Feminismus
Fußfesseln als Mittel gegen Femizide
Im Schnitt versucht jeden Tag ein Mann in Deutschland, seine (Ex-)Partnerin zu töten. In Spanien tragen Gewalttäter elektronische Fußfesseln. Ein hilfreiches Mittel gegen Femizide?
In einer Fernsehsendung berichtet Ana Orantes, wie ihr Ex-Mann sie über vier Jahrzehnte physisch und psychisch misshandelte. Wenige Tage später, im Dezember 1997, übergoss dieser Mann Ana Orantes mit Benzin und zündete sie an.
Tötungen durch den (Ex-)Partner sind weltweit die häufigste unnatürliche Todesursache bei Frauen. In Spanien markierte der grausame Tod von Ana Orantes einen Wendepunkt: Der Ruf nach Reformen und Schutz für die Opfer wurde lauter. Hunderte Menschen gingen nach Orantes Tod in Madrid auf die Straße und forderten härtere Strafen gegen häusliche Gewalt und Missbrauch.
Seitdem hat Spanien zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Gewalt gegen Frauen – insbesondere Femizide – zu bekämpfen. Seit 2009 können Gerichte in Spanien das Tragen einer elektronischen Fußfessel anordnen, um Kontakt- und Annäherungsverbote von Gewalttätern zu überwachen. Die elektronische Fußfessel gilt als bedeutender Schritt im Kampf gegen Femizide.
Femizide stoppen
Jeden zweiten bis dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner getötet. Ging die Trennung von ihr aus, kann der Täter sogar auf Strafmilderung hoffen. Der Gesetzgeber muss endlich reagieren: mit einer Strafrechtsreform und einer Forschungsstelle, die Gewalt gegen Frauen untersucht und verhindert.
Wie funktionieren elektronische Fußfesseln?
Fußfesseln überwachen die Bewegungen eines Täters, der wegen häuslicher Gewalt oder anderer Übergriffe verurteilt wurde. GPS ermöglicht der Polizei, den Aufenthaltsort des Täters jederzeit zu verfolgen. Das Opfer erhält einen Empfänger, der sofort Alarm schlägt, wenn sich der Täter in einem bestimmten Umkreis um das Opfer befindet. Die Behörden werden umgehend informiert und können Schutzmaßnahmen ergreifen.
Warum sind Fußfesseln ein wirksames Mittel gegen Femizide?
Laut der Opferberatungsstelle Weißer Ring haben sich elektronische Fußfesseln als wirksames Mittel erwiesen, um Femizide zu verhindern und die Sicherheit von bedrohten Frauen zu gewährleisten.
„Wir wissen, dass die Erfolgsquote, bei denen die Fußfessel eingesetzt wurde, 100 Prozent beträgt. Keine der Frauen, die in diesem Programm waren, ist dann getötet worden.“
Patrick Liesching, Bundesvorsitzender des Weißen Rings, in der Hessischen Rundschau
Hier die wichtigsten Gründe für die Effektivität dieser Methode:
- Präventive Abschreckung: Fußfesseln schrecken potenzielle Täter ab, da sie wissen, dass ihre Bewegungen jederzeit nachvollziehbar sind und die Verstöße sofort Konsequenzen haben.
Hilfe finden
Bist Du betroffen von sexualisierter Gewalt und brauchst Hilfe? Unter der 0800 22 55 530 kannst Du das Hilfe-Telefon anrufen oder die Online-Beratung nutzen. Hier findest Du außerdem eine Liste mit weiteren Anlaufstellen und Hilfsangeboten.
- Erhöhte Sicherheit für Opfer: Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, fühlen sich sicherer, da sie bei Annäherung des Täters frühzeitig gewarnt werden und sich in Sicherheit bringen können.
- Schnelle Reaktionszeiten der Polizei: Bei einem Alarm, der durch eine Annäherung des Täters ausgelöst wird, können die Behörden schnell eingreifen und so weitere Gewaltakte verhindern.
- Kontinuierliche Überwachung: Fußfesseln ermöglichen eine 24/7-Überwachung, was durchgehende Sicherheit für das Opfer gewährleistet und es Tätern erschwert, überraschend anzugreifen.
Elektronische Fußfesseln alleine reichen aber nicht
Selbstredend reichen Fußfessel alleine nicht aus. In Spanien sind sie Teil eines umfassenden Ansatzes, der präventive und reaktive Maßnahmen umfasst. Wichtig ist auch, die Betreuung und psychologische Unterstützung der Opfer nicht zu vernachlässigen.
Außerdem besteht die Sorge, dass die Technologie versagen könnte – etwa durch technische Störungen – oder, dass die Fußfesseln als Ersatz für umfassendere Schutzmaßnahmen gesehen werden könnten.
Trotz dieser Herausforderungen bedeuten elektronische Fußfesseln in Spanien einen wichtigen Fortschritt im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Ein Fall wie kürzlich in Essen, wo ein Mann wegen einer Trennung von seiner Ehefrau Brände legte und so 31 Menschen verletzte, wäre vielleicht nicht passiert, wenn der Täter schon vorher zum Tragen einer Fußfessel verordnet gewesen wäre. Oder der Femizid an Marathonläuferin Rebecca Cheptegei, die Anfang September von ihrem Ex-Freund mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt wurde.
Gewalthilfegesetz steht im Koalitionsvertrag
In ihrem Koalitionsvertrag versprechen SPD, Grüne und FDP, ein Gesetz zu erlassen, das Betroffene besser vor Gewalt schützt. Mit dem Gewalthilfegesetz will die Ampel „einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung schaffen für Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt“. Auch die Istanbul-Konvention – ein völkerrechtliches Übereinkommen – fordert, dass Beratung und Schutz flächendeckend, niedrigschwellig und kostenfrei zur Verfügung stehen müssen.
Misogyne Gewalt nimmt zu
Misogyne Gewalt nimmt weltweit zu. Laut den Vereinten Nationen wurden 2022 weltweit fast 89.000 Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts getötet. Im selben Jahr starben in Deutschland 133 Frauen durch Partnerschaftsgewalt. Es ist die höchste Zahl seit 20 Jahren.