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Bundestagsdebatte zur Bahnprivatisierung – Streit in der SPD

Wir werden das Netz, jeden Kilometer Schiene, im Eigentum des Volkes behalten. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie doch selber nicht! Märchenstunde!) Die Verfassungsrechtler – zumindest die große Mehrheit: mittlerweile sieben zu zwei – (Zuruf von der SPD: Na, na, na!) halten das, was der Bundesminister vorgelegt […]

Wir werden das Netz, jeden Kilometer Schiene, im Eigentum des Volkes behalten.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie doch selber nicht! Märchenstunde!)

Die Verfassungsrechtler – zumindest die große Mehrheit: mittlerweile sieben zu zwei –
(Zuruf von der SPD: Na, na, na!) halten das, was der Bundesminister vorgelegt hat, für verfassungswidrig. Er behauptet jetzt, er hat ein Zertifikat – wahrscheinlich von der Justizministerin.
(Patrick Döring (FDP): Das hängt er sich neben das von der Deutschen Flugsicherung!)

Auszüge aus dem Plenarprotokoll, 21.09.2007

Am vergangenen Freitag herrschte beste Stimmung im Bundestag. Das Parlament befasste sich in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee verteidigte mit wenig Verve sein Projekt – und erntete Kritik allenthalben.

CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer erneuerte die Forderungen seiner Fraktion: Stärkung des Bundes bei Entscheidungen über Investitionen in das Netz, Vorlage eines Netzzustandsberichts durch externe Gutachter, Preisregulierung durch die Bundesnetzagentur, kürzerer Bewirtschaftungs- und Bilanzierungszeitraum für das Netz sowie einjähriger Test der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor dem Börsengang.

„Mieser Deal“ (Winfried Hermann), „unkalkulierbares Risiko“ (Horst Friedrich), „Enteignung des Volkes“ (Oskar Lafontaine) – klare Worte fand die Opposition. Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, rechnete vor, dass die Kosten des Börsenganges für den Steuerzahler die Erlöse der Privatisierung bei weitem überstiegen. Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann sprang ihm bei: „Warum machen ausgerechnet Sozialdemokraten so einen miesen Deal?“ Hermann erinnerte zudem an die massiven Bedenken von Verfassungsrechtlern. Die Linke sprach sich als einzige Partei gegen jede Form der Privatisierung aus. Fraktionschef Lafontaine: „Bei der Privatisierung der Bahn geht es also schlicht und einfach um eine Beraubung oder Enteignung der Bevölkerung.“ Nach einem Börsengang würden weitere Strecken stillgelegt, es käme zu Preiserhöhungen, noch mehr Arbeitsplätze würden abgebaut, prophezeite Lafontaine.

Mit dem Gesetzentwurf befasst sich nun erstmal der Verkehrsausschuss. In den nächsten Wochen wird es eine Expertenanhörung geben, die Verbände werden Stellung nehmen, und die Kritik an den Privatisierungsplänen wird noch lauter werden. Schon jetzt ist auch dem Verkehrsminister bewusst: „Ich sehe nicht, dass eine Teilprivatisierung früher als Ende 2008 vollzogen werden kann“, sagte er im Tagesspiegel am Sonntag. Tiefensee dürfte auch die Wahlen in Niedersachsen und Hessen Anfang nächsten Jahres im Blick haben. Dass nämlich ein Börsengang der Bahn für die SPD zum Wahlkampfschlager wird, steht nicht zu erwarten.

Zunehmend planlos agiert die SPD-Führung, die sich am Montag auf ihrer Vorstandssitzung eines alten Sprichworts besonnen hat: Und wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis. Es geht ein tiefer Riss durch die Partei. Finanzminister Peer Steinbrück wehrt sich mit Händen und Füßen gegen das von der Parteilinken favorisierte Volksaktienmodell. Stattdessen will er Anteile der Bahn als Namensaktien an die Börse bringen, um so die Beteiligung von Investoren transparent zu machen. Eine Arbeitsgruppe unter Heils Vorsitz soll sich bis zum Parteitag mit den beiden Alternativkonzepten beschäftigen, um den Delegierten einen „Kriterienkatalog“ als Entscheidungshilfe zu präsentieren.

Bahnchef Mehdorn sieht indes langsam seine Felle davon schwimmen. Am Wochenende hat er im Interview mit der Wirtschaftswoche wieder einmal zu einem Rundumschlag ausgeholt. Attac, das kürzlich einen flash mob gegen die Privatisierungspläne initiierte, tat Mehdorn als „Weltverbesserer ab, die es immer schon gab“. „Ohne Medien würde von dem ganzen Theater überhaupt niemand Notiz nehmen.“ Und die immer heftiger werdende Kritik begründet er damit, dass die „wenigen Neinsager so laut sind und dadurch viel Publicity erhalten“. Das lassen wir jetzt unkommentiert. Die Worte sagen alles über die Weltsicht des Bahnchefs.

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