Feminismus Rechtsextremismus
Dünn sein heißt schön sein. Mit diesem Leitspruch bin ich aufgewachsen – und viele andere auch. In den 1990er- und 2000er-Jahren sahen wir Monika in der Serie „Friends“ dabei zu, wie sie sich für ihren früheren „fetten“ Körper schämte. Wir bewunderten den „Heroin Chic“ von Kate Moss. Glotzten am Donnerstagabend „Germany’s Next Topmodel“. Wer es sich leisten konnte, trug Miss-Sixty-Hosen. Der dünne Bauch wurde mit einem Bauchnabelpiercing geschmückt und in Zeitschriften lasen wir damals von Models, die ihren Hunger mit in Orangensaftsaft getränkter Watte stillten – und taten es ihnen gleich.
#SkinnyTok – Hungern in Zeiten von Social Media
Wir dachten, diese Zeiten seien vorbei. Doch sie sind definitiv zurück. Unter dem Social-Media-Hashtag #SkinnyTok verbreiten sich im Netz Tausende von Videos, die extrem dünne Körper idealisieren. Die „Pro Anas“ der 2000er-Jahre finden sich heute in den Kommentarspalten von TikTok und Instagram wieder. Dort tauschen sie sich über das Hungern aus, feiern magere Körper und fördern problematische Schönheitsideale.
Welche fatalen Auswirkungen dieser Trend hat, ist durch Studien belegt. Bereits acht Minuten mit solchen Inhalten reichen aus, um das Körperbild von Jugendlichen negativ zu beeinflussen. Das Risiko für Essstörungen steigt deutlich. Befeuert wird das Ganze vom TikTok-Algorithmus. Wer einmal drin ist, kommt oder kam nur schwer wieder heraus. Denn nach massig Kritik hat auch TikTok reagiert und den Hashtag verboten. Wer mittlerweile nach #SkinnyTok sucht, erhält stattdessen Hilfsangebote zu Essstörungen. Doch wer sich nur etwas mit Social Media auskennt, weiß, wie einfach es ist, solche Verbote zu umgehen.
Body Positivity ist vorbei
Die Zeit der Body Positivity ist eindeutig vorbei. Das zeigt auch ein weiterer Trend, der vor allem in den USA bekannt ist: der „Ballet Body“. Laut dem Jahresbericht der „American Society of Plastic Surgeons (ASPS)“ für 2023 ist der neue beliebte Look „schlank wie eine Ballerina“. „Being dangerously thin is in again“, heißt es dort.
Die Abnehmspritze Ozempic verstärkt den Trend und vor allem den Druck, dünn zu sein. Schlank sein ist jetzt nur noch eine Spritze entfernt – jedenfalls für Menschen mit viel Geld. Dünnsein wird dadurch nicht mehr nur zum Status-, sondern auch zum Machtsymbol.
Frauenkörper sind politisch
Dass Frauenkörper wieder so stark in den Fokus gerückt sind, ist kein Zufall. Der französische Philosoph Michel Foucault hat bereits in den 1970er-Jahren mit seinem Konzept der Biomacht aufgezeigt, wie politisch der Körper ist – und wie anhand des Körpers Machtverhältnisse ausgehandelt werden.
Besonders rechte Ideologien funktionieren über Kontrolle, Normierung und Hierarchien. In dieser Denkweise gilt der dünne, weiße, nicht-behinderte und cis-geschlechtliche Körper als gut. Schwarze, dicke, behinderte oder queere Körper hingegen gelten als defizitär.
Je konservativer und rassistischer die gesellschaftliche Stimmung, desto klarer wird vorgeben, welcher Körper ‚richtig‘ ist: weiß, dünn, diszipliniert. Wer von diesem Ideal abweicht, wird beschämt, unsichtbar gemacht oder ausgeschlossen.
Louisa Dellert und Tupoka Ogette (Instagram)
Auf Instagram erläutern die Autorinnen Louisa Dellert und Tupoka Ogette, welchen Einfluss politische Strukturen in den 1980er- und 1990er-Jahren auf den – vor allem weiblichen – Körper hatten:
„Ronald Reagan (US-Präsident) und auch Margaret Thatcher (Premierministerin, Vereinigtes Königreich) standen damals beide für einen neoliberalen Umbruch. Das bedeutete: weniger Sozialstaat, mehr Eigenverantwortung, mehr Leistungsdruck.“ Der Körper wurde zum Beweisstück: „Wer dünn war, galt als diszipliniert, leistungsbereit, kontrolliert und als ‚wertvoll‘ im Sinne dieser Politik.“
Neue Homogenität im Netz
Auch die aktuellen Social-Media-Trends sind aus politischer Sicht wertvoll – und sie passen zu einer Zeit, in der der Feminismus weltweit auf dem Rückzug ist. Denn ob bei #SkinnyTok, Tradwives oder der „Clean Girl Aesthetic“: Die Frauenbilder von heute sind homogen, konservativ und exklusiv. Eine ziemliche Kehrtwende zu den Trends der späten 2010er und frühen 2020er-Jahre, als Body Positivity, Diversität und Inklusion hoch im Kurs standen.
Statt Vielfalt geht es um Homogenität: Frauen werden heute wieder vermehrt als natürlich, attraktiv und häuslich dargestellt – Männer als stark; oder wie der Bundestagsabgeordnete der AfD Maximilian Krah einst sagte: „als echte Männer wollen wir echte Frauen haben“ und „Feministinnen sind alle hässlich und grässlich“.
Die Bildsprache der AfD
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Dazu passt auch die Bildsprache der AfD. Wie keine andere Partei nutzt die AfD generative KI zur Bilderstellung. Ob auf ihren Wahlplakaten oder in ihrer Social-Media-Präsenz – die AfD präsentiert mit ihren Bildern eine reine weiße deutsche Idylle. Die Menschen, die die AfD zeigt, sind meist schlank, athletisch und attraktiv. Männer werden oftmals als soldatisch stark präsentiert, Frauen in ihrer Rolle als Mutter.
Retraditionalisierung der Geschlechterrollen
Die AfD treibt diese Retraditionalisierung der Geschlechterrollen immer weiter voran. Die Frau soll zurück an den Herd (mehr zum Frauenbild der AfD) und sich um die Kinder kümmern; sich dabei aber bitte nicht gehen lassen.
Anstatt Gleichberechtigung zu fördern, wirbt die AfD für ein traditionelles Frauenbild und die konservative Familie aus Mutter, Vater und Kind(ern). Dazu passt die Fokussierung auf den weiblichen Körper: Denn dieser Körper hat im Sinne der AfD einen Zweck zu erfüllen – und zwar die Erhaltung der weißen Gemeinschaft. In diesem Sinne spricht sich die Partei seit Jahren für ein Abtreibungsverbot aus.
#SkinnyTok: Das Patriarchat gewinnt
Wenn Frauen ins Private gedrängt werden, sie ihre Energie in Diäten, Sport, Saftkuren und Hautpflege stecken, ihre Körper miteinander vergleichen und in Konkurrenz treten, bleibt keine Energie mehr für politische Beteiligung, Widerstand oder Solidarität. Frauen können in diesem System nur verlieren.