jina Amini beherrschen die Kundgebungen gegen das Hardliner-Regime von Präsident Ebrahim Raisi. So sehr diese Solidarität zu schätzen ist – einen großen Einfluss auf das iranische Regime dürfte sie nicht haben. Das Land ist international bereits isoliert und sanktioniert. Zwar regte Außenministerin Annalena Baerbock weitere Sanktionen an, insgesamt aber sind der westlichen Staatengemeinschaft leider eher die Hände gebunden.

Jina Amini wirkte so fröhlich

Die Meinungen, was aus den Protesten im Iran wird, gehen unter Beobachter*innen stark auseinander. Manche halten einen Kipppunkt für möglich, nach dessen Erreichen das Regime einknicken oder abdanken müsste. Viele andere jedoch gehen eher davon aus, dass die Regierung die Proteste einfach erneut niederknüppeln lässt. So, wie es immer schon war.

Lies auch den vorherigen Text der Serie: Als Peter Gabriel von Steve Biko sang

Im Moment bleiben nur: Wenige, verstörende Bilder von den Gewaltexplosionen auf Irans Straßen, meistens festgehalten in wackeligen Handy-Videos. Dann natürlich die Fotos von Jina Amini, auf denen sie so fröhlich, lebensbejahend und positiv wirkt. Und zuletzt die Hoffnung, dass ihr grauenhafter Tod nicht umsonst gewesen ist.


Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist erstmalig am 28. September 2022 erschienen. Hunderte Menschen sind im vergangenen Jahr im Zuge der Proteste verstorben. Im Iran ist der Alltag zwar scheinbar wieder eingezogen, doch der stille Protest geht weiter: Auch nach Niederschlagung der Protestkundgebung zeigen sich Frauen immer wieder ohne das vorgeschriebene Kopftuch in der Öffentlichkeit. Dafür könnten sie in Zukunft mit noch stärkeren Strafen rechnen. Eine neue kontroverse Strafreform, die jüngst im Parlament gebilligt wurde, sieht drakonische Strafen bei Missachtung der islamischen Kleidungsregeln vor. Frauen, die das Haus ohne Kopftuch verlassen, müssten mit Geldbussen, Ausreisesperren oder sogar Haft rechnen. 

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Autor*innen

Jochen Müter ist Diplom-Journalist und Politikwissenschaftler. Er schrieb als Ghostwriter einige Autobiographien und war Chef vom Dienst bei n-tv. Seit 2017 leitet er die Campact-Redaktion. Im Blog befasst er sich mit Protestbewegungen und steuert seinen Wochenrückblick bei. Alle Beiträge

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