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ChatGPT und der unsichtbare Wasserverbrauch

Eine neue Studie zeigt, wie viel Wasser von KI-Anwendungen verbraucht wird. Vielleicht würden wir Chat-Bots anders nutzen, wenn uns dabei unser Wasserverbrauch angezeigt würde, aber lässt sich mit unserem Verhalten der Leistungs-Gigantismus der Digitalisierung überhaupt kompensieren?

Das Icon von Chat-GPT im Appstore auf einem Smartphone.
Foto: IMAGO / CHROMORANGE

Vor einiger Zeit habe ich für diese Kolumne versucht, den KI-Chat-Bot ChatGPT über die eigene Klimabilanz auszufragen. Leider vergebens. Alle Antworten, die ich bekommen habe, waren oberflächliche Aufzählungen von Faktoren, die den Ressourcenverbrauch von Software senken oder steigern können. Dazu kam noch die pauschale und nach aktueller Studienlage naive Aussage, dass Digitalisierung gleichzeitig eine Belastung für das Klima ist, aber auch einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. Die frustrierende Realität ist: Ja, Digitalisierung kann (oder besser könnte) zum Klimaschutz beitragen, tut es aber im Großen und Ganzen nicht, weil wir sie nicht klimagerecht gestalten. Mir war während dieser Unterhaltung mit der Chat-Software, die zudem am Eigentlichen völlig vorbei ging, bewusst, dass ich dabei CO2-Emissionen verursachte. Was ich nicht wusste, ist, was jetzt eine neue Studie aufgedeckt hat.

CO2-Bilanz greift zu kurz

Wissenschaftler:innen haben zum ersten Mal den unsichtbaren Wasserverbrauch von Anwendungen von sogenannten Künstlichen Intelligenzen abgeschätzt. Was sie herausgefunden haben braucht dringend mehr Aufmerksamkeit. Denn bisher diskutiert, und dabei unter den zwei Deckmänteln der Energieeffizienz und einem versprochenen Wandel zur Nutzung regenerativer Energien verdeckt, wird die Tatsache, dass bei der Nutzung solcher Anwendungen CO2-Equivalente ausgestoßen werden. Wer die Klimabilanz digitaler Technik umfassend bewerten will, muss aber auch den Wasserverbrauch einkalkulieren. Sauberes und nutzbares Wasser ist auf unserem blauen Planeten eine kritische Ressource. Etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung sind mindestens einen Monat im Jahr von akuter Wasserknappheit betroffen. Jetzt wissen wir: Chat-Bots verbrauchen große Mengen unseres wichtigsten Lebensmittels – Wasser.

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Eine Flasche Wasser für ein paar Chat-Minuten

Die Studie kommt zu der Erkenntnis, dass die aktuelle Version von ChatGPT etwa 0,5 Liter Wasser verbraucht für einen simplen Dialog mit 20 bis 50 Fragen und Antworten, je nach Uhrzeit und Standort des Rechenzentrums. Klingt nicht nach viel? Aktuell nutzen jeden Monat etwa 100 Millionen Menschen die Software aktiv. Mit einer breiten Einführung der neueren Version GPT-4 wird der Verbrauch wahrscheinlich um ein Vielfaches ansteigen, so die Studie. Das liegt an der deutlich größeren Modellgröße. Der Wasserverbrauch kommt durch die Kühlung bei der Energieversorgung und Rechenzentrum zustande. Nicht eingerechnet ist etwa der Verbrauch bei der Herstellung der verwendeten Geräte, zum Beispiel der von zehntausenden von Grafikkarten, die der Chat-Roboter benötigt. Shaolei Ren, einer der Autoren der Studie, schätzt: „Wenn wir den Wasser-Fußabdruck der Herstellung der KI-Modelle mit einbeziehen, würde sich der gesamte Wasser-Fußabdruck meines Erachtens leicht um das Zehnfache oder sogar noch mehr erhöhen.“

Digitalisierung versteckt ihren Wasserverbrauch

Jetzt wollte ich von der Software natürlich wissen: „Wie viel Wasser verbraucht ChatGPT Durchschnitt für die Beantwortung einer Frage?“ Die Antwort war wie die auf die Frage nach der CO2-Bilanz inhaltsfrei: „ChatGPT verbraucht keinen physischen Wasserbedarf, da es eine Software-Anwendung ist und keine tatsächlichen Ressourcen wie Wasser verwendet. (…) Die Berechnungen und Ressourcennutzung von ChatGPT erfolgen auf Servern von OpenAI, die in Rechenzentren gehostet werden. Die genaue Menge an Rechenleistung, Speicher und Energie, die für die Beantwortung einer Frage benötigt wird, kann je nach spezifischem Szenario und den internen Mechanismen von OpenAI variieren.“ Polemisch formuliert versteckt die Software ihren Wasserverbrauch, ihr fehlt ein Modell, um eine nutzbare Antwort zu generieren. Das ist leider generell so. Welche Anwendung oder App, welcher Laptop oder welches Smartphone zeigt den Nutzenden einen Wasserverbrauch an?

Transparenz kann den Unterschied machen

Die Wissenschaftler:innen richten einen Appell an diejenigen, die Digitalisierung gestalten: Mehr Transparenz. Mit Wissen über Wasserverbrauch kann die breite Öffentlichkeit besser in die globalen Bemühungen zur Bewältigung der wachsenden Wasserprobleme einbezogen werden. So könnten Nutzende nicht dringend notwendige Anfragen einsparen, den Dienst zu wassersparenden Zeiten nutzen und Entwickler:innen können wassersparende Standorte für das Training von KI-Modellen auswählen. Kühlung verbraucht weniger Wasser in der Nacht und an optimierten oder kälteren Standorten, wobei der zu erwartende globale Temperaturanstieg wiederum den Energie- und Wasserbedarf für Kühlung erhöhen wird.

Was würde eine Wasserverbrauchs-Anzeige bringen?

Würden wir Chat-Bots und andere Anwendungen bewusster nutzen, wenn uns der Wasserverbrauch angezeigt würde? In der Mensa der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde ein Experiment durchgeführt: Entscheiden sich Menschen für oder gegen bestimmte Menüs, wenn sie über einfach verständliche Information verfügen, wie viel CO2-Equivalente bei deren Herstellung emittiert wurde? Den Mensa-Gästen wurde neben dem Preis auch der CO2-Fußabdruck der angebotenen Menüs angezeigt. Das Ergebnis: Entsprechend informiert haben die Gäste bis zu 10 % weniger Emissionen verursacht.

Was kostet uns der digitale Leistungs-Gigantismus?

Bei der Nutzung von KI dürfte der CO2-Verbrauch weiter steil ansteigen. Und das trotz möglicher Einsparungen, wie sie das Münchner Experiment demonstriert hat, allein weil die Technik zunehmend normale Suchanfragen ersetzt und in Suchmaschinen und andere Anwendungen integriert wird, wodurch laut einer Einschätzung der Bedarf an Rechenleistung und damit Energie und Ressourcen um das vier- bis fünffache ansteigen wird – mindestens. Der ständige gigantische Zuwachs an Rechenleistung wird kaum kompensiert werden können durch Versuche, eine etwas klimaschonendere Internet-Nutzung zu fördern. Utopien müssen her!

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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