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Nebeneinkünfte: Schwache Verteidigung vor Verfassungsgericht durch Bundestagspräsident Lammert

Lammert: Neuregelung zu Politiker-Nebeneinkünften nicht gut, aber auch nicht verfassungswidrig. Im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgericht waren sich Kläger und Beklagte einig. Bei der Verhandlung über die Neuregelung der Politiker-Nebeneinkünfte am 11.10. in Karlsruhe zeigten sich beide Streitparteien davon überzeugt, dass der Beschluss der neuen Regeln für Abgeordnete ein Fehler gewesen sei. Bundestagspräsident Lammert brachte dies in […]

Lammert: Neuregelung zu Politiker-Nebeneinkünften nicht gut, aber auch nicht verfassungswidrig.

Im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgericht waren sich Kläger und Beklagte einig. Bei der Verhandlung über die Neuregelung der Politiker-Nebeneinkünfte am 11.10. in Karlsruhe zeigten sich beide Streitparteien davon überzeugt, dass der Beschluss der neuen Regeln für Abgeordnete ein Fehler gewesen sei. Bundestagspräsident Lammert brachte dies in seinem Eingangsstatement auf den Punkt. Es sei schon ein Problem, dass er bei der Verhandlung als Parlamentarier gegen das Gesetz gestimmt habe und nun – nach der Bundestagswahl – als Parlamentspräsident diese Regeln verteidigen müsse. In der Konsequenz zielte die gewählte Verteidigungsstrategie nicht darauf, die neuen Regeln in ihrer Substanz zu verteidigen. Vielmehr begründete Lammerts Bevollmächtigter Ulrich Battis schlicht, die Regeln seien nicht verfassungswidrig. Als Demokrat, so Lammert, müsse man als Minderheit auch den Beschluss schlechter Regeln durch die Mehrheit akzeptieren.

Die neuen Kläger von Union, FDP und SPD legten dagegen ausführlich da, wo und wie sie sich selbst von den neuen Regeln in ihren Grundrechten auf Berufsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung beschnitten sehen. Außerdem sei ihre verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit in Gefahr. Mit dem Gesetz würde der Bundestag zu einem Parlament aus Berufspolitikern.

Zeitweilig hatte man das Gefühl, dass nur einige Richter/innen des zweiten Senats selbst die Argumentation der Kläger mit kritischen Anfragen traktierte und in Zweifel zog. So stellte Richterin Gertrude Lübbe-Wolff fest, dass zur Zeit Selbständige und Freiberufler im Parlament so überrepräsentiert seien wie die Berufsgruppe der Lehrer. Sie fragte, woraus die Kläger schließen, dass der von ihnen befürchtete Rückgang der Mitgliedschaft ihrer Berufsgruppe, über eine Korrektur dieser Überrepräsentation hinaus ginge. Gleich zu Beginn hatte Berichterstatter Richter Bross in seinen einleitenden Worten Grundlagen der Argumentation der Kläger deutlich kritisch kommentiert.

Neben dem Bundestagspräsidenten hatte jede Bundestagsfraktion die Möglichkeit eine/n Vertreter/in nach Karlsruhe zu senden. Anwesend waren nur Mitglieder der CDU/CSU und der FDP Fraktion. Die Vertreter/innen von SPD, Linkspartei und Grünen fehlten. Abgeordnete von Linkspartei und Grünen hat Nebel auf dem Flughafen in Berlin die Anreise vermasselt. Die SPD hatte von vorne herein keine/n Teilnehmer/in gemeldet.

Der Ausgang der Verhandlung ist offen. Mit einer Entscheidung wird erst zum Jahreswechsel gerechnet. Bundestagspräsident Lammert beschrieb dem Gericht seine Hoffnung: Das Gericht solle die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes feststellen, gleichzeitig aber Änderungsvorschläge machen, durch die misslungene oder übertriebene Teile des Gesetzes korrigiert werden können. Dazu gehört, wenn man früheren Äußerungen des Bundestagspräsidenten glaubt, auch die Aufhebung der ungeliebten Veröffentlichungspflicht.

Was bedeutet das für uns? Wir müssen weiter für die Veröffentlichungspflicht streiten. Senatsmitglied Richter Di Fabio: Die Auffassung der Bürger/innen über die Rolle der Abgeordneten habe sich geändert. Man müsse sorgfältig prüfen, ob sich diese Veränderung nicht auch in der Rechtssprechung widerspiegeln sollte. Nach einer vom Nachrichtenmagazins Stern in Auftrag gegebenen repräsentativen Forsa-Umfrage sind 90% der Bürger/innen für eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte. Der offene Brief und die Aktion Karlsruhe hat mit dazu beigetragen, dass dies auch im Bewußtsein der Richterinnen und Richter ankommt. Wir sollten uns darauf einstellen, dass die Auseinandersetzung um die Politiker-Nebeneinkünfte in die nächste Runde geht.

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Autor*innen

Dr. Günter Metzges, Jahrgang 1971, ist Politikwissenschaftler und Erwachsenenpäda­goge. Mitgründer von Campact und lange Zeit Mitglied im geschäftsführenden Vorstand. Vorher: Gründung des Ökologischen Zentrums in Verden/Aller und Mitwirkung in verschiedenen politischen Kampagnen. 2000-2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale und Interkulturelle Studien (InIIS) an der Universität Bremen. Dissertation: „NGO-Kampagnen und ihr Einfluss auf internationale Verhandlungen“ (Nomos Verlag, 2006). Alle Beiträge

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