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Angra 3: Antwort aus dem Haushaltsausschuss

In den letzten Wochen haben Aktive per E-Mail an die Mitgliedern des Bundestags-Haushaltsausschusses von Union und FDP einen Ausstieg aus der Bürgschaft für das AKW Angra 3 gefordert. Viele Politiker antworteten - mit immer der gleichen Argumentation. Wir dokumentieren eines dieser Antwortschreiben und gehen auf die Argumente ein.

Bei den Mitgliedern des Bundestags-Haushaltsausschusses von Union und FDP sind in den letzten Wochen via Campact viele E-Mails eingegangen, die einen Ausstieg aus der Bürgschaft für das brasilianische AKW Angra 3 forderten. Viele Politiker antworteten – mit der immer gleichen Argumentation. Wir dokumentieren ein Antwortschreiben des Bundestagsabgeordneten Bartholomäus Kalb und gehen exemplarisch auf seine Argumente ein.

[…]Bei der erstmaligen Entscheidung hatten wir uns vorher intensiv mit dem Thema befasst und mehrheitlich dem Antrag zugestimmt. Die Diskussion im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages war – trotz anstehender Haushaltsberatungen für den 2010er-Etat – sehr gründlich und ausführlich. Die zahlreichen Nachfragen der Ausschussmitglieder, die auch durch kritische Bürgerbriefe angeregt waren, wurden zu unserer Zufriedenheit beantwortet. Durch die Ereignisse in Fukushima hat sich daran nichts geändert. …

Vor der Atomkatastrophe von Fukushima wollte die schwarz-gelbe Regierung Reaktoren die Angra 3 ähneln noch bis zum Jahr 2028 am Netz lassen – 14 Jahre länger als von der alten rot-grünen Regierung beschlossen. Aufgrund von Fukushima sind Union und FDP in etwa wieder zur alten Planung zurückgekehrt. Der brasilianische Reaktor Angra 3 hingegen soll frühestens 2014 in Betrieb gehen.
Wenn die Bundesregierung diese extreme Kurskorrektur aufgrund einer Neubewertung der Sicherheit ernst meint, muss sie auch aus der Finanzierung von Angra 3 aussteigen.
Es ist nicht zu hoffen, dass sich die Regierung dem CDU-Abgeordneten Klaus-Peter Willsch anschließt, der im Spiegel mit folgenden Worten zitiert wird: „Wir haben das [den Atomausstieg A.d.R.] nur gemacht wegen der Befindlichkeit der Menschen.“

… Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich die Mitglieder der Koalition von folgenden Überlegungen leiten lassen, Ausgangspunkt war und ist die Koalitionsvereinbarung:

„Die Entscheidungsverfahren für die Garantien für Exportkredite, Investitionen und ungebundene Finanzkredite werden beschleunigt und vorrangig an der Sicherung
des Standortes Deutschland und der Förderung von Wirtschaft und Beschäftigung im Inland ausgerichtet. Einzelentscheidungen und Deckungspolitik werden an den international vereinbarten Regeln und Leitlinien ausgerichtet. Diese werden zur Sicherung fairer Bedingungen im internationalen Wettbewerb weiterentwickelt. Für den Umweltbereich sind die OECD-Umweltleitlinien alleiniger Maßstab bei der Prüfung von Anträgen auf Exportkreditgarantien.“ …

Mit dieser Passage hat die Bundesregierung Abstand davon genommen, Exportgarantien als Teil ihrer Entwicklungspolitik zu sehen. Durch diese Passage im Koalitionsvertrag ist es nicht mehr möglich, Projekte ethisch/moralisch zu bewerten und danach zu entscheiden. Allerdings ist diese Fehlentwicklung jederzeit problemlos wieder rückgängig zu machen.

… Daraus folgt:

  • Exportkreditgarantien sind ein Instrument der Wirtschaftsförderung im internationalen Wettbewerb.

Im Fall von Angra 3 manipulieren die Exportgarantien den internationalen Wettbewerb gewaltig, denn bisher hat sich keine andere Regierung gefunden, die bereit wäre, den Bau des Uraltmeilers abzusichern.

  • Sie sichern deutsche Exporteure und Export finanzierende Banken insbesondere gegen Zahlungsrisiken ab.

Im Fall von Angra 3 handelt es sich nicht wirklich um einen deutschen Exporteur. Die Firma Areva NP ist ein französischer Staatskonzern ohne deutsche Beteiligung. Allerdings hat dieser einige Werke in Deutschland. Das bayerische Areva NP-Werk Erlangen (5.000 Beschäftigte) soll voraussichtlich teilweise an Angra 3 arbeiten.

  • Die internationalen Wettbewerber der deutschen Exporteure verfügen in ihren Ländern über vergleichbare Absicherungsmöglichkeiten.

Im Fall von Angra 3 handelt es sich wie beschrieben nicht um einen deutschen Exporteur; die Absicherung wäre Aufgabe der französischen Regierung, von der allerdings keinerlei Signale kommen, dass sie eine Bürgschaft übernehmen würde. Die beteiligten Banken stammen hauptsächlich aus Frankreich und warten auf eine deutsche Bürgschaftszusage.

  • Es ist daher entscheidend, in diesem Bereich in enger internationaler Abstimmung vorzugehen.
  • Für die Berücksichtigung ökologischer, sozialer und entwicklungspolitischer Belange wurden im OECD-Rahmen einheitliche Umweltleitlinien entwickelt.

Diese Umweltleitlinien können einseitig von der Bundesrepublik durch weitere Bestimmungen ergänzt werden. Die Hermes-Umweltleitlinien von 2001 haben in der Zeit vor Schwarz-Gelb schon die OECD-Leitlinien mit wenigen Zeilen im Bereich der Nuklearexporte wirkungsvoll ergänzt:
„Ausgeschlossen von der Exportförderung sind Nukleartechnologien zum Neubau bzw. zur Umrüstung von Atomanlagen. Maßnahmen und Ausrüstungen, die der Stilllegung dienen oder zur Verbesserung der Sicherheitsstandards bestehender Anlagen beitragen, können im Einzelfall gefördert werden, sofern es sich nicht um Nukleartechnologien handelt.“

  • Weitergehende nationale Regelungen würden deutsche Exporte im internationalen Wettbewerb erheblich beeinträchtigen, ohne Verbesserungen in den Bestellerländern erreichen zu können, da die Besteller in der Regel ohne Weiteres auf Angebote aus anderen Ländern zurückgreifen können.

Mit dieser kurzsichtigen Argumentation lässt sich auch der Export von Landminen oder ähnlichen Grausamkeiten rechtfertigen. Im Fall von Angra 3 handelt es sich zudem nicht um einen deutschen Anbieter.

  • Die vor Vereinbarung der OECD-Umweltleitlinien national entwickelten deutschen Umweltleitlinien sind durch die inzwischen international vereinheitlichten Regelungen überholt und werden nicht mehr angewandt.

Ein Exportverbot für Atomkraftwerke oder für Komponenten ist problemlos ergänzend zu den OECD-Umweltrichtlinien einführbar.

  • Dementsprechend richtet sich der Interministerielle Ausschuss bei seinen Entscheidungen nach den OECD-Umweltleitlinien und wendet diese
    unmittelbar an.
  • Dies gilt auch für deutsche Lieferungen und Leistungen, die für Nuklearanlagen im Ausland bestimmt sind. Auch hier gilt, dass eine Verweigerung von Exportkreditgarantien nur dazu führen würde, dass deutsche Exporteure sich im internationalen Wettbewerb nicht mit wettbewerbsfähigen Risikoabsicherungen und
    Finanzierungsangeboten beteiligen können, ohne dass dies auf die Entscheidung über die Errichtung von Nuklearanlagen im Ausland einen Einfluss hätte.

Ein Rückzug hätte gewiss nur geringe Folgen für die Entscheidung der brasilianischen Regierung – wohl aber auf deren Umsetzung. Eine Aufkündigung der deutschen Zusage hätte höchstwahrscheinlich das Ende des Projekts zur Folge, da bisher keine anderen Exportbürgschaften zur Diskussion stehen. Gleichzeitig handelt es sich, wie schon beschrieben, um keinen deutschen Exporteur.

  • Selbstverständlich werden die OECD-Umweltleitlinien auch für Exporte angewandt, die für Nuklearanlagen bestimmt sind.

Durch den beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie, wie Deutschland ihn jetzt – weltweit einmalig – betreibt, ändert sich daran nichts. Wir müssen vielmehr zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der Rest der zivilisierten Welt diesem Weg (noch) nicht anschließt. Meines Erachtens haben wir auch nicht das Recht, anderen, souveränen Staaten vorzuschreiben, wie diese ihre Energieversorgung sicherstellen.

Gewiss wäre es falsch, anderen Staaten vorzuschreiben, wie sie ihre Energieversorgung sicherstellen sollen. Mit einer Bürgschaft für Angra 3 würde die Bundesregierung aber ihren eigenen Atomausstieg der Lächerlichkeit preisgeben, da sie ein Projekt aktiv fördern würde, welches hierzulande aus ethischen und sicherheitstechnischen Überlegungen heraus keinerlei Chance auf Verwirklichung hätte.

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Autor*innen

Der studierte Architekt Fritz Mielert (*1979) arbeitet als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Zwischen 2011 und 2013 betreute er bei Campact Projekte im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, baute maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Alle Beiträge

3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Mein letztes Huhn

    Was soll ich nur tun,
    ich habe nur noch ein Huhn.
    Es waren mal an die Tausend,
    alle musste ich verschmausen.

    Es sollte eine Konjunktur sein,
    ich ließ mich auf den Handel ein.
    Europa alle Hühner gleich,
    jedes Ei, jede Feder Bio, mein Bereich.

    An´s Gängelband mit Subventionen,
    für den Bauern sollte es sich lohnen.
    Nur hielt sich die Industrie nicht daran,
    Futter für Profit vergiften kann.

    Meine Hühner sollten frei laufen,
    die Bürger nur Gesundes kaufen.
    Billig sollte es auch noch sein,
    da brach das Konstrukt ein.

    Es regnet Gift von der Schwerindustrie,
    meine Hühner gaben kein Kikeriki.
    So musste ich alle selber essen,
    der Kunde hat mich vergessen.

    Nun steht es da, mein Huhn,
    was soll ich nur tun.
    Essen, dann habe ich kein Ei,
    mit dem Bauer sein ist es vorbei.

    Kollegen haben auf Biogas gesetzt,
    sich mit Mono und Dünger den Boden verätzt.
    Was war der Bauer mal schlau,
    ließ ihn leben von Mich und Ackerbau.

    Wir wollen den Bürger ernähren,
    nicht vergiften mit unseren Ähren.
    „Man schlachtet nicht die Kuh die man melkt“,
    nicht für Masse, nicht für Geld.

    Frank Poschau
    21.10.11

  2. Es ist ein guter Schritt, dass Deutschland aus der Atomenergie aussteigt. Klar kann man den anderen Ländern nicht verbieten, wie sie ihren Strom beziehen, dennoch wird Deutschland bald als ein gutes Vorbild dastehen.

    Wenn jetzt allerdings für Angra 3 gebürgt wird, wäre das alles andere als Vorbildhaft und doch sehr lächerlich.
    Ich habe zudem das Gefühl, dass die Politiker selber nicht mehr so genau wissen, was zu tun ist.

  3. Was manche politisch Verantwortliche sagen, lässt doch tief blicken.

    Sicher, Deutschland kann anderen Staaten nicht vorschreiben, wie sie die Energieversorgung betreiben, ABER MUSS die Bundesregierung
    deren Atompolitik noch UNTERSTÜTZEN und FÖRDERN, und sei es nur durch eine Bürgschaft, während sie GLEICHZEITIG gewillt ist, hier in unserem Land langfristig gesehen AUS DER ATOMPOLITIK auszu-steigen?!
    Das lässt doch den Schluss nahe, dass sie von der jetzt eingeschla-genen Abkehr von der Atomenergie IN WIRKLICHKEIT NICHT RICHTIG ÜBERZEUGT ist!
    DENN wie soll der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch gesagt haben:
    „Wir haben das nur gemacht wegen der Befindlichkeit der Menschen“.
    Wenn dessen Aussage gewissermaßen stellvertretend für die Haltung der schwarz-gelben Koalition steht, DANN sagt das doch ALLES!
    Das heißt ABER AUCH, und das lässt es sozusagen durchblicken, dass
    die Regierungskoalition im Grunde nur allzu leicht einknickt und zu allem JA und AMEN sagt …
    Sie tut wohl kaum etwas aus EINSICHT oder ÜBERZEUGUNG, sondern weil es halt andere so wollen …
    Damit zeigt sie doch, dass sie hinter der jetzigen Atompolitik NICHT VOLL und GANZ dahintersteht!
    IM GEGENTEIL! UND DAS stimmt mich recht NACHDENKLICH.
    JEDERZEIT könnte also vielleicht ihre derzeitige Einstellung zur Atompolitik gekippt werden, spätestens durch eine andere Regierung?!
    DAHER müßte der VERZICHT auf Atomenergie doch unbedingt ins GG reingeschrieben werden und dadurch garantiert werden. – – –

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