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Ob neues Baugebiet oder bestehendes Viertel: Jede Straße in Deutschland braucht einen unterscheidbaren Namen mit Hausnummern. So kann jedem Flurstück, also einem Grundstück im Liegenschaftskataster, eine individuelle Adresse zugeordnet werden. Auch Wege, Plätze oder Parks brauchen einen eindeutigen Namen. Der Einfachheit halber sprechen wir in diesem Beitrag ausschließlich von Straßen; Wege, Plätze und Co. sind aber immer mitgemeint. 

Wie kommen Straßennamen zustande?

Straßennamen gibt es bereits seit dem Mittelalter. Damals wurden Straßen oder Bezirke oft nach den dort ansässigen Handwerkszünften benannt, was uns heute Straßennamen wie „Müllerstraße“, „Schusterweg“ oder „Weberpfad“ beschert. Auch Bezeichnungen nach dort liegenden Bauwerken oder Merkmalen des Gebiets waren üblich: „An der Burg“, „Spitalstraße“, „Kirchplatz“, „Talstraße“ oder „Marktstraße“ sind Beispiele, die es in vielen Städten gibt. 

Heute können unterschiedlichste Faktoren namensgebend für neue Straßen sein:

  • Historische Bezeichnungen: Alte Flurnamen oder historische Lagebezeichnungen.
  • Thematische Bezüge:  Das ist ein Vorgehen, das gerne bei kompletten Neubaugebieten gewählt wird, in dem viele neue Straßen entstehen. Hier werden Namen gruppiert, die zu einem bestimmten Thema passen, wie in einem Dichter- oder Musikerviertel. Auch Vogelnamen oder Pflanzenarten sind Favoriten.
  • Bedeutende Persönlichkeiten: Namen von Erfinder*innen, Unternehmer*innen oder Personen der Stadtgeschichte. 
  • Kulturelle oder regionale Bedeutung: Namen, die den Charakter einer Region unterstreichen.

Wer entscheidet über neue Straßennamen?

In der Regel sind die Gemeinden oder Städte selbst für die Benennung von Straßen zuständig. Manchmal beziehen Städte und Gemeinden die bisherigen Anwohner*innen im Viertel oder Quartier bei der Namensfindung mit ein. Die Entscheidung liegt allerdings beim Gemeinderat, der Bezirksvertretung oder einem anderen politischen Gremium der Kommune. Wer genau die Straßennamen festlegt, ist in der jeweiligen Gemeindesatzung festgelegt und unterscheidet sich von Land zu Land und von Stadt zu Stadt.

Petition aus Gießen fordert mehr Gleichstellung bei Straßennamen

In Gießen soll zwischen Goethestraße, Lessingstraße und Stephanstraße ein neuer Platz mit mehr Grünflächen und Aufenthaltsmöglichkeiten entstehen. Die Straßenbenennungskommission und der Magistrat wollen diesen Platz nach einem Mann benennen. Dabei sind nur 16 Prozent der Straßen- und Platznamen in Gießen nach Frauen* benannt. 

Mit einer Petition auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, fordert eine Bürgerin aus Gießen die Stadt auf: „Mehr Gleichstellung bei der Straßen- und Platzbenennung in Gießen!“

Wie läuft der Prozess für eine Straßenbenennung ab?

  1. Vorbereitung: Das zuständige Amt, oft das Vermessungs- und Katasteramt, sucht nach geeigneten Namen. 
  2. Namensfindung: Dabei können historische Flurnamen, historische Lagebezeichnungen, Themen für bestimmte Viertel, oder Namen von Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft (in Gewerbegebieten) verwendet werden. 
  3. Empfehlung: Die Verwaltung gibt eine Stellungnahme und einen Vorschlag für die Benennung oder Umbenennung ab.
  4. Beschluss: Das zuständige politische Gremium fasst den Beschluss über die Benennung oder Umbenennung. 
  5. Bekanntgabe: Die Entscheidung wird im Amtsblatt der Stadt veröffentlicht. 

Der Deutsche Städtetag hat 2021 eine Handreichung zur erstmaligen Benennung oder Umbenennung von Straßen, Wegen, Plätzen und Grünanlagen herausgegeben. Dabei hat sich der Deutsche Städtetag an den bereits bestehenden Regelwerken von 23 Städten orientiert. Da die Benennung von Straßen Sache der Städte und Gemeinden selbst ist, kann es keine bundesweiten Vorgaben geben – mit der standardisierten Handreichung kommen wir einer nachvollziehbaren Benennung aber ein Stück näher. 

Von der Mohrenstraße zur Anton-Wilhelm-Amo-Straße:
Wann werden Straßen umbenannt?  

In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Städte und Gemeinden dazu entschlossen, bestehende Straßen umzubenennen. Manchmal geschah das aus eigenem Antrieb, an anderen Stellen musste die Zivilgesellschaft mit anschieben – zum Beispiel in Berlin. Nach einem jahrelangen Streit trägt die ehemalige „Mohrenstraße“ seit vergangenen Samstag (23. August 2025) den Namen „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“.

Der Deutsche Städtetag sagt zur Umbenennung einer Straße: 

Straßenumbenennungen sind grundsätzlich möglich, wenn sich ein verändertes Geschichtsbild oder neue Erkenntnisse hinsichtlich historischer Personen, Ereignisse oder Orte ergeben hat. Dies wird beispielsweise durch die Arbeit einer Expertenkommission oder neuer Erkenntnisse aus der Forschung belegt, die gravierende Verstöße von benannten Personen, Organisationen und Einrichtungen gegen das Grundgesetz, die Menschenrechte und die Menschenwürde nachweisen.

Deutscher Städtetag in der Handreichung „Straßennamen im Fokus einer veränderten Wertediskussion“

Mögliche Gründe für die Umbenennung von einer Straße oder einem Platz können daher sein:

Ideologischer Wechsel

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden großflächig Straßen umbenannt, die vorher nach Persönlichkeiten der NSDAP oder aus dem Umfeld Adolf Hitlers benannt waren. In der DDR wurden sie oft durch Friedrich-Engels-Straßen, Karl-Marx-Straßen, Leninstraßen, Ernst-Thälmann-Straßen, Karl-Liebknecht-Straßen oder Rosa-Luxemburg-Straßen ersetzt; also Namen verstorbener Persönlichkeiten aus sozialistischen Kontexten. Außerdem benannten viele Städte in der DDR Straßen nach dem Muster „Straße (mit Genitiv)“, zum Beispiel „Straße des Aufbaus“ oder „Straße des Friedens“, „Straße der Nationen“ oder „Straße der deutsch-sowjetischen Freundschaft“. 

Nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er-Jahre folgten deutschlandweit Straßenum- und -rückbenennungen. Dabei wurden vor allem Straßennamen geändert, die realsozialistischen Politikern gewidmet waren, wie Otto-Grotewohl-Straße oder Leninallee. Die Namen sozialistischer Theoretiker wie Karl Marx, Friedrich Engels, Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg, die es mitunter auch in westdeutschen Städten gab, wurden vielerorts belassen.

Rassistische Straßennamen

Das Beispiel der „Mohrenstraße“ in Berlin zeigt, dass rassistische Bezeichnungen oder Bezüge noch immer in Straßennamen vorkommen. Das Wort „Mohr“ wird heute als diskriminierend und rassistisch verstanden und führt daher zu Umbenennung. 

In anderen Städten gibt es Straßen, die nach relevanten Personen aus der Kolonialzeit Deutschlands, kriegerischen Erinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg oder aus dem Nationalsozialismus benannt sind. Meistens geht es bei diesen Diskussionen um die Frage, ob die Person aktiv Unrecht unterstützt hat. Die Werte, die diese Menschen vertreten haben, sind für viele nicht mehr vereinbar mit den Werten der Demokratie.

Für mehr Vielfalt und Gleichberechtigung

Manche Städte machen sich bereits zur Vorgabe, bei der Benennung von Straßen nach Personen die Namen von Frauen vorzuziehen. Münster in Nordrhein-Westfalen geht hier mit gutem Beispiel voran und versucht die Gleichberechtigung in der Namensverteilung zu fördern. In den 30 größten Städten Europas sind 91 Prozent der nach Personen benannten Straßen Männern gewidmet. In Münster sind seit 1970 immerhin 70 Straßenbenennungen nach weiblichen Persönlichkeiten hinzugekommen, aber mindestens doppelt so viele männliche Ehrungen. Vorher gab es nur 11 Straßen, die nach Frauen benannt waren – aber 316, welche die Namen von Männern trugen. Auch die Petition aus Gießen hat zum Ziel, für mehr Gleichstellung zu sorgen. 

Sichtbarkeit und Wertschätzung: Mit Straßennamen Geschichte (um)schreiben

Ehrungen in Straßennamen gibt es häufig mit Bezug auf einzelne Personen. Auch hier ist die Umbenennung der „Mohrenstraße“ in Berlin ein Beispiel: Die Straße heißt jetzt „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“. Anton Wilhelm Amo ist 1703 geboren und war der erste Philosoph afrikanischer Herkunft, der an den Universitäten Wittenberg, Halle und Jena lehrte. Amo gilt als ein Vordenker des Antirassismus. 

Neben Persönlichkeiten ehren Straßen und Plätze oft auch Ereignisse, Personengruppen oder Bewegungen. Ein Beispiel aus München: Von 1933 bis 2006 gab es dort die „Von-Trotha-Straße“, benannt nach dem preußischen General Lothar von Trotha. Er war ein Hauptverantwortlicher am Völkermord an den Herero. Im Juli 2006 beschloss der Münchner Stadtrat, die Straße in Hererostraße umzubenennen.


Gibt es in Deiner Stadt auch eine Straße, die unbedingt umbenannt werden sollte? Dann versammle doch die Bürger*innen Deiner Stadt hinter Dir – mit einer Petition auf WeAct. 

Mit WeAct startest Du Deine Petition in wenigen Schritten. Langjährige Erfahrung, Expertise rund um Strategie, Kommunikation und Aktionsplanung: Erfahrene Campaigner*innen teilen ihr Wissen mit Dir und unterstützen Dich dabei, Deine Petition zum Erfolg zu bringen. 

Ganz wichtig: WeAct hat keinen Platz für Rechtspopulist*innen oder andere Demokratiefeinde. Wir unterstützen Petitionen, die sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt voranbringen. Reichweite und Beratung kann man bei WeAct nicht kaufen – wir setzen uns aus Überzeugung für Deine Petition ein!

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