LGBTQIA* Rechtsextremismus AfD Feminismus Bundestagswahl Montagslächeln Wahlen Digitalisierung Europa Demokratie

CETA: Roter Teppich für Klage-Konzerne

Diese Analyse geht dem gefährlichsten Kapitel im EU-Kanada-Abkommen CETA auf den Grund: Dem Investorenschutz. Ausländische Investoren bekommen damit das Privileg, Staaten vor privaten, konzernnahen Schiedsgerichten zu verklagen – und so demokratische Regelungen anzugreifen.

Diese Analyse geht dem gefährlichsten Kapitel im EU-Kanada-Abkommen CETA auf den Grund: Dem Investorenschutz. Ausländische Investoren bekommen damit das Privileg, Staaten vor privaten, konzernnahen Schiedsgerichten zu verklagen – und so demokratische Regelungen anzugreifen. Handels- und Investmentexperte Peter Fuchs von PowerShift e.V. und Annette Sawatzki von Campact erklären, warum auch Schönheitsreparaturen nichts an dieser Gefahr ändern.

Teilen
Teilen
E-Mail

Teilen
Teilen
E-Mail
Vom Kritiker zum Konzernschützer: Gabriel fällt um

Ende September sah es noch so aus, als würde Bundeswirtschaftsminister Gabriel sich im Konflikt zwischen Bürgern und Konzernen auf die Seite der Bürger stellen: Deutschland lehne Investorklage-Privilegien in den EU-Handelsabkommen mit Kanada und USA ab, ließ er verlautbaren. Doch schon beim Besuch der neuen EU-Handelskommissarin Malmström Mitte November in Berlin knickte Gabriel ein: Das gefährliche Investorklage-System ISDS werde man wohl nicht mehr aus dem CETA-Vertragstext herausbekommen. Letzte Woche im Bundestag legte er in gewohnt polternder Manier einen drauf und bezichtigte Gegner der Konzern-Privatjustiz der „nationalen Bauchnabelschau“. Gabriels Kniefall freut EU-Kommission und Konzern-Lobbys, während es SPD und Gewerkschaften auf die Barrikaden treiben sollte. Denn Gabriel setzt sich ohne mit der Wimper zu zucken über die „roten Linien“ hinweg, die er selbst gemeinsam mit dem DGB formuliert hat  und zu deren Einhaltung ihn obendrein ein Beschluss des SPD-Parteikonvents verpflichtet.

Doch das letzte Wort ist längst nicht gesprochen. Es ist zwar nichts Neues, wenn Regierungsmitglieder ihre Versprechen oder Parteibeschlüsse beiseite schieben. Doch von einer Einigung bei TTIP oder einer Ratifizierung des CETA-Textes ist man weit entfernt – und der europaweite Widerstand gegen TTIP und CETA wird immer stärker. Die Parlamente in Frankreich, Österreich und den Niederlanden haben bereits beschlossen, die Investorklage-Privilegien abzulehnen. Wenn Brüssel und Berlin diese nun durch kosmetische Änderungen zu retten und ihr Gesicht zu wahren versuchen, dürfte das schief gehen: Die im CETA-Investorenschutz steckenden Gefahren für Demokratie und Rechtsstaat lassen sich durch derlei Schönheitsreparaturen jedenfalls nicht entschärfen.

In der ersten Analyse des Kapitels wurde deutlich: Die Grundfragen zur Notwendigkeit des Investorenschutzes wurden nie beantwortet. Die eigentliche Funktion der Investitionsschutzkapitel ist die Eindämmung von Politik und Demokratie. Und hinsichtlich der Details der Vertragsinhalte gingen die Probleme schon bei den sehr weit gefassten Definitionen von Begriffen wie „Investitionen“ und „Investoren“ los. Weitere Probleme sind:

2. Roter Teppich für klagefreudige Investoren: Der Schutzstandard „gerechte und billige Behandlung“

CETA verpflichtet die Vertragsländer im Artikel X.9 („Treatment of Investors and of Covered Investments“) zur Einhaltung des Schutzstandards der „gerechten und billigen Behandlung“ (Fair and Equitable Treatment, FET), und dies leider mit sehr investorenfreundlichen Formulierungen. Der FET-Standard ist der gefährlichste und wichtigste Investitionsschutzstandard. Er wird am häufigsten und erfolgreichsten eingesetzt, um staatliche Maßnahmen zur Regulierung im öffentlichen Sinne anzugreifen. Bemerkenswert ist, dass in CETA auf Druck der EU eine Formulierung des FET-Standards vorgenommen wurde, die über den nordamerikanischen Freihandelsvertrag NAFTA (USA, Kanada, Mexiko) hinausgeht. Unter Bezug auf die im NAFTA-Raum übliche Interpretation von „gerechten und billiger Behandlung“ hätte in CETA festgelegt werden können, dass man gegenüber Investoren das Völkergewohnheitsrecht hinsichtlich der Behandlung von Ausländern angewandt sehen will. Mit dieser Klarstellung versuchen die NAFTA-Staaten eine zu konzernfreundliche Interpretation des FET-Standards etwas einzuschränken – wenn auch nur mit begrenztem Erfolg, weil Schiedsrichter sich im Zweifel auch einfach über diese Vorgaben hinwegsetzen.
Die EU aber hat sich einer derartigen Formulierung verweigert – und stattdessen noch konzernfreundlichere Formulierungen zu FET direkt in den CETA-Vertrag hinein gekämpft: Es wird nun in CETA explizit Bezug auf ein von Investitionstribunalen entwickeltes, viel weitergehendes Verständnis des FET-Standards genommen. CETA ermuntert zukünftige Tribunale ausdrücklich dazu, sich bei der Feststellung einer möglichen Verletzung des FET-Standards auf die so genannten „legitimen Erwartungen“ von Investoren zu beruhen. Diese Formulierung verschiebt den Interpretationsraum des FET-Standards zugunsten der Investoren und stellt eine klare Gefahr für Regulierungs- und Verwaltungshandeln der Staaten dar.

3. FET in CETA – eine potenzielle „Schirm-Klausel“ durch die Hintertür

CETA beinhaltet keine explizite ‚Schirmklausel‘ (Umbrella Clause), wie sie häufig in Investitionsabkommen vorzufinden ist. Eine solche Schirmklausel sorgt dafür, dass sogar Vereinbarungen, die gar nicht im Investitionsvertrag selbst stehen, wie durch einen Regenschirm mit abgedeckt werden durch die Schutzpflichten des CETA-Textes und dann auch für ISDS-Klagen quasi in CETA hinein importiert werden können. Die EU wollte dies ursprünglich explizit in CETA verankern, scheiterte aber an Kanadas Ablehnung. Jedoch kann die in CETA besonders weitreichende Definition der ‚gerechten und billigen Behandlung‘ dazu führen, dass die ‚Schirmklausel‘ quasi durch die Hintertür in das Abkommen hinein interpretiert wird. Die FET-Klausel in CETA spricht nämlich von spezifischen Stellungnahmen oder Äußerungen der Regierungen, welche „legitimen Erwartungen“ von Investoren begründen und nicht mehr entschädigungsfrei rückgängig gemacht werden dürfen. Zu diesen „spezifischen Stellungnahmen“ dürften Schiedsgerichte auch vertragliche Verpflichtungen zwischen Gastgeberstaaten und Investoren zählen (etwa in Konzessionsverträgen, bei Bauvorhaben oder anderen Investor-Staat-Verträgen rund um eine große Investition). Derlei Verträge brauchen selbst gar nicht die Möglichkeit von Investor-Staat-Klageverfahren vorsehen. Sie können von ISDS-Tribunalen als ‚spezifische Stellungnahmen‘ der Staaten betrachtet werden, zu deren Einhaltung die FET-Klausel in CETA verpflichtet. So können beispielsweise Streitigkeiten über ein Bauvorhaben, die normalerweise von einem rechtsstaatlichen Gericht entschieden würden, in ein ISDS-Klageverfahren münden.
Hier liegt ein weiteres Beispiel vor, wie der CETA-Vertrag den ISDS-Schiedsrichtern eine enorme Macht gibt, die Sprache des Abkommens in „kreativer“ Weise zur Unterstützung von Unternehmensinteressen zu nutzen. Und es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie der CETA-Artikel X.9 über die schon investorenfreundlichen Regelungen des NAFTA-Abkommens hinausgeht.

4. Etwas mehr Transparenz – aber noch mehr Gefahren

Der CETA-Text zeigt überdies, dass die von der EU-Kommission oft gepriesenen „Reformen“ der Investor-Staat-Verfahren deren zentrale Schwächen keineswegs beseitigen. Insgesamt kann von einer wirksamen Reform des Investitionsschutz-Regimes keine Rede sein. Zwar soll die Transparenz der Verfahren entsprechend der neuen Transparenzregeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) verbessert werden: Anhörungen wären öffentlich, Dokumente zugänglich und Stellungnahmen Dritter möglich. Dokumente, die Geschäftsgeheimnisse berühren oder aus „logistischen Gründen“ vertraulich bleiben sollen, blieben jedoch weiter unter Verschluss – und die Entscheidung, was als vertraulich gelten soll, ist einzig und allein den Schiedstribunalen überlassen (vgl. Art. X.33 und X.34). Der bescheidenen Verbesserung stehen aber weiter eklatante Nachteile gegenüber. Insbesondere werden die viel substantielleren Probleme der Schiedsverfahren bezüglich fehlender richterlicher Unabhängigkeit, fehlender Balance zwischen Rechten und Pflichten der Konzerne sowie der mangelhaften prozeduraler Fairness (alle Betroffenen außer den Investoren sind außen vor) nicht adressiert.

5. Parallele Klagen weiter möglich

Auch parallele Klagen bleiben möglich, wie sie etwa der schwedische Energiekonzern Vattenfall nach dem deutschen Atomausstieg anstrengte. Nachdem die Bundesregierung die Novelle des Atomgesetzes beschloss, klagte das Unternehmen 2012 sowohl vor dem Bundes­verfassungsgericht als auch vor einem ICSID-Schiedsgericht in Washington. Die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe begründete Vattenfall damit, dass das novellierte Atomgesetz sein Eigentumsrecht verletze. Kurz zuvor hatte der Konzern bereits das ICSID-Schiedsverfahren initiiert, um seine Entschädigungsforderung von über 4,7 Milliarden Euro durchzusetzen.
Für derartige Verfahren zwischen europäischen oder kanadischen Investoren und Staaten untersagt der CETA-Vertrag lediglich, gleichzeitig vor einem Tribunal und einem ordentlichen Gericht in derselben Sache auf Entschädigung zu klagen (Artikel X.21.1(g)). Nicht ausgeschlossen ist es aber, vor einem ordentlichen Gericht eine Klage über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme anzustrengen und gleichzeitig vor einem ISDS-Tribunal auf Entschädigung zu klagen. Genau dies war das Vorgehen Vattenfalls. Dank CETA können künftig auch kanadische Investoren (oder die sich durch eine Niederlassung als solche qualifizieren) auf diese Art zweigleisig gegen deutsche und europäische Auflagen vorgehen.

6. (Kein) Recht auf Regulierung

Das „Recht zu regulieren“ (Right to Regulate) spielt in handels- und investitions­poli­tischen Debatten immer wieder eine große Rolle, da diese Verträge ja im Kern immer darauf abzielen, staatliches Regulierungsrecht (im Sinne von marktkorrigierender Politik) einzuschränken. Staatenvertreter legen sich in Handels- und Investitionsverträgen selbstgewählte Fesseln an, um fortan dem „freien“ Markt weitestgehend seinen Lauf zu lassen. Die stets entscheidende Frage ist, welchen Entscheidungsspielraum sie der Politik und dem demokratischen Souverän überhaupt noch übrig lassen.
In CETA wird das Recht souveräner Staaten zu regulieren keineswegs bestätigt oder gar gestärkt. Im Gegenteil, es wird untergraben, drei expliziter Erwähnungen zum Trotz. In der Präambel „anerkennen“ die Vertragsparteien zwar – sich quasi selbst lobend – dass CETA das Recht auf Regulie­rung bewahre („Anerkennend, dass die Bestimmungen dieses Abkommens das Recht zu regulieren erhalten…“). Doch hat die Präambel lediglich rhetorischen Wert, keine rechtliche Bindungskraft. Und die Kapitel zu Arbeit und Umwelt lassen den Staaten zwar das Regulierungsrecht gegenüber arbeits- und umweltpolitischen internationalen Vereinbarungen – allerdings eben genau nicht gegenüber den Verpflichtungen im CETA-Investitionskapitel. Konzernklagen gegen eine Besserstellung von Arbeitnehmer/innen, wie sie aus der Klage Veolias gegen eine Erhöhung des ägyptischen Mindestlohns bekannt sind, sind mit CETA möglich.
Im Umweltkapitel von CETA wird das Recht auf Regulierung noch deutlicher ausgehöhlt: Staatliche Regulierung soll nur im Einklang mit den multilateralen Umweltabkommen und (!) mit dem kompletten CETA-Abkommen selbst erlaubt sein („in a manner consistent with the multilateral environmental agreements to which they are a party and with this Agreement“). Das läuft auf eine erhebliche Einschränkung umweltpolitischer Gestaltungsspielräume hinaus. Diese dürfen nur noch im Einklang mit CETA genutzt werden – und nicht etwa wird umgekehrt CETA und vor allem der Investorenschutz abhängig gemacht von umweltpolitischen und umweltrechtlichen Erfordernissen.

7. Keine Berufungsinstanz

Ein weiterer Mangel der Schiedstribunale bleibt ebenfalls erhalten: Es gibt keinerlei Berufungsinstanz. CETA sieht lediglich vor, dass ein spezieller Ausschuss über die Frage einer Berufungsinstanz Konsultationen führen soll (Art X.42). Deren Ergebnis ist aber offen. Und wenn sich die EU und Kanada in fünf Jahre dauernden CETA-Verhandlungen nicht auf eine verbindliche ISDS-Berufungsregelung einigen konnten, warum sollte dies nach einem Inkrafttreten des Abkommens anders sein?

8. Keine Pflichten, nur Rechte – kein verpflichtender Gang zu nationalen Gerichten

Das CETA-Abkommen gewährt ausländischen Investoren zwar neue Rechte, allerdings enthält es keinerlei verbindliche Vorgaben oder Pflichten für Investoren, etwa hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung. Auch macht es den Rückgriff zunächst auf nationale (oder europäische) Gerichte bei der Lösung von Rechtsstreitigkeiten nicht zur Voraussetzung eventueller Schiedsverfahren.

9. Kanadas Ausnahmewunsch abgelehnt

Kanada hatte während der Verhandlungen auszuschließen versucht, dass Gerichtsentscheidungen über Rechte des geistigen Eigentums mit CETA Gegenstand von Investor-Staat-Klagen werden könnten. Dies vor dem Hintergrund einer laufenden ISDS-Klage des US-Pharmakonzerns Eli Lilly unter den NAFTA-Investitionsschutzregeln – Kanada wollte ähnliche zukünftige Fälle mit europäischen Investoren vermeiden. Allerdings verweigerte sich die EU diesem kanadischen Reformanliegen – es wurden lediglich recht weiche und voraussichtlich unwirksame Nebenabsprachen zum Abkommen getroffen. Die CETA-Wortwahl in der angehängten „Erklärung zum Investitionskapitel Artikel X.11 Absatz 6“ lässt viel Raum für Investitionsschiedsrichter, um sinngemäß zu sagen: „Wir sind zwar kein Berufungs­mechanismus für Gerichte und wir erlauben es den Ländern, ihre geistigen Eigentumsrechte so zu gestalten, wie sie es für richtig halten. Allerdings bleibt dies alles vorbehaltlich der spezifischen Verpflichtungen des CETA-Kapitels zum Investitionsschutz.“

10. Die Meistbegünstigungsklausel (MFN) – offen für Interpretationen

Meistbegünstigungsklauseln in Handelsverträgen sichern dem Vertragspartner dieselben Vorteile zu, die man bereits anderen Partnern gewährt hat. Die neue Sprachregelung im CETA-Text zur so genannten „most favored nation clause“ (MFN) stellt klar, dass materielle Verpflichtungen in anderen internationalen Verträgen der Vertragsparteien nicht automatisch als „Behandlung“ (treatment) zählen, die analog zu gewähren ist, sondern nur Maßnahmen, die ausdrücklich im Rahmen der Verpflichtungen dieser anderen Abkommen ergriffen worden sind. Diese für Laien sicherlich schwer verständliche Differenzierung ist grundsätzlich zu begrüßen, weil sie den automatischen „Import“ von Investitionsschutzstandards aus anderen Abkommen in CETA-Streitverfahren erschwert. Es bleibt aber abzuwarten, wie Schiedsrichter mit dem Begriff der „von einer Vertragspartei gemäß dieser Verpflichtungen getroffenen Maßnahmen“ (Artikel X.7.4) umgehen werden. Die Frage ist zum Beispiel: Was ist, wenn Deutschland im Vattenfall-Fall demnächst eine Entschädigungssumme zahlt, weil es möglicherweise aufgrund des Schutzstandards des Energiecharta-Vertrages zur indirekten Enteignung von einem Schiedsgericht dazu verurteilt wird? Muss Deutschland dann aufgrund der MFN-Klausel im CETA-Vertrag auch kanadischen Investoren das gleiche Schutzniveau bzw. die gleiche Behandlung anbieten, wie es dies aufgrund des Energiecharta-Vertrages gegenüber dem schwedischen Investor Vattenfall praktiziert hat? Dies würde im Streitfall – trotz modernisierter MFN-Klausel im CETA-Text – auf den Import eines substantiellen Schutzstandards (hier: dem zur indirekten Enteignung) aus einem anderen Vertrag (hier: dem Energiecharta-Vertrag) in das CETA-Abkommen hinaus laufen.

11. Unzuverlässig und unvollständig: Die CETA-Ausnahmeregelungen

Vorbehalte und Ausnahmen im CETA-Vertrag im Hinblick auf den Investitionsschutz bleiben komplex, fragmentarisch und an Auflagen gebunden, wie etwa dem Nachweis der „Notwendigkeit“ bestimmter staatlicher Maßnahmen, welche dann von den Schiedsgerichten beurteilt werden. Hinzu kommt, dass sich die CETA-Ausnahmeregelungen nicht auf zentrale materielle Investitionsschutz-Standards wie dem der „gerechten und billigen Behandlung“ beziehen.

12. Kein ISDS für Marktzugangsfragen – aber…

Der CETA-Vertrag sieht zwar nicht vor, dass Investoren auch gegen mögliche Einschränkungen des Marktzugangs per Investor-Staat-Schiedsverfahren vorgehen können (kein ISDS für „Pre-Establishment“). Allerdings bleiben die mit CETA erfolgenden, weitreichenden Marktöffnungen für ausländische Investoren immer noch vom Staat zu Staat-Streitschlichtungsmechanismus des Abkommens abgedeckt (Kap. 33 – Dispute Settlement). Auch dies stellt erhebliche Risiken für staatliche Politik dar, denn die Annahme bestimmter wirtschaftspolitischer, ökologischer oder sozialer Richtlinien kann von Investoren als Marktzugangshindernis gewertet und via Staat-zu-Staat-Klage angegriffen werden. Die CETA-Verpflichtungen in diesem Bereich übertreffen die bisher in der WTO vereinbarten Marktöffnungen und sollten daher nicht unterschätzt werden.

Demokratiebekämpfung als Geschäftsmodell

Wer das ISDS-System durchschauen will, kommt um die Studie „Profit durch Un-Recht“ nicht herum: Auf 80 Seiten durchleuchtet die lobbykritische Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) die globale Schiedsindustrie und zeigt, wie Konzerne, internationale Anwaltskanzleien und Prozessfinanzierer die Demokratiebekämpfung zum einträglichen Geschäft entwickelt haben. Download hier auf Deutsch und auf Englisch.

Eine Million Menschen haben sich schon der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative gegen CETA und TTIP angeschlossen.

Über Peter Fuchs


Peter Fuchs, Jahrgang 1964, Volkswirt & Sozialökonom, arbeitet zu internationaler Handels- & Investitionspolitik bei PowerShift e.V. in Berlin. Er ist Koordinator der deutschen NGO-„Arbeitsgruppe Handel“ unter dem Dach des Forum Umwelt & Entwicklung, hat das bundesweite Bündnis „TTIP-Unfairhandelbar“ mit aufgebaut und ist auf europäischer Ebene seit langem im Seattle to Brussels-Netzwerk aktiv.

TEILEN

Autor*innen

Annette Sawatzki, Jahrgang 1973, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Bonn, Berkeley und Hamburg. Sie arbeitete als Dokumentarin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Büroleiterin von Bundestagsabgeordneten. Ihre Schwerpunkte als Campaignerin bei Campact liegen in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Alle Beiträge Alle Beiträge

6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Danke für den umfangreichen und gut recherchierten Artikel.
    (Und schön zu sehen, dass ein Artikel mal endlich über die simplifizierte „Chlor-Huhn“-Debatte hinausgeht…)

  2. Meine Meinung zu diesem beängstigenden Thema : 1) CETA und TTIP sind in der bisherigen Form abzulehnen !! Es darf keine Parallel-Justiz geben, nicht nur in Deutschland sondern in komplett Europa ! 2) Wir müssen den Politikern die Kompetenz entziehen ( der Staat sind wir / Europa sind wir Europäer ), solche weitreichenden Entscheidungen ohne eine Volksabstimmung zu treffen. 3) Wir müssen bei den nächsten Wahlen noch verantwortungsvoller mit größtmöglicher Wahlbeteiligung wählen, sodas keine “ Wendehälse“ mehr in entscheidende Positionen kommen, die selbst dann wenn die Parteibasis sich dagegen ausspricht, Handels- abkommen wie CETA und TTIP abzuschliessen, noch zu keiner Entscheidung fähig sind, die der Demokratie und der Bevölkerung in Deutschland und Europa dienlich sind !!!

Auch interessant

CETA, Handel CETA: Ein erster Kompromiss von vielen Bürgerrechte, CETA, Demokratie, Handel CETA bleibt gefährlich CETA Erfolg in Bayern CETA Hessen-Wahl: Welche Partei will CETA stoppen? CETA So stoppt Bayern CETA CETA Bayern-Wahl: Welche Partei will CETA stoppen? TTIP Verdächtige Ruhe CETA Jamaika nur ohne CETA CETA, Demokratie, Handel CETA: Handelsabkommen tritt in Kraft CETA, Europa, Handel, JEFTA, TISA, TTIP Unsere Antwort an Frau Malmström