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Meta im Wettlauf um Afrikas Internet
Meta wird für seine Rolle Rückwärts in Bezug auf Diversity im Unternehmen scharf kritisiert. Ein anderes, problematisches Projekt des Tech-Riesen bekommt hingegen wenig Beachtung: "2Africa", das größte Unterwasser-Glasfasersystem der Welt. Welche Schwierigkeiten dieses Projekt birgt, erläutert Esther Mwema im Interview mit Friedemann Ebelt.

Zwei Ingenieure im Auftrag von Meta bzw. des Projektes 2Africa tragen eine goldene Boje an den Strand. Sie markiert den Anschluss des Glasfaserkabels an das Festland. Foto: 2Africa
In den ersten Wochen des Jahres wurden in den USA die Weichen für eine neue Digitalpolitik gestellt. Donald Trump ist ins Weiße Haus eingezogen und Big Tech-Konzerne passen ihr Geschäft der neuen Macht im Land an. Im Zuge dessen beendete Meta sein Engagement für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration, wie Adria R. Walker für den Guardian beobachtet:
Der Mangel an ethnischer und geschlechtlicher Vielfalt im Silicon Valley ist seit langem bekannt. Laut dem jüngsten Diversity-Bericht des Unternehmens konnte Meta die Zahl der schwarzen und hispanischen Mitarbeiter in den USA zwei Jahre vor seinem Ziel verdoppeln, nämlich von 3,8 % und 5,2 % auf 4,9 % bzw. 6,7 %. Nach der neuen Ankündigung wird Meta keine spezifischen Einstellungspraktiken mehr anwenden.
Außerdem hat Mark Zuckerberg, CEO von Meta, angekündigt, dass Meta die Faktenprüfung auf Facebook, Instagram und Threads abschaffen wird, und findet, dass US-Unternehmen mehr „männliche Energie“ bräuchten. Netzpolitik.org hat zusammengefasst: „Meta goes MAGA“. Wer diese Entwicklung bewerten will, muss sowohl die finanzielle und politische Macht von Meta einpreisen, als auch die Macht der Daten, mit denen das Unternehmen alle Nutzenden tracken, analysieren und unterschiedlich behandeln kann.
Afrikas Daten in Metas Kabeln
Was unterdessen nicht diskutiert wird, ist, was sich weder in den USA noch in der EU abspielt. Inmitten dieser digitalpolitischen Verschärfung, soll das von Meta geleitete Projekt 2Africa in Betrieb genommen werden. Noch nie etwas vom „größten Unterwasser-Glasfaserkabelsystem aller Zeiten“ gehört? 2Africa ist Metas Name für ein 45.000 Kilometer langes, in Privatbesitz befindliches Internetkabel, das den gesamten afrikanischen Kontinent umschließt. Auch hier gibt es personelle Bewegung. Meta hat Nick Clegg durch den Republikaner Joel Kaplan als Leiter des Politikteams ersetzt, das für globale Projekte wie 2Africa verantwortlich ist.
Leider ist es nicht einfach, Informationen über dieses Projekt zu finden, und es lohnt sich kaum, die spezielle Website zu besuchen, da sie nicht auf dem neuesten Stand ist und es nichts Relevantes zu finden gibt. Umso mehr freue ich mich, dass Esther Mwema sich die Zeit genommen hat, hier über das Projekt aufzuklären. Vielen Dank dafür!
Zur Person: Esther Mwema

Esther Mwema ist Künstlerin, Expertin für digitale Ungleichheiten und Mitautorin des aufschlussreichen Artikels „Undersea cables in Africa: The new frontiers of digital colonialism“.
Wie schätzt du die jüngsten Entwicklungen bei Meta ein, einem Konzern, der weitreichende Kontrolle über die Internetversorgung des afrikanischen Kontinents anstrebt?
Wir beobachten eine koloniale Logik, wenn Big Tech-Unternehmen, die von der Vielfalt der Nutzer*innen auf ihren Plattformen profitieren, in ihrer Unternehmenspolitik offen toxische Männlichkeit und Rassismus unterstützen, weil sie jetzt mit der Trump-Administration in den USA die Rückendeckung einer der stärksten Regierungen der Welt haben.
Nun hat ein von Meta geführtes Konsortium das weltweit längste Unterseekabel verlegt, das jetzt den kompletten afrikanischen Kontinent umschließt. Das und die Datenkapazität des sogenannten 2Africa-Kabels von 180 Terabit pro Sekunde entspricht dem Ethos des Silicon Valley: „move fast and break things“ (etwa: schnell handeln und Dinge kaputt machen). Dieses beispiellose Projekt wird letztlich die Entwicklung einer lokalen Infrastruktur stören, neue Risiken für die Demokratie mit sich bringen, sowie digitale Überwachung. Zusätzlich wird das Projekt unter anderem die Art und Weise, wie Big Tech besteuert und reguliert wird, in Frage stellen. Metas Projekt sorgt dafür, dass sich lokale Internetanbieter auf dem afrikanischen Kontinent an das Unterseekabel anschließen und so für die Regulierung durch die Länder, in denen die Landungsknotenpunkte des Kabels liegen, gerade nicht erreichbar sind.
Die Komplexität dieses Unterseekabels besteht darin, dass es den ganzen Kontinent umspannt, aber die meisten afrikanischen Länder Datenschutzrichtlinien nur für ihr Land haben. So wurde beispielsweise das kontinentweite Malabo-Abkommen der Afrikanischen Union nur von 15 der 55 afrikanischen Länder ratifiziert. So kommt es, dass Meta viele Schlupflöcher hat, die es ausnutzen kann. Dies spiegelt die koloniale Logik der Ausbeutung zum Nutzen einiger weniger Großunternehmen und der sie unterstützenden Regierungen wider.
Neben Meta sind auch China Mobile, Bayobab (MTN Group), Orange, Saudi Telecom, Telecom Egypt, Vodafone und die West Indian Ocean Cable Company am 2Africa-Projekt beteiligt. Warum konzentrierst du dich auf Meta?
Wir erleben gerade in Echtzeit, wie diese Tech-Giganten versuchen, den Internet-Stack (Anm.: Stack, wie Stapel, meint hier aufeinander aufbauende Technik-Komponenten, die zusammen das Internet bilden.) zu monopolisieren, indem sie von der Internet-Ebene bis hin zur Infrastruktur expandieren. 97 Prozent unseres Internets laufen über Unterseekabel. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Meta und den anderen Gruppen des Konsortiums. Meta ist erstens federführend in dem Projekt und zweitens ist derzeit nicht bekannt, wie sich das Konsortium zusammensetzt, wie die Macht verteilt ist und wer die Entscheidungen trifft. Und drittens, und das ist das Wichtigste, hat Meta mit Facebook, WhatsApp, Threads und Instagram ein Monopol bei Social-Media-Plattformen.
Das Eindringen von Meta in die verschiedenen Ebenen des Internets bedroht ein freies und offenes Internet. Denn, damit ein offenes Internet existieren und Innovation stattfinden kann, sollte es keine ständig bevorzugten Akteure geben. Der Besitz einer so großen Infrastruktur, des längsten Unterseekabels der Welt, würde Meta zu einem dauerhaft bevorzugten Akteur machen.
Ist es gerechtfertigt zu sagen, dass mit 2Africa der Zugang zum Internet für einen Großteil der 1,4 Milliarden Menschen in Afrika in absehbarer Zukunft in die Hände eines einzelnen Konzerns gelangen könnte?
In meiner Forschungsarbeit „Undersea cables in Africa: The new frontiers of digital colonialism“ untersuche ich die Unterseekabel von Meta und Google. In meiner kommenden Arbeit werde ich diese Untersuchung auch auf Starlink ausweiten. Dies ist ein weiteres unglückliches Gerangel um Afrikas Ressourcen – nicht nur die Daten, sondern auch wichtige seltene Erden, die für den Bau von Batterien, Rechenzentren, Smartphones und grüner Technologie benötigt werden und die nur in der Region zu finden sind. Afrika ist ein vielfältiger Kontinent mit einer Vielzahl von politischen Maßnahmen, die jedoch nicht ausreichen, um diese massiven, einseitigen Big Tech-Projekte aufzuhalten oder zu regulieren. Big Tech strebt nach kontinentaler Macht und Kontrolle über Afrika. Das ist ziemlich dreist.
Ist 2Afrika bereits in Betrieb? Haben Menschen, die in der Nähe von Landungsknotenpunkten leben, wie in Helena or Djibouti schnellen, zuverlässigen und erschwinglichen Zugang zum Internet?
Laut Airtel Africa, einem der größten Prepaid-Mobilfunkdienste des Kontinents, ging 2Africa Mitte 2024 in Kenia, Tansania und Südafrika in Betrieb und ging auch in Ghana und Nigeria an Land. Meta strebt an, dass das Unterseekabel in mindestens 30 Ländern entlang der afrikanischen Küste Landungsknotenpunkte haben soll. Allerdings ist Meta nicht verpflichtet, die Infrastruktur an diese Länder auch anzuschließen, Daten dort zu speichern oder von den Ländern, die sich mit dem Unterseekabel verbinden, reguliert zu werden. Die Last des Anschlusses liegt bei den afrikanischen Staaten und den lokalen Internetanbietern, die Meta, Google, X und andere Big Tech-Unternehmen, die in das Infrastruktur-Geschäft einsteigen, dafür bezahlen, dass sie Knotenpunkte werden. Sie erhalten aber keine Aufsicht über Datenrechte, Datenschutz und andere Regulierungsfragen. Meta hat kein Datenzentrum auf dem afrikanischen Kontinent, so dass die afrikanischen Daten in den Händen von Big Tech liegen, ohne dass es eine Regulierung, einen Mechanismus zur Rechenschaftspflicht oder Transparenz gibt.
In deinem Artikel schreibst du, dass Details des 2Africa-Vertrags aufgrund von Schutzrechten der Öffentlichkeit unbekannt sind. Welche Details würdest du gern öffentlich haben?
Es gibt keine einsehbaren Antworten auf die fünf W-Fragen (Anm.: Was? Wer? Wo? Wie? Warum? – siehe Wikipedia), wenn es um Unterseekabel und Glasfaserkabel im Besitz von Big Tech geht. Das betrifft Fragen darüber, was passiert, wann und wo es stattfindet und geplant ist. Unklar ist auch, wie Riesenprojekte wie Metas 2Africa, Googles Equiano und Umoja oder Xs Starlink grünes Licht bekommen und wer für all das bezahlt – und wer davon profitiert.
Solange man nicht aktiv nach der Antwort sucht, ist das alles gut versteckt. Die häufigste Reaktion, die ich von denjenigen erhalte, die von meiner Kunst und meinen Forschungen hören, ist, dass sie überrascht sind, dass diese groß angelegten Projekte auf und innerhalb des afrikanischen Kontinents gerade jetzt ohne unser Wissen stattfinden.
In deinem Artikel beschreibst du 2Africa als ein Ergebnis eines Rennens von westlichen Big Tech-Unternehmen um die massenhafte Extraktion von Daten unter dem Vorwand, den Digital Divide zu überwinden. Was wird dabei aus deiner Sicht verschleiert?
Versteckte Macht. Der Betrieb von Internet-Infrastruktur ist sehr kostspielig, daher ist es wichtig, die Finanzierungsmechanismen zu verstehen und zu wissen, wie Gewinne langfristig erzielt werden sollen. Denn all dies ist mit der Extraktion von Daten, der Gewinnung von Bodenschätzen und der Überwachung auf dem afrikanischen Kontinent verbunden – all dies birgt Risiken für ein offenes Internet und die Demokratie. Internet-Infrastrukturen sind die Pipelines für die Kontrolle des Informationsflusses, einschließlich der politischen, sozioökonomischen, kulturellen und militärischen Kommunikation. Transparenz ist notwendig, wenn Big Tech von der privaten Sphäre zu einer öffentlichen Notwendigkeit wird.
Du argumentierst, dass Big Tech historisch tiefgreifende koloniale Muster reproduziert und davon profitiert: finanzielle Profite, natürliche Ressourcen, Arbeitskraft sowie rechtliche Bevorteilung. Nutzt Big Tech Afrika auch als Experimentierfeld für Technologie die anderswo strikter reguliert ist, wie KI oder Tracking?
In meinem Artikel argumentiere ich, dass die datenorientierte Infrastruktur in die Kolonialität eingebettet ist, um die einheimische Bevölkerung zu überwachen, zu kontrollieren und zu verwalten, insbesondere mit dem Aufstieg von KI, was in jeder Hinsicht mehr Ressourcen erfordern wird. KI erfordert mehr Daten, was wiederum mehr Rechenzentren erfordert, was wiederum bedeutet, dass mehr kritische seltene Erden abgebaut werden, die nur in Afrika zu finden sind. Dr. Birhane, die das Papier gemeinsam mit mir verfasst hat, bringt es in ihrer Arbeit über die koloniale Logik hinter großen KI-Sprachmodellen (LLM) auf den Punkt. Daten werden benötigt, um Datensätze für KI-Modelle zu trainieren, und da KI-Systeme immer größer werden und sogar die Billionen-Parametergrenze überschreiten, haben große Unternehmen, die über mächtige Infrastrukturen zum Sammeln von Daten verfügen, wie Meta und Google, weltweit einen beispiellosen Vorteil.
Nick Clegg, der ehemalige Chef für globale Politik bei Meta, hat gesagt, dass afrikanische Wissenschaftler*innen, Entwickler*innen und Unternehmen keine eigene KI-Infrastruktur bauen müssen, weil Meta das bereits tut und die Quellen für diese Technik frei zugänglich macht. Für mich klingt das auch danach, dass Meta will, dass Menschen und Unternehmen in Afrika Nutzende und Konsumierende sind und keine genuinen Entwickler*innen, Betreiber*innen und Entscheider*innen. Wie klingt das für dich?
Metas Rhetorik ist „verantwortungsvolle KI“ und Google setzt sich für „KI für alle“ ein, aber die Monopolstellung dieser Unternehmen macht klar, dass diese Sprache eine Taktik ist, um Nutzerdaten für Profit und Markteinfluss zu extrahieren, zu analysieren und zu besitzen. Big Tech hat Pläne für KI, die afrikanische kritische Rohstoffe und seltene Erden benötigen und einen Datenfluss von den „Nutzer*innen“ des Kontinents.
Die Folge ist, dass selbst wenn Meta und Google Unterseekabel entlang der afrikanischen Küste verlegen, sie nicht verpflichtet sind, die Infrastruktur mit den Ländern zu verbinden oder Daten in diesen Ländern zu speichern, und dass dies immer noch rechtsgültig ist, was die afrikanischen Staaten in die Pflicht nimmt, Google und Meta dafür zu bezahlen, dass sie Anlandestationen für ihre Unterseekabel werden, ohne Aufsicht über Datenrechte, Schutz und Regulierung. Derzeit gibt es auch keinen klaren Mechanismus zur Besteuerung oder Regulierung von Meta und Google in Afrika, da ihre Unterseekabel zwar den Kontinent umgeben, aber nicht direkt mit dem Festland verbunden sind. Lokale Internetanbieter stellen die Verbindung zu den Unterseekabeln von Meta und Google her, so dass Big Tech unreguliert und unbesteuert bleibt, während die lokalen Internetanbieter die Kosten für die Verbindung an die Verbraucher weitergeben.
Es geht Big Tech um Profit und Massenkontrolle. Diese Störung wird die Innovation auf dem Kontinent erdrücken und tut es bereits, denn wer kann mit einem privaten Unternehmen konkurrieren, das buchstäblich ein Unterseekabel um den zweitgrößten Kontinent der Welt gelegt hat? Und dieses Unternehmen, Meta, hat bereits ein Monopol auf soziale Netzwerke. Das ist heimtückisch.
Mit deinem preisgekrönten Projekt „Afro Grids“ und deinem Grafic Novel „Bones of the sea“ bietest du einen Blick auf die Zukunft der Digitalisierung in Afrika, der nicht Macht- und Geldgetrieben ist. Du sprichst davon, Technik zu verändern und von einem neuen Technik-Design, dass weder Ökosysteme beschädigt, noch Menschen die Würde nimmt. Wie siehst du Afrikas digitale Zukunft?
Im Rahmen der Green Screen Coalition arbeite ich mit Verfechtern digitaler Rechte an neuen Visionen für die Überbrückung der digitalen Kluft durch eine Internet-Infrastruktur in Gemeinschaftsbesitz. Ich freue mich darauf, in meiner Keynote auf der re:publica in Berlin Ende Mai mehr über diese Arbeit zu berichten.
Kurz gesagt: Afrikas digitale Zukunft wird gerade jetzt gestaltet, und ich hoffe, dass wir den Weg der geringsten Ausbeutung von Afrikas Bodenschätzen und Daten wählen.
Das Interview wurde ursprünglich auf Englisch geführt und für die Veröffentlichung im Campact-Blog vom Autoren übersetzt.