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Milliardengrab Stuttgart 21 vor CDU-Parteitag

Herr Mappus und Frau Merkel - in entsprechenden Masken ihren Originalen zum verwechseln ähnlich - treten hinter die Folie, die einen tiefen Krater auf dem Asphalt abbildet. Aus einem Sack greifen sie Hände voller Geldscheine und werfen sie lachend in die Höhe. Die Scheine segeln in das Milliardengrab Stuttgart 21.

Es regnet in Karlsruhe, die aufgereihten CDU-Fahnen hängen schlaff und durchgeweicht am Eingang der Messe. Hier sollen in Kürze die erwarteten 1.000 Parteimitglieder zur Begrüßungsrede von Ministerpräsident Mappus strömen. Wir stehen auf der anderen Seite der Straße, abgeschoben auf eine kleine Demomeile neben den Gewerkschaften, das Messegelände dürfen wir nicht betreten, so die großzügig anwesende Polizei. Die will uns sogar die Demoschilder verbieten, die Holzleisten seien dicker als erlaubt und es sei in Stuttgart ja schon zu Ausschreitungen gekommen. Nach einigem Hin und Her können wir die Beamten überzeugen, dass von unserem friedlichen Protest keine Gewalt ausgeht. Die Regierungsgewalt sitzt vielmehr auf der anderen Straßenseite und rechtfertigt ihre falsche Politik gerade vor ihren Anhängern – von der Verlängerung der AKW-Laufzeiten bis Stuttgart 21.

Mappus  und Merkel versenken Milliarden

Warum ist Stuttgart 21 kein kontroverses Thema auf dem Bundesparteitag der CDU? Die Partei stärkt Mappus in Angst vor der kommenden Landtagswahl den Rücken ohne eine sachliche Diskussion um das Infrastrukturprojekt aufkommen zu lassen. Dabei sollten die Parteigänger fragen dürfen, warum die CDU so vehement für einen Bahnhof streitet, der nachweislich weniger leistungsfähig ist als der alte. Warum einzelne CDU-Vertreter wie Lothar Späth und Michael Föll in den Vorständen der beauftragten Baufirmen sitzen. Und warum die CDU-Spitze einen Volksentscheid ablehnt, obwohl sich mehr als die Hälfte der CDU-Wähler einen Baustopp und Volksentscheid aus der verfahrenen Situation um Stuttgart 21 wünschen (Emnid-Umfrage im Auftrag von Campact vom 7. Oktober).

Nun treten Herr Mappus und Frau Merkel – in entsprechenden Masken ihren Originalen zum verwechseln ähnlich – hinter die Folie, die einen tiefen Krater auf dem Asphalt abbildet. Aus einem Sack greifen sie Hände voller Geldscheine und werfen sie lachend in die Höhe. Die Scheine segeln in das Milliardengrab Stuttgart 21. Bald stehen die Politiker auf einem Teppich aus Geldscheinen. Michael Kaufmann von der Initiative: „Baden unterstützt: Oben bleiben! Kein Stuttgart 21!“ spricht zu den Anwesenden über die Ablehnung von Stuttgart 21 in Karlsruhe und Umgebung. Die über 60 Aktiven, die trotz Regen und Kälte aus Karlsruhe und Stuttgart angereist sind, schütteln ihre „Kein Stuttgart 21“-Schilder und blasen heftig in ihre Trillerpfeiffen. So hören uns letztlich doch die CDUler auf der anderen Straßenseite. Und das ARD-Fernsehteam, das zum Filmen herüberkommt, als wir schon fast abbauen wollten. Nur Herr Mappus lässt sich bei uns nicht blicken, dabei hatten wir ihn erneut zur Übergabe der schon über 95.000 Unterschriften für einen Baustopp und einen Volksentscheid eingeladen.

Wie zu erwarten, hat Ministerpräsident Mappus das Milliardengrab in seiner Eröffnungsrede als „Jahrhunderchance für Baden-Württemberg“ ausgerufen. (Artikel Zeit, Boulevard Baden). Er hätte sich lieber bei uns ein paar Argumente abholen sollen, warum seine Bevölkerung sowie große Teile seiner eigenen Wählerschaft dieses Projekt nicht mittragen werden. Bis dahin bleiben wir ihm auf den Fersen: Für einen Volksentscheid! Für den Stuttgarter Kopfbahnhof!

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

9 Kommentare

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  1. Hinfällig sind sie eigentlich nicht, aber sie sind nur bedingt durchführbar. Jede Maßnahme bedarf ja im Grunde ihrer eigenen Genehmigung. Da darf einfach nicht pauschalisiert werden!

  2. Frage:

    Sind die bestehenden Baugenehmigungen nicht wertlos und hinfällig, wenn zusätzliche Baumaßnahmen (Erweiterungen der Schutzbunker, Behindertenschutz, 9. und 10. Gleis usw.) durchgeführt werden müssen?

  3. Astrid Goltz, ja und?
    Dann wir das Eisenbahnbundesamt eben einer anderen Lösung zustimmen. Der Ausbau des ÖPNV in Stuttgart ist von grösserer Bedeutung und kommt zwangsläufig mit dem neuen Bahnhof.
    Zu Ihrer Information, es befindet sich unter dem Bahnhof in 20 Metern Tiefe bereits der S-Bahnhof. Er ist längst unzureichend und muss erweitert werden. Der Clou ist, damals als man diesen baute, gab es keine besonderen Proteste und geologische Bedenken, die man jetzt an den Haaren herbeizieht. Warum ist klar. Die Bürger sind auf die S-Bahn angewiesen. Täglich fahren allein rund 800.000 Pendler in diesem Ballungsraum zur Arbeit. Dazu kommen Fluggäste und Messeaussteller und Besucher. Desweiteren ist auf die erfolgreiche Lösung am Frankfurter Flughafen verwiesen. Seit es dort den unterirdischen Bahnanschluss mit ICE-Anbingung gibt, kann nur von Erfolg die Rede sein. Deshalb muss der Stuttgarter Flughafen ebenso an die neue ICE-Strecke nach Ulm angeschlossen werden. Fluggäste kommen ja nun schliesslich nicht nur aus Stuttgart, sondern Ulm, Basel, Strassbourg und anderen naheliegenden Grossstädten. Deshalb muss der Stuttgarter Bahnhof diesen Notwendigkeiten angepasst werden. Die Alternative K21 bietet weder dafür, noch den ÖPNV eine nützliche Lösung. Eh ichs vergesse. Alle Argumente die auf geologische Probleme verweisen sollen, w.z.B. Anhydrit, sind deshalb Schall und Rauch, weil ausgerechnet die klugen Schwaben die Tunnelbohrmaschiene erfunden haben, für die solche Probleme nicht existieren. Weltweit hat Sie schon ganz andere Aufgaben bewältigt und auch beim Bau des Tunnels unter dem St.Gotthardt oder in Singapur ihre ausserordentlichen Qualitäten und die der damit arbeitenden Fachleute unter Beweis gestellt.

  4. Die Gegner von S21 kreisen nur um ihren Bauchnabel und halten diesen für den Mittelpunkt der Welt. Das 3.grösste Industrierevier in Deutschladn beherbergt ausserdem 4,6 Mill. Einwohner, die auf eine moderne Infrastruktur angewiesen sind. Deshalb wurden Messe und Airport neue erichtet. Deren wirtschaftliche Erfolge sind unbestritten. Seit Jahren ist der ASusbau des ÖPNV dringedn nötig um die Massen an Pendlern von der Strasse zu holen. Doch Stuttgart allein kann dies nicht leisten. Im Zuge von S21 wird aber der ÖPNV ebenfalls besser ausgebaut. Zu allem gibt auch Brüssel seine Zuschüsse.
    Im Zuge der Erweiterung der EU in Richtung Osten wird es nicht nur nötig sich in allen Belangen der Politik und der Wirtschaftebenfalls zu erweitern, sondern sind Infrastrukturen anzupassen und zu erweitern..
    Deutschland ist nämlich neben Österreich und der Schweiz das bedeutendste Transitland in Europa und damit mehr als wir auf Dauer ertragen können von den Verkehrsflüssen in Mitleidenschaft gezogen. Die Prognosen für den Transit sind für die Jahre bis 2050 verheerend.
    Stuttgart21 wird als europäischer Verkehrsknotenpunkt deshalb von überrregionaler Bedeutung sein. Jeder der deshalb vom Auto auf die Bahn umsteigt ist ein Gewinn für die Umwelt. Auch die Schweiz hat Milliarden in die Hand genommen, um den Tunnel unter dem Gotthardt zu bauen. Stuttgart liegt in direkter Linie dazu und die DB-AG hat der Schweiz einen modernen Anschluss an diesen Tunnel versprochen.
    Zum Schluss noch der Hinweis auf die ständige Forderung, die Politik solle Programme zur förderung der Wirtschaft ingang setzen. Genau dies passiert mit S21. Nicht nur während der Bauphase finden tausende Arbeitnehmer des Handwerkes und des Mittelstandes dort existenzielle Sicherung. Auch nachher im Betrieb. Diesen Nutzen zeigten bisher alle in Deutschland errichteten Grossprojekte und führten später die Gegner ad absurdum.
    Stuttgart21 muss gebaut werden. Es ist ein Projekt, die sich als zukunftsträchtige Investition auszahlen wird und damit dazu beiträgt, der sozialen Situation vieler Arbeitnehmer eine Perspektive zu geben. Von den Synergieeffekten für die Umwelt durch Entlastung des Strassenverkehrs nicht zu reden.

  5. Man muss das mit der Wirtschaftlichkeit nur ernst nehmen, denn ohne den geschönten Nutzen und mit realitätsnahen Abschätzungen der tatsächlichen Baukosten am Ende darf S21 gar nicht gebaut werden. Dann darf es gar keine Bundesmittel für S21 geben, weil das Projekt selbst über viele Jahrzehnte gerechnet nicht rentabel ist. Dann wird das Land S21 nicht alleine tragen wollen und seine eigentlich unrechtmäßigen Zuschüsse aich zurückziehen.

    • Zum Thema Kosten: das Eisenbahnbundesamt hat wegen der Mehrkosten beim Bau der Strecke Wendlingen-Ulm die Baufreigabe verweigert. Auch der Zeitplan könne nicht eingehalten werden. Den Artikel auf Spiegel-Online ziert unser Aktionsfoto von Montag vor dem CDU-Parteitag: .

  6. Ja zu Stuttgart 21 – aber nicht so. Rechtlich sind Fakten geschaffen. Die müssen wegen der Rechtssicherheit unbedingt beachtet und eingehalten werden. Deutschland ist weltweit für sein Rechtssystem und seine Rechtssicherheit bekannt. Das zu missachten würde unserem Land grossen Schaden letztlich zum Nachteil der Bürger zufügen. Die US-amerikanische Handelskammer hatte schon einmal während der ersten Regierungszeit der Schröder/Fischer-Regierung eine Warnung wegen mangelnder Rechtssicherheit in Deutschland ausgesprochen. Deutschland hat einen Ruf zu verlieren.

    Stuttgart 21 offenbart ein grosses Problem: die viel zu lange Planungszeiten in diesem Land. Wie haben sich alleine seit Planung von Stuttgart 21 die Dinge weltweit dramatisch verändert, Stichwort Weltfinanzkrise. Lange Planungszeiten ziehen automatisch hohe Kostensteigerungen nach sich. Geld, das besser in Bildung und Forschung investiert werden könnte.

    Daher ja zu Bildungs- und Forschungsinvestitionen, ja zu geringen Planungszeiten, ja zur Rechtssicherheit, ja zu Bürgerbeteiligungen an Grossprojekten. Gudrun Seidl, Europa-Journalistin, cenjur

  7. Ich verstehe die betreffenden Politiker wirklich nicht! Warum hören sie nicht die Gegenargumente an und bleiben auch im Ge-
    spräch mit der Gegenseite? Das ist für meine Begriffe kein guter Politikstil, wenn man an der Mehrheit vorbei die Angelegenheit auf Biegen und Brechen durchboxen will.
    Es zeugt in meinen Augen nur davon, daß man ein völlig falsches Demokratieverständnis hat …
    Wie es aussieht, lassen die o.a. Politiker es letztlich darauf ankommen, wie die kommende Landtagswahl ausfällt …
    Besser wäre wahrscheinlich ein Volksentscheid … Arbeiten wir also darauf hin … Es gilt jetzt weiterzumachen, bloß nicht aufgeben! Die – besseren – Argumente mögen gewinnen …

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