Heiße Sambaklänge, Trillerpfeifen und ein Fahnenmeer von gelb-roten Anti-Atom-Sonnen. Dazwischen Kinder mit buntbemalten Gesichtern, eine Frau die jongliert, ausgelassen tanzende Menschen. Von überall her strömen Leute, fallen sich in die Arme, schütteln sich die Hände. „Hallo!“, „Du auch hier?“, „Schön Dich zu sehen!“ tönt es. Die einen sprayen noch schnell ein Plakat bevor es los geht. Zwei Jungs proben den Flig-Flag. Einer hat kurz zuvor mit 4 Brezeln in der Hand einen Salto-Rückwärts von einem parkenden Traktor gemacht – die sich sammelnde Menge jubelt.
Photo: Jakob Huber
Was die 220 Menschen, die am Sonntag vormittag so zahlreich inmitten von Feld und Wiese zusammenkommen eigentlich vorhaben, erklärt der Anti-Atom-Rap, den zwei Beatboxer im Sprechgesang zum Besten geben: „Wir bilden eine Kette, zigtausende von Menschen schütteln sich die Hände von Krümmel bis Brunsbüttel, 120 km KettenreAktion. Wir kämpfen für die Zukunft, gegen atomaren Strom!“ Joh! Yeah!
Photo: Jakob Huber
Nur wenige Tage zuvor hatte Campact per E-Mail zu einem Dreh eingeladen. Ziel: Die Produktion eines Internet-Videos für die große Aktions- und Menschenkette, die am 24. April das Atomkraftwerk Brunsbüttel im Norden von Hamburg und das AKW Krümmel, im Süden der norddeutschen Großstadt, verknüpfen soll. Die Aktion soll ein kraftvolles Zeichen für den Atomausstieg werden. Um möglichst vielen Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet Lust auf die Anreise zur 120 Kilometer langen Großaktion zu machen, wurde beim Dreh vor allem der Händeschluss erprobt.
Photo: Jakob Huber
„Wir wollen drehen….. und: Menschenkette bitte!“ ruft Regisseur Volker Meyer-Dabisch (Love, Peace and Beatbox) seinen extrem gut gelaunten StatistInnen zu, die sich Hand an Hand an Hand aufgestellt haben und nun zielstrebig mit wehenden Haaren und Fahnen schnellen Schrittes über den vermeintlich norddeutschen Deich marschiert kommen. Es ist schon ein beeindruckendes Bild, wie die gefühlte zehn Kilometer lange Menschenkette ins Bild rückt, dahinter strahlend blauer Himmel, durchbrochen von riesigen weißen Schäfchen-Wolken: Jung und Alt, Groß und Klein halten sich an den Händen inmitten der kargen Landschaft des Hahnebergs, einem Naturschutzgebiet am Rande Berlins. „Danke, das war großartig.“ entlässt der Regisseur die erste Gruppe in die wohlverdiente Mittagspause. Trotz Sonnenschein ist der Wind noch eisig für Anfang März. Zum Glück steht die heiße Gemüsesuppe schon bereit.
Photo: Jakob Huber
„Wollte man den Filmklassiker Dschingis Kahn neu verfilmen: hier wäre der richtige Ort“ scherzt einer noch am morgen. Er hat Recht: Vom Winter braun gefärbte Grasflächen, karge Büsche und Gestrüpp bedecken die hügelige Landschaft wie ein weiches Fell. Ohne Wärme- und Kälteempfinden wäre es unmöglich zu sagen, ob das Gras nun braun vor Sonnenhitze oder dem Kältebrand des vergangenen Winters ist. Auch Quantin Tarantino muss von dem Ort in Berlin-Spandau fasziniert gewesen sein und drehte hier seinen letzten Coup: Inglorious Basterds. Wir bewegen uns auf film-historischem Grund.
Photo: Jakob Huber
Photo: Jakob Huber
„Da sind ja Kraniche über uns“ ruft einer – „Kra, kra“ rufen die großen Vögel wie zur Bestätigung und ziehen im V-Flug vorüber. Die Menschenkette schaut in den Himmel, zu den beeindruckenden Vögeln. Welch wunderbares Bild wir wohl aus dieser Perspektive abgeben – ob die Presse bei der echten Menschenkette mit Hubschraubern anrückt, um uns abzufilmen? Am Boden stört eine aufwallende, immer stärker werdende Unruhe den Gedanken an die Vogelperspektive: Die Menschen, ziehen und zerren an den Händen ihrer Nachbarn, Schultern gehen nach oben, Arme Strecken sich: Einer scheint zu fehlen, eine Lücke zwischen einem Mann und einer Frau ist entstanden. Wer fehlt denn da? Hat da etwa einer verschlafen? Wer mag das wohl sein? Die Menschen ziehen und zerren aneinander, versuchen die Lücke zu schließen, ein Kind wird gar in die Höhe gehoben – die Spannung ist zu groß. Doch eine junge Frau weiß wer fehlt und schickt eine SMS: Komm schnell vorbei!
Photo: Jakob Huber
Ob es gelingt, die Menschenkette zu schließen und wer die fehlende Person ist, wird erst im fertigen Video verraten. Ab Ende März/ Anfang April wird es über den Campact-Newsletter verbreitet. Schon jetzt ein herzliches Dankeschön an die vielen, vielen StatistInnen, die auf Einladung von Campact trotz eisiger Kälte zahlreich zu dem Dreh gekommen sind. Auch das Filmteam war begeistert: Selten habe man so motivierte und gut mitarbeitende Statistinnen und Statisten gesehen.
Herzlichen Glückwunsch zu dem Spot. Er ist witzig, er ist beeindruckend (ob der Zahl der Mitwirkenden) und er macht Lust auf Mitmachen!