Klimawandel
Dörpener Gemeinderat lehnt Bürgerbefragung ab – und stellt sich gegen eine Mehrheit seiner Wähler/innen
„Wir sind das Volk!“ tönt es hundertfach vor dem Dörpener Rathaus im Emsland, nachdem die CDU-Mehrheit des Gemeinderats eine Bürgerbefragung zum geplanten Kohlekraftwerk abgelehnt hat. Mit einem Protestlied beenden über 150 Dörpener/innen ihre „feierliche Bürgerwache“ vor dem Rathaus – und drücken damit zugleich ihre Entschlossenheit für weiteren Protest gegen die klimaschädliche CO2-Schleuder aus. Mit dem […]
„Wir sind das Volk!“ tönt es hundertfach vor dem Dörpener Rathaus im Emsland, nachdem die CDU-Mehrheit des Gemeinderats eine Bürgerbefragung zum geplanten Kohlekraftwerk abgelehnt hat. Mit einem Protestlied beenden über 150 Dörpener/innen ihre „feierliche Bürgerwache“ vor dem Rathaus – und drücken damit zugleich ihre Entschlossenheit für weiteren Protest gegen die klimaschädliche CO2-Schleuder aus. Mit dem Fest bei Musik und Getränken verfolgten sie, wie sich die Volksvertreter/innen über den Willen der Mehrheit der Bevölkerung hinwegsetzten.
In den letzten Wochen waren täglich große Anzeigen in der lokalen Ems-Zeitung erschienen: „Fragt uns!“ forderte darin jeweils ein/e Dörpener/in mit einem Zitat. „Habt ihr Angst?“, fragte die Studentin Franziska Runde, „Wer nicht fragt ist bald nicht mehr gefragt!“, stellte Herta Groß fest. Gefragt werden wollten die Bürger/innen Dörpens, ob in dem Ort unweit der holländischen Grenze ein gigantisches Kohlekraftwerk mit 900 MW-Leistung gebaut werden solle. Eine CO2-Schleuder, die ihren Strom vollständig in andere Regionen und Länder würde exportieren müssen.
Angst scheinen viele der Gemeinderäte heute tatsächlich zu haben, denn anders lässt es sich nicht erklären, warum sie zur Sitzung der CDU-Fraktion durch den Hintereingang in das Rathaus gelangen. Vor der Tür erwarten sie gut 150 Einwohner/innen des Ortes und halten die vergrößerten Zeitungsanzeigen der letzten Wochen in die Höhe. Und Beteiligung wollen sie – zumindest vorläufig – auch nicht, denn in der Fraktionssitzung soll noch schnell die politische Linie für die Ratssitzung in einer halben Stunde abgestimmt werden.
Die Menschen warten gespannt, bis die Sitzung des Gemeinderats beginnt, denn die ist öffentlich. Dort haben sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu verfolgen, wie der Rat mit einer Petition umgeht, die eine Bürgerbefragung verlangt. Unterschrieben hatten über 2.000 Dörpener/innen – bei rund 4.800 Einwohner/innen und abzüglich der Kinder und Jugendlichen macht das eine satte Mehrheit der Wahlberechtigten. Bis die Türen des Sitzungssaals geöffnet werden, liest ein Moderator die besten Nachrichten der Aktion „Deutschland schreibt Dörpen“ vor: Über 5.200 Menschen aus der gesamten Bundesrepublik – sowie einige aus der Schweiz, dem Heimatland des Kraftwerks-Investors – fordern Dörpen auf, sich für demokratische Mitbestimmung und für Klimaschutz statt Kohlekraft zu entscheiden. „Steht auf und schützt das Klima – für uns alle!“, schreibt etwa Katrin Hansen aus Freiburg.
Mit der Eröffnung der Sitzung drängen sich zahlreiche Bürger/innen in den viel zu kleinen Sitzungssaal, die anderen warten vor der Tür und werden dort mit einem Live-Ticker über Twitter informiert, was drinnen vor sich geht: „Die Beschlussfähigkeit wird festgestellt“ lautet eine der ersten Nachrichten – und die Menschen draußen nicken sich zu. „Bürgermeister Schneider ruft Zuhörer zur Ordnung“ – und ein Raunen breitet sich aus. „Bedingung des Gemeinderats war Kraft-Wärme-Kopplung mit Papierfabrik – die wird es nicht geben“ – Jubel bricht los.
Im Ratssaal wird heiß debattiert – jedoch mehr zwischen Zuhörer/innen und Gemeinderat als zwischen den Ratsmitgliedern. Die scheinen sich auf ihre „Pro Kraftwerk“-Politik festgelegt zu haben und wundern sich, warum die Menschen anderer Ansicht sind. „Wir sind gewählt, um das Beste für die Gemeinde zu entscheiden“, heißt es auf der einen Seite des roten Absperrbandes, „Ihr sorgt dafür, dass ein tiefer Riss durch Dörpen geht – Fragt uns!“, schallt es von der anderen Seite. Die Stimmung ist emotional, als es zur Abstimmung über die Petition für eine Bürgerbefragung kommt.
Als die Ratsmitgieder ihre Hände heben – vielen ist deutlich anzusehen, dass ihnen nicht wohl dabei ist – muss nicht lange gezählt werden: Mit elf zu zwei Stimmen lehnt der Gemeinderat gegen die Stimmen der SPD eine Bürgerbefragung zum Kohlekraftwerk ab, aber schon bricht der Proteststurm los. Die Zuhörer/innen schimpfen über die undemokratische Entscheidung und verlassen unter Protest die Gemeinderatssitzung. Draußen ist das Abstimmungsergebnis ebenfalls angekommen und der gemeinsame Ärger macht sich in den Rufen „Wir sind das Volk“ Luft.
In der Sitzung des Gemeinderats stehen noch die Schließungszeiten des Dünenschwimmbads und die Parkplätze in der Schulstraße auf der Tagesordnung. Auf weitere Beteiligung müssen die Ratsmitglieder nun allerdings verzichten.