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Iran: Die letzte Chance der Diplomatie?

Nach Ablauf des UN-Ultimatum an den Iran, die Anreicherung von Uran auszusetzen, setzen die USA nach drei Monaten des Abwartens wieder auf eine Eskalation des Konflikts. Schon nächste Wochen wollen sie vom UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Teheraner Regime beschließen lassen. Doch die anderen Mitglieder der Sechsergruppe (die fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland), die das Vorgehen […]

Nach Ablauf des UN-Ultimatum an den Iran, die Anreicherung von Uran auszusetzen, setzen die USA nach drei Monaten des Abwartens wieder auf eine Eskalation des Konflikts. Schon nächste Wochen wollen sie vom UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Teheraner Regime beschließen lassen. Doch die anderen Mitglieder der Sechsergruppe (die fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland), die das Vorgehen bisher koordinieren, wollen bisher noch nicht recht mitziehen. Russland und China stehen Sanktionen bisher grundsätzlich ablehnend gegenüber. Die EU will weiter auf Diplomatie setzen und hat jetzt einen letzten Versuch unternommen, doch eine Einigung über die Aufnahme von Verhandlungen zu erzielen. Die Sechsergruppe hatte bisher hieran die Bedingung der Unterbrechung der Urananreicherung geküpft, während der Iran bisher Vorbedingungen für Verhandlungen ablehnt.

Gelingt es dem außenpolitischen Vertreter Javier Solana in den nächsten Tagen nicht, eine Einigung mit dem iranischen Chefunterhändler Ali Laridschani zu erzielen, droht der Konflikt auf eine neuerliche Eskalationsspirale zuzusteuern. Sollten Sanktionen keine Zustimmung im UN-Sicherheitsrat finden, wollen die USA erneut eine „Koalition der Willigen“ zusammenschnüren, vorerst „nur“ um Sanktionen durchzusetzen. Iranische Vermögenswerte könnten eingefroren und der Handel weiter eingeschränkt werden.

Es ist zu befürchten, dass mit Sanktionen ein weiterer Schritt weg von einer diplomatischen Lösung des Konflikts und hin zu einer militärischen Eskalation unternommen würde. „Ich glaube nicht, dass Sanktionen die Lösung zu allen Problemen sind“, ließ UN-Generalsekretär Kofi Annan letztens verlauten. Recht hat er. Denn ob Sanktionen etwas verändern oder eher kontraproduktiv wirken, hängt entscheidend von dem politischen und gesellschaftlichen Kontext des adressierten Landes ab.

Sind in einem Land relevante Kräfte vorhanden, die Sanktionen unterstützen und dies entsprechend artikulieren können – wie in Südafrika während der Apartheit – so können sie letztlich zum Erfolg führen. Ist dies nicht gegeben, so verstärken Sanktionen eher die Solidarisierung breiter Bevölkerungskreise mit der politischen Führung – wie in Jugoslawien, Irak und Afghanistan über Jahre zu besichtigen war. Für die tiefe soziale und wirtschaftliche Krise der eigenen Landes können andere Staaten verantwortlich gemacht und von der eigenen Unfähigkeit die Probleme des Landes zu lösen abgelenkt werden. Eine Wagenburgmentalität setzt ein, die zusammenschweißt und kritische Töne erst recht an den Rand drängt.

All dies ist schon in den letzten zwei Jahren durch die verfehlte Iranpolitik der USA und ihrer Verbündeten schon zu genüge geschehen. Die ständigen Kriegs- und Sanktionsdrohungen lassen den eigentlich farblosen und wenig begabten Aufsteiger Ahmadinedschad erstaunlich fest im Sattel sitzen. Die Moderaten und Reformer sehen sich hingegen in die Defensive gedrängt. Die Sicherheit Irans ist gefährdet, jetzt müssen wir zusammenstehen hinter unserem Präsidenten und dürfen ihn nicht mit Kritik in den Rücken fallen – das ist die Botschaft, die Ahmadinedschad stützt. Eine Botschaft, die sich angesichts von verhängten Sanktionen noch weit besser verkaufen ließe, weswegen Ahmadinedschad eine weitere Zuspitzung des Konflikts nur in die Hände spielt.

Doch auch über Sanktionen hinaus scheinen die USA mittlerweile auch vor einer militärischen Option nicht mehr so zurückzuschrecken wie noch vor drei Monaten, als sie einem überraschend großzügigen Verhandlungsangebot an den Iran zustimmten. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld brüstete sich bei einem Truppenbesuch damit, die USA könnten neben Irak und Afghanistan auch einen weiteren Krieg in der Region schultern. Ein UN-geführter Luftschlag gilt in Washington als nicht durchsetzbar, allerdings traut man sich wohl nicht nochmal an einen Alleingang wie im Irak-Krieg heran. Die USA scheinen hier im Fall der Fälle auf die Nato zu setzen.

Was bedeutet dies für die Campact-Kampagne „Kein-Irankrieg“? Nachdem in den letzten drei Monaten die Zeichen auf Deeskalation standen, müssen wir uns darauf einstellen, dass der Konflikt sich doch wieder zuspitzt. Deutschland spielt eine wichtige Rolle im Ringen um die nächsten Schritte der Sechsergruppe, genauso wie im Falle eines möglichen Nato-Einsatzes. Käme es zur Eskalation, würden wir in erster Linie versuchen, die Position der Bundesregierung hierzu zu beeinflussen. Doch noch ist die Diplomatie nicht am Ende und wir hoffen, dass sie Erfolg zeigt.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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