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Merkels Atomausstieg: Top oder Flop?

Top oder Flop? – Bei der Bewertung des gestern vom Bundeskabinett verabschiedeten “Atomausstiegs” gehen auch bei den Campact-Aktiven die Meinungen weit auseinander. Die einen sind in Feierlaune: Acht Reaktoren gehen auf einen Streich für immer vom Netz! Zudem konnte sich Schwarz-Gelb nicht mit dem Plan durchsetzen, alle verbleibenden neun AKWs erst 2021/22 stillzulegen. Drei sollen jetzt schon früher, nämlich 2015, 2017 und 2019 abgeschaltet werden. Doch neun gefährliche Reaktoren sollen noch jahrelang am Netz bleiben. Ein Erfolg oder eine Niederlage für die Anti-Atom-Bewegung?

Top oder Flop? – Bei der Bewertung des am Montag vom Bundeskabinett verabschiedeten „Atomausstiegs“ gehen auch bei den Campact-Aktiven die Meinungen weit auseinander. Die einen sind in Feierlaune: Acht Reaktoren gehen auf einen Streich für immer vom Netz! Zudem konnte sich Schwarz-Gelb nicht mit dem Plan durchsetzen, alle verbleibenden neun AKWs erst 2021/22 stillzulegen. Drei sollen jetzt schon früher, nämlich 2015, 2017 und 2019 abgeschaltet werden. Alles zusammen ein riesiger Erfolg der Anti-Atom-Bewegung und eine krachende Niederlage für die Atom-Lobby.

Atomkraft abschalten!

Merkel, Rösler und Röttgen verleihen dem AKW Grohnde eine Laufzeitgarantie bis 2021. Foto: Ruben Neugebauer

Atom-Risiko bis 2022?
Die anderen sind mehr empört als erfreut: Die nächsten 10 Jahre lang passiert fast nichts beim Ausstieg. Sechs Reaktoren sollen erst 2021 und 2022 abgeschaltet werden. Darunter der in einem Erdbebengebiet gelegene Meiler Neckarwestheim II. Dort müsste nicht einmal die Erde beben, dort müsste nur der Boden absacken. „Der Ort ist eine geologische Zeitbombe“, sagt der Geologie-Professor Hermann Behmel. Neckarwestheim steht auf einem alten Steinbruch, der Untergrund besteht aus porösen Gips- und Kalkschichten, in die das Grundwasser immer neue Hohlräume spült. Das Gestein zerbröselt. Etwa fünf Kilometer von dem Atomkraftwerk tat sich im Sommer 2010 urplötzlich ein 18 Meter tiefer Krater auf – ohne jede Vorwarnung. Die unter der Erde liegenden Rohrsysteme könnten abreißen, wenn der Boden absackt. Ohne Kühlung käme es auch in Deutschlands jüngstem Reaktor zur Kernschmelze. Keiner der neun verbleibenden Reaktoren wäre heute noch genehmigungsfähig, denn auch die „jüngeren“ neun Atomkraftwerke sind bereits über 20 Jahre in Betrieb. Sie wurden in den 1970er-Jahren entwickelt, als gerade die erste Golf-Generation vom Band lief. Und auch die neueren Atomkraftwerke würden einem Terrorangriff mit einem großem Passagier- oder Frachtfugzeug nicht standhalten. Einige Meiler sollen weit später vom Netz gehen als der rot-grüne Atomausstieg dies ursprünglich vorsah, wie etwa Gundremmingen C, fast baugleich mit den Reaktoren in Fukushima. Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage: Ist der Atomausstieg à la Merkel wirklich ein Erfolg?

In unseren Augen hängt die Antwort vom Maßstab ab. Legen wir als Messlatte die schwarz-gelbe Atompolitik vor Fukushima an, dann haben wir richtig viel erreicht. Der Blick in andere Länder macht deutlich, dass dort trotz Fukushima zumeist keine atompolitische Kehrtwende eingeläutet wurde. Dass dies bei uns anders ist, ist alleine dem kraftvollen Protest der Anti-Atom-Bewegung zu verdanken! Legen wir als Messlatte aber das umweltpolitisch und ethisch Gebotene an, den schnellstmöglichen Atomausstieg, dann reicht das Tempo bei weitem nicht aus. Denn jedes Atomkraftwerk ist eine tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen oder Ziel eines Terroranschlages werden kann.

Zusammenfassend heißt das: Zwar können wir stolz darauf sein, was wir gemeinsam mit vielen anderen erreicht haben. Aber wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen. Während der Beratungen im Bundestag muss es darum gehen, weitere Nachbesserungen zu erreichen: Die AKW-Laufzeiten müssen verkürzt und stärker gestaffelt werden, es braucht ein Aus für Gorleben und eine standortunabhängige Endlagersuche, der Bau von Kohlekraftwerken darf nicht erleichtert und das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht zerpflückt werden. Nur wenn hier entscheidende Fortschritte erzielt werden, dürfen SPD und Grüne dem Atompaket zustimmen.

Das Buch zur Atom-Debatte
Deshalb wollen wir mit weiteren Aktionen nachlegen – und werden natürlich zur Stelle sein, falls in einigen Monaten oder Jahren die Atomlobby wieder droht Oberwasser zu gewinnen. Unsere Aktionen wären ohne die kontinuierlichen finanziellen Beiträge durch unsere Förderinnen und Förderer nicht möglich. Wir danken für die Unterstützung! Werden auch Sie jetzt Förderer/in!

Demnächst im Buchhandel: Abschalten! Alles was Sie über den Atomausstieg wissen müssen Übrigens: Passend zur aktuellen Debatte ist heute das Campact-Buch „Abschalten!“ im Fischer Verlag als Taschenbuch und E-Book erschienen. Es bietet aktuelle Hintergrundinformationen zur Atomkraft, zeigt, dass wir problemlos bis 2015 ganz auf Atomkraft verzichten können und gibt praktische Tipps, was wir selbst für einen konsequenteren Atomausstieg tun können. Das Taschenbuch hat 430 Seiten und kostet 9,99 Euro: Alles, was Sie zum Atomausstieg wissen müssen! Sie können das Buch in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe kaufen, direkt portofrei im Online-Buchhandel bestellen oder zuzüglich Porto – aber mit der Möglichkeit, weitere Anti-Atom-Materialien zu erwerben – im Shop unserer Partnerorganisation .ausgestrahlt:

Amazon.de…
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Gewaltfreie Blockade des AKW Brokdorf geplant
In der kommenden Pfingstwoche wollen viele Menschen ein Zeichen für einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie setzen. Die Kampagne X-tausendmal quer ruft zu einer gewaltfreien Sitzblockade auf der Zufahrt zum AKW Brokdorf auf. Das Kraftwerk befindet sich zu der Zeit in der Revision und ist daher vorübergehend abgeschaltet. Das Anti-Atom-Bündnis Unterelbe plant zudem am Pfingstsonntag eine Menschenkette um das AKW Brokdorf. Start ist um 6 Minuten vor 12.00 Uhr in Großwisch bei Brokdorf. Das AKW Brokdorf liegt direkt hinter dem Deich an der Unterelbe, die jedes Jahr von zigtausenden Schiffen auf dem Weg in den Hamburger Hafen passiert wird. Terrorangriffe wären also auch vom Wasser aus möglich. Hochwasser- und Sturmfluten stellen eine zusätzliche Gefahr für den Reaktor dar.

Weitere Infos zu den Aktionen am AKW Brokdorf…
https://www.x-tausendmalquer.de/

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

7 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Hallo,

    … grade über den Ticker gekommen!

    http://www.windmesse.de/presse/9307.html

    Glaube das könnte ein Protestpunkt sein, den man die nächsten Tage nicht aus den Augen verlieren sollte. …

    Weiß nicht, ob das jetzt heißen wird, daß man den Energieriesen das Klagen über den Atomausstieg verleiten möchte, indem man ihnen in punkto steigende Energiepreise möglichst den Weg ebnet. Mit dem verkündeten Meilenstein hat das in meinen Augen jedenfalls wenig zu tun!

    Gruß,
    Murmel

  2. Auch ich bin für den Atomausstieg. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass in einiger Zeit, wenn z.B. Fokushima nicht mehr in aller Munde ist, die Debatte um den Atomausstieg ganz schnell wieder abflauen wird und auch die „Grünen“ dann wieder an Boden verlieren. Bis dann wieder eine Katastrophe passiert.

  3. oki, ich arbeite seit knapp 30 Jahren in der Kraftwerksbranche und wurde bei meinem ersten Job von einem damaligen Atomkraftwerkhersteller gegen 13 Mitbewerber eingestellt, obwohl ich mich schon damals verweigert habe, an Atomkraftwerken mitzuarbeiten – wurde auch die 10 Jahre, die ich bei diesem Unternehmen gearbeitet habe durchgehend akzeptiert.

    Schon bevor der Atomaustieg überhaupt Thema war, gab und gibt es in diversen Teilbereichen, nicht nur in der EU, sondern global Lieferengpässe von Kraftwerkskomponenten. Bei z.B. Dampfturbinen ist derzeit mit Lieferzeiten von ~5 Jahren zu rechnen. Auch die Branche von Windkraftwerken kann da nicht beliebig liefern, zumal da auch gewährleistet sein muss, dass die Energie auch über Hochspannungsleitungen transportiert werden muss.

    Unsere Gesetze bedingen, dass bei einer Planung einer Hochspannungsleitung je Gemeinde bis zu 40 Institutionen gefragt werden müssen, da kann der Pfarrer gegen einen einzigen Hochspannungsmast Widerspruch einlegen, weil durch diesen die freie Sicht auf seinen mickrigen Kirchturm zu 3% von einer Stelle eingeschränkt ist. Um solche Nickeligkeiten juristisch auszufechten dauert es meist mehr als 5 Jahre, bis überhaupt eine Baugenehmigung erteilt werden kann.

    Diese Terminschienen ergeben realistisch betrachtet einen sicheren Ersatz der Kernkraftwerke frühestens in 8 Jahren durch Wind und GUD Anlagen (optimistisch: bestellreife Vorplanung ca. 1 Jahr, Bestellung mit 5J Lieferzeit, Realisierung 2 Jahre bis zum kommerziellen Betrieb, vorausgesetzt, die Genehmigung geht reibungslos)

    Da gibt es auch noch den Faktor Mensch – die allermeisten Anlagen gehen bei weitem nicht nach Terminplan in Betrieb, auch diese Imponderabilie muss bedacht werden. ( ich habe meine letzte Anlage, bei der ich verantwortlicher IBN Leiter war, in Time in Betrieb genommen, alle anderen Anlagen in Deutschland hatten z.T.heftige Zeitverzügen >6Monate)

    Ich halte die Entscheidung der Bundesregierung, die letzten 6 Kernkraftwerke erst in den letzten 2 Jahren abzuschalten für eine absolut pragmatische und realistische Entscheidung, weil der Ersatz aus rein Markt-technischen und Genehmigungs-technischen Gründen sich nicht vorher realisieren lässt.

    Andere Forderungen, wie Ihr sie erhebt müssen zwangsläufig dazu führen, dass sich jeder mit einen Notstromaggregat absichern muss, wenn er/sie nicht zeitweise ohne Strom dastehen will. Das ist sowohl ökologischer wie auch ökonomischer Unsinn.

    Um einen wirklich sinnvollen Umstieg zu erneuerbaren Energien hin zu bekommen sind ganz andere Forderungen sinnvoll.

    Ich habe mein Reihenendhaus im Bestand (Bj 1982) gerade auf 0-Energie-Standard isoliert ( ~5kWh/m²/a) – nicht auf die absolut unzureichende ENEV Forderung von 40kWh/m²a. Ich bin des weiteren dabei, mein Haus zum 0 bis + Energiehaus aufzurüsten und dafür eine exemplarisch optimale Lösung zu entwickeln – relativ neu auf dem Markt sind kombinierte Photovoltaik-Elemente mit thermischer Solarkollektoren.

    Die Abschaltung von Atomkraftwerken zu fordern, ohne realistisch ein ganzes Szenarium zu entwickeln, wie die dadurch wegfallende Stromversorgung (auch über die mögliche Zeitschiene betrachtend) ersetzt werden kann, ist reine Polemik, die ich überhaupt nicht unterstützen kann und werde.

    Diesbezüglich entziehe ich ihnen meine Stimme, eine frühere Abschaltung der Atomkraftwerke zu fordern, als aus meiner Sicht vernünftiger- und realistischerweise ein Ersatz zu schaffen ist

    Da ihr euch ja sehr Gott ähnlich abschottet, alles wisst und keinerlei Forum bietet, eure einsamen Statements auch nur zu diskutieren, bleibt mir nur übrig, zu appellieren (nebenbei – was ihr macht ist im Grunde faschistisch – im Sinne von Ezra Pound. Jou – das ist der „väterliche Faschismus“ Papa nimmt dir alle Entscheidungsgewalt ab, aber sorgt für dich auf seiner Position optimal in deinem ( wohl gemeinten )Interesse.

    Für mich müssen die Forderungen wie folgt heißen:

    Jeder Neubau muss zumindest ein Null-Energiehaus sein.
    Jede Förderung muss konsequent zu einem Nullenergiehaus führen
    (klar gibt es keine Isolierung die aus einem Haus ein Nullenergiehaus)

    oki- muss mal schlafen morgen mehr

    lg jogi

  4. Der Erfolg der Atomgegner ist vielleicht mit folgendem Bild zu vergleichen:
    Ist das Glas eher halbleer oder halbvoll? Es kommt auf die jeweilige Sichtweise an.
    JEDENFALLS, wie dem auch sei, finde ich es als absolut richtig, daß Campact e.V. u.a. NICHT auf HALBER Strecke stehen bleiben, sondern WEITER für schnellen und gänzlichen Atomausstieg eintreten.
    ALLERDINGS muß GLEICHZEITIG unbedingt dafür plädiert werden, daß die Erneuerbaren Energien schnellst- und best- möglich gefördert und ausgebaut werden, um eine weitge-hendst gut funktionierende Energieversorgung auch fernerhin
    garantieren zu können – OHNE Atomkraft, so daß man deutsch-landweit nach Möglichkeit wie bisher ohne atomare Energiever-sorgung aus dem Ausland auskommen kann.

    NOCH AM RANDE bemerkt:
    Außerdem sollte verstärkt darauf geachtet werden, daß der Markt MEHR stromsparende Gerätschaften anbietet als bisher.
    Mit anderen Worten:
    Es muß mehr Strom reduziert werden, da ist NICHT NUR der einzelne Verbraucher, SONDERN AUCH die Wirtschaft im Ganzen gefragt. – – –

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