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Der schwarz-gelbe Ausstiegs-Schwindel

Man stelle sich vor, die Bundesregierung würde beschließen, die Steuern ab dem 31.12.2021 zu senken. Würde das jemand ernst nehmen? Wohl kaum, es wäre eine Lachnummer. Denn bis dahin vergehen noch über zehn Jahre. Doch genau das hat die Bundesregierung in der Atompolitik beschlossen: Bis zum 31.12.2021 soll kein weiteres Atomkraftwerk abgeschaltet werden, dann aber angeblich gleich neun auf einmal. Wer`s glaubt...

Man stelle sich vor, die Bundesregierung würde beschließen, die Steuern ab dem 31.12.2021 zu senken. Würde das jemand ernst nehmen? Wohl kaum, es wäre eine Lachnummer. Denn bis dahin vergehen noch über zehn Jahre. Doch genau das hat die Bundesregierung in der Atompolitik beschlossen: Bis zum 31.12.2021 soll kein weiteres Atomkraftwerk abgeschaltet werden, dann aber angeblich gleich neun auf einmal. Wer`s glaubt… „Zehn Jahre können in der Politik ein ganzes Zeitalter sein. Oder erinnert sich noch jemand daran, was vor zehn Jahren in der Gesundheitspolitik diskutiert und beschlossen wurde? 2021 wird es nicht mehr relevant sein, was irgendeine Kanzlerin ein Jahrzehnt zuvor kurz nach der japanischen Reaktorkatastrophe gesagt hat. Da zählen viel stärker aktuelle Stimmungen und parteitaktische Vorteile“, sagt der Sprecher unserer Partnerorganisation .ausgestrahlt, Jochen Stay. Und genau darauf scheinen die Atomlobby und ihre Komplizen in der schwarz-gelben Koalition zu setzen: Sie hoffen, dass sich bis 2021 die politische Stimmung wieder dreht und sie ihre Atomkraftwerke dann doch noch länger weiter betreiben können. Die Bevölkerung soll für dumm verkauft werden.

Dabei sah der schwarz-gelbe Atombeschluss auf den ersten Blick wie ein Triumph der Bürgerinnen und Bürger über die Atomlobby aus: Die sieben ältesten Schrottreaktoren und der Pannenreaktor in Krümmel werden endlich stillgelegt. Und die erst vor sieben Monaten von der schwarz-gelben Koalition durchgeboxten Laufzeitverlängerungen wurden wieder rückgängig gemacht. Dass die acht Schrottreaktoren nicht wieder ans Netz gehen sollen ist wirklich ein großer Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung, den vor wenigen Monaten noch kaum jemand für möglich gehalten hätte. Das haben wir gemeinsam erreicht und darauf können wir stolz sein! Allerdings gibt es auch hier ein Hintertürchen: Einer der Reaktoren soll nicht endgültig stillgelegt werden, sondern in die sogenannte Kraftwerks-Kaltreserve übernomen werden – ein Vorschlag der schon rein technisch überhaupt keinen Sinn ergibt, wie Reaktorexperten sagen.

Doch im Hinblick auf die übrigen neun Reaktoren ist der schwarz-gelbe Beschluss eine Katastrophe: Vom „schnellst-möglichen Atomausstieg“, den die Kanzlerin nach Fukushima versprochen hatte, ist der schwarz-gelbe Atombeschluss weit entfernt. Selbst Regierungsberater halten einen Atomaustieg schon bis 2015 für machbar. Bis 2022 sollen neun Atomkraftwerke durchlaufen. Jeder dieser Reaktoren ist eine tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen oder Ziel eines Terroranschlages werden kann. Abermals wird die Sicherheit der Bevölkerung Konzernprofiten geopfert. Doch das Schlimmste an dem schwarz-gelben „Ausstieg“ ist nicht, dass er zu langsam ist – sondern, dass er wahrscheinlich gar nicht stattfinden wird. Das liegt am Kleingedruckten des Beschlusses: Die Regierung räumt nämlich den Atomkonzernen die uneingeschränkte Möglichkeit ein, von bereits stillgelegten Reaktoren Strommengen auf die laufenden Atommeiler zu übertragen. Das führt dazu, das bis zum 31.12.2021 kein einziges weiteres Atomkraftwerk vom Netz gehen muss. Zehn Jahre lang soll also Stillstand beim Atomausstieg herrschen. In der Zwischenzeit verstopfen die Atomkraftwerke mit ihrer unflexiblen Stromerzeugung die Stromnetze und verhindern so den Aufbau von alternativen Kraftwerkskapazitäten. Demnächst im Buchhandel: Abschalten! Alles was Sie über den Atomausstieg wissen müssen Der schwarz-gelbe Beschluss ist „energiewirtschaftlich unsinnig, da sie einen kontinuierlichen Umbau der Energieversorgung erschwert, statt ihn zu befo?rdern“, analysiert die Deutsche Umwelthilfe. Es wäre viel einfacher, jedes Jahr zwei Atomkraftwerke abzuschalten und zu ersetzen, als bis 2021 damit zu warten und auf einen Streich gleich neun Reaktoren stillzulegen. Und damit die Atomkonzerne dazu einzuladen, die Energiewende zu sabottieren und in zehn Jahren erneut eine Debatte über Laufzeitverlängerungen zu beginnen. Doch leider scheinen viele Journalisten auf den schwarz-gelben Ausstiegs-Schwindel herein zu fallen. Schreiben Sie deshalb einen Leserbrief an ihre Tageszeitung und machen darauf aufmerksam, wie uns die Bundesregierung hinters Licht führen will. Und verbreiten Sie unsere Online-Aktion „Atomrisiko bis 2022 – Nicht mit uns!“ weiter. Haben Sie denn schon unterschrieben? Kündigen Sie ihren Protest ab. Frau Merkel muss wissen, dass sie den Konflikt um die Atomkraft mit Tricksereien nicht befrieden kann. Das wird sie spätestens diesen Herbst erleben, wenn wieder Castoren nach Gorleben rollen. Mehr rund um das Thema Atomausstieg erfahren Sie in dem Buch „Abschalten! Warum mit der Atomkraft Schluss sein muss und was wir alle dafür tun können“. Es erscheint am 8. Juni im Fischer-Verlag als Taschenbuch und als E-Book.

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

8 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Die Frage darf nicht lauten, wie der vorhandene Energiebedarf ohne Kernkraft mit Alternativen gedeckt werden kann.

    Es müsste umgekehrt der Energie-Bedarf so weit reduziert werden, wie saubere Alternativenergie jeweils überhaupt zur Verfügung steht.

    Aber seht euch um, wer überhaupt bereit ist, seinen Lebensstil zu ändern und und auf liebgewordene Energieverbraucher zu verzichten. Sehr viele Anti-Atom-Demonstranten sind da leider nicht
    besser als die Atomkraftbefürworter.

  2. Die Regierung ist nach ihrem Amtseid verpflichtet, Politik zum Wohl der Allgemeinheit zu gestalten. Wenn sie dazu nicht bereit ist und nur sich den Konzerninteressen beugt, verstößt sie für mein Verständnis gegen die Verfassung. Als unsere Volksvertreter haben sie unsere Interessen zu wahren. Geschieht das nicht hilft nur der Klageweg um die Regierung zur Vernunft zu bringen.
    Die Öffentlichkeit wird regelrecht hinters Licht geführt und die Medien, ob Funk, Fernsehen oder Presse, tragen fast nichts zur Information bei. Es wird fast nur noch zitiert und kaum mehr recherchiert.

  3. Wechsel ja! … Aber auch der schafft nicht automatisch eine Atomfreie Welt. Auch wenn Abertausende nun das Denken anfangen und auf einen Schlag zu Naturstrom und Co wechseln, das Problem ist, daß es derzeit noch gar nicht genügend regenerative Kapazitäten gibt und dadurch sogar schon die Preise steigen. … Also nicht dem Trugschluß unterliegen Wechsel ist so einfach!

    Und genau darum sollte es hier gehen! … Ich denke nicht, daß wir uns darauf beschränken sollten allein nach Kungelei und Verdummung im SchwarzGelben Ausstieg zu suchen. Warum thematisieren wir in der Öffentlichkeit nicht mehr den besseren Weg, und machen darüber mehr Druck in Punkto Kapazitäts- & Netzausbau. Benennen wir offen die Probleme und fordern deutlich eine Nachbesserung. Zumindest würde uns dies nicht so ins Abseits stellen wie einfach nur „dagegen“ zu schreien!

    Auch die Frage der Endlagerung wird hier meist nur in Form von „Dagegen“ diskutiert. Nur – mal nüchtern betrachtet – werden wir da aber leider alle nicht drum rum kommen! … Besser als eine alleinige Festlegung auf Gorleben können wir’s trotzdem machen. Also sein wir aktiver in unserer Forderung nach einer Bundesweiten Suche oder eben technischen Alternativen.

    Ich finde einfach, den größten Fehler den die Antiatombewegung jetzt machen kann – jetzt wo unverkennbar doch ein gewisser Druck auf den Entscheidenden lastet – ist, sich allein weiter auf den Protest zu beschränken. Ich denke wir sind hier weiter und können durchaus Alternativen auch zu Ende denken. Was fehlt ist diese transparent für alle zugänglich zu machen und damit die unverkennbaren Fehler im Konzept der SchwarzGelben Regierung zu entlarven. Auch würde ich hier nicht immer nur Kungelei vermuten! Vielleicht ist es auch einfach nur Unfähigkeit.

    Also laßt uns die Sache konstruktiv angehen und die Losung „Abschalten“, durch die Losung „Energiewende wir zeigen Euch wie’s richtig geht“ ergänzen! Denn: … Es braucht weniger Energie einen Wagen der am Rollen ist in Schwung zu halten, als einen stehenden Wagen zum Rollen zu bringen! … Letzteres war Fukushima, für Ersteres langt unsere Stimme.

  4. Der BESTE und vor allem SOFORT WIRKENDE PROTEST ist der WECHSEL ! ! ! – der STOPPT wirklich SOFORT ! ! !

    Ja und genau das haben wir auch endlich getan; gewechselt. Ab gestern haben wir Strom von NATURSTROM.de, garantiert AKW-FREI und ein paar Cent je KW/h gehen eben da auch noch in die Förderung ERNEUERBARER ENERGIE!!!

    – und, die AKW-BETREIBER bekommen KEINEN EINZIGEN CENT MEHR, dass merken die und nur dass, denn alles andere perlt denen doch an ihrem dicken Fell ab…

  5. Rot-Grün darf diesem Betrugsversuch auf keinen Fall zustimmen.
    Merkels Laufzeit endet spätestens im Oktober 2013 und dann muß eine andere Regierung einen echten Atomausstieg realisieren.

  6. 1957 Majak – 1986 Tschernobyl – 2011 Fukushima – ???? WIR ??? –

    Nicht mit uns, wir lassen uns das nicht gefallen. Schafft diese unlautere, verlogene und betrügerische Regierung ab…

    2022 ist nicht akzeptabel…

  7. Nicht nur beim Thema ‚Atom‘, aber hier gerade augenfällig zeigt sich, dass die Regierung null Orientierung besitzt.
    Getrieben mal von der Angst, Wähler zu verlieren, mal von einer überstarken Lobby, von neoliberalen Hirngespinsten, aber nie vom Willen, für das Land uns seine Bürger verantwortlich zu handeln.

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