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Sozialer Fortschritt: Das sagen die Parteien

Globalisierung und Digitalisierung erhöhen den Druck auf Arbeit und Leben. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir eine soziale Absicherung ausbauen, die allen ein gutes Leben ermöglicht. Lies hier die Positionen der Parteien dazu.

Demonstranten in Berlin / Foto: Chris Grodotzki / Campact e.V. [CC BY-ND 2.0]
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Beim Aufbruch 2017 haben über 75.000 Campact-Aktive darüber abgestimmt, welche Herausforderungen eine neue Bundesregierung dringend angehen muss. Das Ergebnis: 10 Forderungen für sozialen, demokratischen und ökologischen Fortschritt. Auf diese Punkte haben wir die Wahlprogramme der Parteien abgeklopft.

Forderung 1: Gesundheitssystem nachhaltig und gerecht gestalten

Wer zum Arzt geht, macht immer wieder die Erfahrung: In Deutschland herrscht eine Zwei-Klassen-Medizin. Während Kassenpatienten lange auf einen Termin beim Spezialisten warten müssen, werden Privatversicherte mit sehr kostspieligen Verfahren behandelt – auch wenn diese unnötig sind.

Wir brauchen stattdessen eine Krankenversicherung, die den Menschen gleichberechtigten Zugang zur jeweils bestmöglichen Versorgung gewährt. Wir brauchen die besten Ärztinnen und Ärzte für die schwierigsten Fälle. Und wir brauchen eine tragfähige und solidarische Finanzierung für das Gesundheitssystem, in der nicht Junge und Gesunde in privaten Kassen geringe Beiträge zahlen, während gesetzlich Versicherte auch die Kosten für Kranke, Rentner und sozial Schwache schultern.

Ziel einer fairen Versorgung muss eine umfassende Bürgerversicherung sein – dafür spricht sich mittlerweile auch eine Mehrheit der Bevölkerung aus. Statt private und gesetzliche Versicherung zu trennen, zahlen alle Versicherten in die gesetzliche Krankenkasse ein, ohne Beitragsbemessungsgrenze, und unter Einbeziehung aller Einkommensarten. So werden die Kosten des Gesundheitssystems solidarisch verteilt, und alle erhalten verlässlich gute medizinische Versorgung – auch im Alter. Eine gemeinsame Versicherung würde gewährleisten, dass auch Besserverdienende und Beamte, die derzeit privat versichert sind, ein Interesse daran haben, dass es eine gute Versorgung für alle gibt. Denn alle zahlen in dasselbe System ein.

Eine Bürgerversicherung wird von verschiedenen Akteuren gefordert, darunter ver.di – deren exemplarische Position kannst Du hier nachlesen.

So stehen die Parteien zur Bürgerversicherung

Die SPD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zur Bürgerversicherung: “Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger auf die gleiche Weise versichern” (S. 40). Dazu strebt sie eine paritätische Finanzierung der Beiträge durch Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer an. Derzeit zahlen Arbeitgeber wie Arbeitnehmerinnen 7,3 Prozent des Bruttolohns als Beitrag, Arbeitnehmer bringen aber durch den Zusatzbeitrag mehr der Versicherungskosten auf. Die SPD will alle gesetzlich Versicherten sowie Beamte und Beamtinnen automatisch in die Bürgerversicherung aufnehmen. Privat Versicherte sollen wählen können, ob sie in die Bürgervericherung wechseln.

Linke und Grüne fordern ebenfalls die Bürgerversicherung und stellen außerdem die Abschaffung der privaten Krankenkassen als alternative Versicherung in Aussicht. Für die Finanzierung sollen außerdem auch Einkünfte aus Kapitalerträgen herangezogen werden, wobei die Grünen Freibeträge für Zinseinkünfte einrichten wollen (Wahlprogramm, S. 207). Die Linke spricht sich außerdem explizit für die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze aus und ruft als Prinzip aus: “Alle zahlen ein, damit es für alle besser und bezahlbar wird” (Wahlprogramm, S. 30).

Die FDP hingegen lehnt die Bürgerversicherung als “staatlich organisierte und rationierte Zuteilungsmedizin” (Wahlprogramm, S. 86) ab und setzt sich für mehr Wettbewerb zwischen den Kassen ein. Auch die Union will das bestehende System fortführen, das sich ihrer Ansicht nach bewährt hat – “Die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung lehnen wir ab” (Wahlprogramm, S. 38).  In ihrem “Bayernplan” gibt die CSU zwar an, der “Zwei- oder Mehrklassenmedizin” (S. 22) eine Absage erteilen zu wollen, spricht sich aber ebenfalls gegen eine Bürgerversicherung aus.

Die AfD äußert sich gar nicht zur Bürgerversicherung, will allenfalls die paritätischen Versicherungszahlungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer erreichen. Das Thema Gesundheit wird von ihr allerdings als Sprungbrett für Kritik an anderen Politikfeldern benutzt: ”Die von den Kassen zu tragenden Kosten für Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber laufen aus dem Ruder und durch die verfehlte Zinspolitik der europäischen Zentralbank können die kapitalgedeckten privaten Krankenversicherungen keine ausreichenden Rücklagen mehr bilden” (Wahlprogramm, S. 60). Implizit scheint die AfD sich hier zumindest für ein Fortbestehen der privaten Krankenversicherungen auszusprechen. Geflüchtete und Asylsuchende sind allerdings nicht Ursache der steigenden Kosten der gesetzlichen Kassen, sie verstärken nur das Problem, dass Gelder für die Versorgung sozial schwacher Versicherter fehlen. Eine politische Lösung für eine tragfähige und faire Gesundheitsversorgung bleibt die AfD schuldig.

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Forderung 2: Eine auskömmliche Rente einführen

Die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft zeigt die Schwachstellen unseres Rentensystems, in dem immer weniger junge Menschen für die Rente der Älteren zahlen. Zugleich sind immer mehr Geringverdiener/innen, Alleinerziehende oder Teilzeitbeschäftigte von Altersarmut bedroht.

Die neue Bundesregierung muss auf dieses Problem reagieren. Es braucht eine auskömmliche Mindestrente, finanziert auch durch Steuergelder. Außerdem müssen alle Einkommensarten – auch Selbstständige, Beamte und Manager/innen – in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das entlastet die junge Generation – und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch die Obergrenze für hohe Einkommen muss abgeschafft werden, um die Kosten für eine funktionierende Alterssicherung fair zu verteilen.

Wie viele andere Akteure fordert zum Beispiel der Sozialverband Deutschland eine Weiterentwicklung der Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Das Positionspapier dazu findest Du hier.

Das sagen die Parteien zur Rente

Umfassenden Reformbedarf beim Thema Rente sieht Die Linke, die eine generelle Erwerbstätigenversicherung anstrebt: “Auch Politikerinnen und Politiker, Selbstständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler, Beamtinnen und Beamte und Managerinnen und Manager sollen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen” (Wahlprogramm, S. 22). Außerdem sollen Zeiten der Erwerbslosigkeit, Erziehung und Pflege besser abgesichert werden, um Altersarmut zu verhindern. Die Linke will außerdem statt der Förderung privater Vorsorge (Riester-Rente) die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöhen und so das allgemeine Rentenniveau auf 53 Prozent des Einkommens erhöhen.

Auch die SPD geht in ihrem Wahlprogramm ausführlich auf das Thema Rente ein: So soll das Rentenniveau bis 2030 auf dem heutigen Stand von etwa 48 Prozent stabilisiert werden, der Beitragssatz nicht über 22 Prozent steigen. Perspektivisch gilt: “Das Rentensystem muss ab Mitte der 20er Jahre für eine Übergangszeit durch zusätzliche Steuermittel und eine Verbreiterung der Versichertenbasis stabilisiert werden” (S. 44). Die SPD strebt langfristig eine Erwerbstätigenversicherung an und plant zunächst, Selbständige verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung aufzunehmen. Für Menschen, die 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben oder Pflege- oder Betreuungszeiten gelten machen können, soll eine auskömmliche Solidarrente sichergestellt werden.

Die Grünen streben ebenfalls eine Rentenversicherung an, in die alle Erwerbstätigen einzahlen – als ersten Schritt wollen sie “Abgeordnete, Minijobber*innen und bisher nicht abgesicherte Selbständige” (Wahlprogramm S. 207) einbeziehen. Ebenso wie die SPD wollen die Grünen für langjährige Einzahler bzw. Menschen, die Zeit für Betreuung oder Pflege aufgewandt haben, eine Garantierente und wollen ein Absinken der Renten unter das heutige Niveau vermeiden. Dazu stellen sie auch eine Unterstützung durch Steuergelder in Aussicht.

Auch die FDP hat ein klares Rentenkonzept: Sie setzt auf die Kombination aus gesetzlicher und privater Vorsorge und will Anreize für die private Altersvorsorge verstärken, etwa indem diese nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird. Der Leistungsgedanke steht klar im Vordergrund: “Wer sich anstrengt und vorsorgt, muss ein Alterseinkommen über Grundsicherungsniveau haben. Und er muss mehr haben als derjenige, der nicht vorgesorgt hat” (Wahlprogramm, S. 67).

Die Union hingegen verweist beim Thema Rente auf eine Kommission, die nach der Wahl eingesetzt werden und bis Ende 2019 Vorschläge für die Zukunft der Rente ab 2030 entwickeln soll. Sollte die Kommission bei der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge bereits vorher Handlungsbedarf sehen, “werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen” (Wahlprogramm, S. 43).

Die AfD verzichtet ebenfalls auf konkrete Vorschläge zur Rente, will allerdings die Rente mit Steuerzahlungen stützen und betont die Bedeutung betrieblicher und privater Altersvorsorge. Da letztere unter der Niedrigzinspolitik der EZB leide, solle “Deutschland aus der Eurozone austreten, sofern nicht unverzüglich Änderungen in die Tat umgesetzt werden” (Wahlprogramm, S. 57).

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Forderung 3: Den Bahnverkehr attraktiver machen

Diesel-Skandal, Pendlerstaus, Klimaschäden: Welche Weichen stellt die neue Bundesregierung für Verkehr und Infrastruktur? Die Große Koalition setzt bisher auf noch mehr Auto- und Lkw-Verkehr: Mit neuartigen Riesen-Lastwagen („Gigaliner“) und dem (Aus-)Bau von Straßen macht sie das Autofahren und den LKW-Verkehr immer attraktiver. Stattdessen müsste die Bundesregierung den Schienenverkehr konsequent ausbauen.

Um die Bahn attraktiver zu machen, braucht es mehr als ein paar prestigeträchtige Hochgeschwindigkeitsstrecken: Eine flächendeckende Grundversorgung würde viel mehr Menschen zu­gu­te­kom­men. Gerade abseits der Metropolen ist das öffentliche Verkehrsnetz häufig schwach: Wenn nur zweimal am Tag ein Bus zum Bahnhof fährt, braucht man Ende doch wieder ein Auto. Investitionen müssen in Dörfer, Kleinstädte und Gemeinden fließen und nicht in einzelne Großprojekte wie Stuttgart 21. Es braucht umfassende Investitionen in Bus und Bahn und verbindliche Zielvorgaben, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Alle mittelgroßen Städte brauchen guten Anschluss an den Nah- und Fernverkehr. Engpässe und Nadelöhre im Netz müssen beseitigt werden. LKW, Fernbus und Flugzeug dürfen nicht länger unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Bahnverkehr genießen.

Weitere Informationen und konkrete Vorschläge für mehr Schienenverkehr findest Du auch auf den Seiten des Verkehrsclub Deutschland (VCD).

So wollen die Parteien die Weichen stellen

Die Grünen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm für eine umfassende Verkehrswende aus, die umweltfreundliche Verkehrsmittel fördert – insbesondere den Bahnverkehr. Die Anzahl der Fahrgäste soll verdoppelt werden, die Elektrifizierung aller Strecken vorangetrieben werden, um Elektromobilität im Güterverkehr zu ermöglichen. Trassenentgelte für Personen- und Güterverkehr sollen sinken, parallel sollen durch eine Steuer auf Kerosin und eine LKW-Maut Wettbewerbsvorteile für Flug- und Straßenverkehr abgebaut werden (Wahlprogramm, S. 58). Auch den öffentlichen Nahverkehr und den Bahnverkehr im ländlichen Raum wollen die Grünen mit jährlich einer Milliarde Euro verbessern.

Auch die SPD will die Zahl der Bahnreisenden verdoppeln, bis 2030 soll dies durch einen “Schienenpakt von Politik und Wirtschaft” (Wahlprogramm, S. 59) erreicht werden. Um die Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem LKW-Verkehr zu verbessern, soll die Schienenmaut für den Personen- und Güterverkehr abgesenkt werden und die Binnenschifffahrt gefördert werden.

Die CDU äußert sich im Wahlprogramm hauptsächlich zur Modernisierung der Schieneninfrastruktur, auch kleinere Bahnstrecken sollen elektrifiziert werden (S. 20). Die Linke setzt sich ebenfalls für ein “Investitionsprogramm zur zügigen Elektrifizierung der bisher nur von Dieselfahrzeugen genutzten Bahnstrecken” (S. 87) ein. Außerdem betont die Partei, die Bahn müsse in öffentlicher Hand bleiben und eine gute Infrastrukturversorgung für alle Menschen sicherstellen.

Die FDP verspricht mehr Investitionen in die Infrastruktur, jedoch ohne einen Schwerpunkt auf Schienen- oder Straßenverkehr zu setzen. In Bezug auf den Schienenverkehr spricht sich das Wahlprogramm dafür aus, Betrieb und Netz zu trennen: Während die Netze in öffentlichem Besitz bleiben, sollen Betreibergesellschaften an die Börse gebracht werden (S. 48).

Wie die FDP will die AfD explizit lediglich die Bahninfrastruktur in öffentlicher Hand belassen, darüber hinaus lehnt die Partei eine “ideologisch geleitete Verkehrspolitik, die bestimmte Verkehrsmittel bevorzugt oder diskriminiert” (Wahlprogramm, S. 69) ab.

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Mehr Infos zur Bundestagswahl

Im Rahmen dieser Übersicht können wir nur kurz auf die jeweilige Position der Parteien eingehen. Wenn Du mehr wissen willst, findest Du alle Wahlprogramme hier.

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Autor*innen

Katrin Beushausen kam von der Bühne zur Politik: Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Pressereferentin und Dramaturgin, lehrte und promovierte zum Verhältnis von Theater und Öffentlichkeit. Sie organisierte kreativen Protest gegen Uni-Sparpläne und stritt bei 350.org gegen klimaschädliche Investitionen. Seit 2016 ist sie Campact Campaignerin. Alle Beiträge

1 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Btr: Die Bahn attraktiver machen
    DIe Bahn hat viele Strecken still gelegt vorallen in
    den Achtziger Jahren um an die Börse zu gehen einige Strecken
    sind in einen Desolaten zustand und müsten saniert werden
    es gab bei der Bahn ein mal Autoreisezüge und die rollende Landstraße
    beides ist von Bahn abgeschaft worden den Logistiker ist für den Transport
    der Wahre zu teuer die reaktivierung von still gelegten Strecken ist der Bahn
    zu aufwendig und zu teuer da muß man mir sagen wie es die Schweizer machen
    mehr Güter auf die Bahn zu bringen

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