Eigentlich war der Bahn-Börsengang das zentrale Projekt von SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Doch gestern schien er es nur noch auf Biegen und Brechen beerdigen zu wollen – zumindest für diese Legislaturperiode. Des Ministers Kalkül: Damit ließe sich auch die peinliche Diskussion um horrende Bonuszahlungen unter den Tisch fegen, von denen er angeblich nichts gewusst haben will. Tiefensee: „Die (Bonus-)Zahlungen gibt es deshalb nicht, weil es keinen Börsengang gibt.“ Dies sei mit Finanzminister Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister Glos so abgesprochen.
Wow – damit käme die Bahnprivatisierung frühestens 2010, und ob sie dann noch politisch durchsetzbar ist, ist völlig offen. So kippt man scheibchenweise ein völlig unausgegorenes Projekt! Doch zu früh gefreut? Heute dementierte Kanzleramtsminister Thomas de Maizière Tiefensees Darstellung. Eine Absage des Börsengangs sei nicht von der gesamten Regierung beschlossen – Bundeskanzlerin Merkel hat offenbar eingegriffen. Mehr im Hamburger Abendblatt)
Doch weiterhin gilt laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, dass die Bundesregierung „kein Vermögen verschleudern“ wolle. Es müsse abgewartet werden, bis „das Umfeld für einen Börsengang eine vernünftige Erlössituation erwarten lasse“. Wir stehen etwas verwirrt da. Doch eines ist klar: Sowohl die Diskussion um die Bonuszahlungen als auch das Verwirrspiel um die Absage haben das Projekt weiter diskreditiert. Im Bundestagswahlkampf nächstes Jahr macht man sich damit nur unbeliebt.
Doch auch danach wird es schwierig für die Privatisierer: Das große Finanzmarktbeben hat die Skepsis in der Bevölkerung weiter steigen, immer mehr Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge den Marktkräften zu überlassen. Der Staat als Lenker von Schlüsselbereichen der Gesellschaft nicht nur unter dem Vorzeichen der höchsten Rendite ist wieder gefragt. Wir haben gute Chancen das Projekt zu kippen – um dann für vernünftige Konzepte für eine zukunftsfähige Bahn zu streiten!