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EU-Gipfel scheut vor Bankenregulierung zurück

Die Beschlüsse des EURO-Gipfels bringen bestenfalls eine Atempause. Auch wenn die Banken nun einen größeren Beitrag leisten sollen, bleiben die Regierungen Getriebene der Finanzmärkte. Grundlegende Konsequenzen aus der Finanzkrise wurden immer noch nicht gezogen. Wir müssen weiter Druck machen.

Bis in die frühen Morgenstunden verhandelten die EU-Regierungschefs gestern über einen Ausweg aus der Finanzkrise. Schließlich einigten sie sich darauf, dass Banken und Versicherungen Griechenland die Hälfte seiner Schulden erlassen sollen – etwa 100 Milliarden Euro. Lange hatte sich die Finanzlobby dagegen gesträubt, doch am Ende musste sie einsehen, dass eine ungeordnete Griechenland-Pleite für sie noch viel teurer würde. Ob der Schuldenschnitt von 50 Prozent aber ausreicht, ist ungewiss. Manche Experten halten einen „Haircut“, einen Schuldenschnitt also, von 60 oder gar 70 Prozent für nötig, wenn Griechenland wieder auf die Beine kommen soll. Und der Schuldenverzicht der Banken freiwillig, ob wirklich neunzig Prozent der privaten Gläubiger mitziehen ist unsicher.

Ein weiteres Ergebnis des Gipfels ist, dass die Banken bis Mitte des nächsten Jahres ihre so genannte „Kernkapitalquote“ auf neun Prozent erhöhen müssen. Die Europäische Bankenaufsicht EBA schätzt, dass die Banken dafür etwa 106 Milliarden Euro benötigen. Trotzdem stiegen die Aktienkurse der Banken gestern steil an – offenbar hatten die Anleger mit einem weit stärkeren Schuldenschnitt gerechnet. Zudem werden die verbleibenden 50 Prozent ihrer griechischen Staatsanleihen vom Euro-Schutzschirm EFSF gesichert – das Verlustrisiko für diese Hälfte sind sie also los. Um ihr Eigenkapital zu erhöhen sollen die Banken eine Zeit lang auf die Auszahlung von Dividenden und Boni verzichten. Die deutschen Banken gaben sich gestern zuversichtlich, dass sie die Kapitalerhöhung ohne weitere Staatshilfen schaffen. Anders sieht es dagegen bei den griechischen Banken aus: Einige von ihnen müssen wohl vorübergehend verstaatlicht werden.

Aktion in Berlin – Foto: Jakob Huber / Campact

Aktion in Berlin – Foto: Jakob Huber / Campact

Die Gipfelbeschlüsse bringen bestenfalls eine Atempause

Ob der Schuldenschnitt, die „Rekapitalisierung“ der Banken und die Hebelung des Euro-Schutzschirms EFSF die erhofften Wirkungen zeitigen werden, bleibt jedoch ungewiss. Auch die Kommentatoren sind sich da uneins. So meint etwa Ulrike Hermann in der taz, dass selbst die Hebelung des des Rettungsschirmes auf rund eine Billion Euro nicht ausreichen wird, um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen. Bestenfalls dürften die Gipfelbeschlüsse eine Atempause verschaffen, der erhoffte Befreiungsschlag aus der Krise sind sie aber nicht. Natürlich ist es ein Fortschritt, dass die Banken nun einem Schuldenschnitt von 50 Prozent zugestimmt haben – im Juli waren sie nur zu 21 Prozent bereit. Doch wenn die Wirtschaft in Griechenland nicht wieder in Schwung kommt, dann werden die Griechen trotz Schuldenschnitts nicht die Mittel für Zinsen und Tilgung ihrer verbleibenden Schulden aufbringen können. Deutschland hat bekanntlich mehr Schulden als Griechenland, das ist nur deshalb kein solches Problem, weil die deutsche Wirtschaftsleistung viel höher ist, und sich die Regierung hierzulande deshalb auch mehr Schulden leisten kann.

Sparen allein wird Griechenland nicht helfen. Das Land muss auch seine Wirtschaft ankurbeln und modernisieren. Und die Gefahr ist groß, dass das Brüsseler Spardiktat genau das verhindert. Vor allem wenn es die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sind, die unter den Sparprogrammen zu leiden haben, während die Millionäre geschont werden. Klar ist jedenfalls, dass Griechenland mit dem Schuldenschnitt noch keinesfalls über den Berg ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch Wolfgang Lieb auf den Nachdenkseiten.

Was gänzlich fehlt bei den Brüsseler Gipfelbeschlüssen, sind grundlegende Konsequenzen aus der Finanzkrise. Dabei wird inzwischen immer klarer, dass die EU-Regierungschefs Getriebene der Finanzmärkte bleiben, solange sie den Banken keine klaren Schranken setzen. Es wird deshalb darauf ankommen, weiter Druck zu machen, damit die Kanzlerin und Die EU-Regierungschefs endlich tun, was sie versprochen haben: Strenge Regeln für Banken und Finanzmärkte durchzusetzen, damit nicht nach 2008 und 2011 bald schon wieder Banken mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Die gegenwärtige Krise ist auch eine Folge des Scheiterns der EU-Regierungen bei der Regulierung der Finanzmärkte. Um entschlossene Konsequenzen zu fordern, werden wir am 12. November das Regierungsviertel in Berlin und das Bankenviertel in Frankfurt am Main umzingeln. Um die Forderung „Banken in die Schranken“ auf die Straße zu tragen, brauchen wir die Unterstützung von vielen Menschen. Bringen Sie sich mit ein!

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Lieber Campact- Pressesprecher,
    von dem dieser Artikel stammt. Ich stimme mit Dir völlig überein, dass es bei uns Zeit wird, einen wirklichen Kampf zu führen gegen die Allmacht der großen Banken und den ihnen hörigen Regierungen, voran Merkel und Co; aber mir kommt es vor, als würdest Du wie ein Kaninchen auf die Schlange auf die Bereitschaft „unserer“ Regierung schauen, dass sie doch bitte bitte endlich die Banken in die Schranken weist. Entschuldige, aberr das tut sie nicht und wird sie nie tun. Die geäußerte Kritik an den Banken oder die vermeintliche Bereitschaft, den Banken Grenzen zu weisen, sit nur Geklapper fürs Volk. Das wollen die gar nicht! und können sie auch nicht, denn: die Macht haben die Multis, die Übermonopole, das internationale Finanzkapital – und dazu, um die abzusichern, bedienen sie sich der Regierungen und der internationalen Institutionen. Die sog. Rettungsschirme sind Profitsicherungsprogramme für die Großbanken. Eine Steuer für die Reichen oder „Reduzierung“ der Banken auf kleinere Einheiten – das tut nichts; es gibt nur eins: den Kampf zu führen um die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Abschaffung des Profitsystems. Damit alles, was die Menschen erarbeiten, auch den Menschen zu Gute kommt und endlich die verbrecherische Zerstörung unserer Lebensgrundlagen für den Profit beendet wird – dazu lohnt es gemeinsam zu streiten und zu kämpfen. Und immer mehr Demonstranten der OCCUPY-Bewegung wollen das.

  2. Es ist egal wo, es scheint wohl immer so zu sein:
    Unter dem Sparprogramm haben lediglich die kleinen Leute zu leiden!
    Die Wohlhabenden sind meistens fein heraus, sozusagen aus dem Schneider, obwohl diese die Verursacher der Misere sind?!
    In einer Sendung kam ein Bericht über junge reiche Griechen auf einer griechischen Insel … Ich glaube, es war Mykonos.
    Da sah man die Betreffenden tanzend und über die mitwirkende oder zuschauende Menge Champus versprühend, während wohl viele mit geringem Einkommen sehen müssen, wie sie mit ihrem bisschen Geld klar kommen.
    Die zur Schaustellung ihres happy feelings dieser Oberen Zehntausend
    trotz Krise hat mich so angewidert, dass ich direkt umgeschaltet habe.
    DAS, was dort geschah, stellt für meine Begriffe, wie wohl Herr Westerwelle im Grunde sagen müßte, spätgriechische Dekadenz – mit allen Konsequenzen dar! – – –

  3. Es wird sich einfach nicht getraut das System an sich in Frage zu stellen.Aus diesem Grund ist und bleibt die Kritik und die daraus resultierenden Maßnahmen systemimmanent.Was im Klartext nur ein Weiterschieben der strukturellen Probleme bedeutet.Ich habe leider keine klare Vorstellung von „nach dem System“…aber es wird irgendwann soweit sein.Dann sollten wir allerdings in der Lage sein damit umzugehen.Wenn wir es nicht sind wird es nicht gut ausgehen.

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