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Turbulente Übergabe: 80.000 Unterschriften an Frau Aigner

Über 80.000 Menschen unseren Appell "Agrarindustrie nicht länger mästen" unterzeichnet. In einer turbulenten Aktion haben wir ihn auf der "Grünen Woche" in Berlin an Landwirtschaftsministerin Aigner überreicht.

In den letzten drei Monaten haben über 80.000 Menschen unseren Appell „Agrarindustrie nicht länger mästen“ unterzeichnet. Jetzt haben wir ihn auf der „Grünen Woche“ in Berlin in einer turbulenten Aktion an die zuständige Landwirtschaftsministerin Aigner überreicht.

Auf der Messe „Grüne Woche“ feiert sich die Landwirtschaft Jahr für Jahr selber mit einer gehörigen Portion Folklore. Da gehört eine ganze Etage einer Messehalle als Erlebnisbauernhof gestaltet und mit echten Tieren bestückt genauso dazu wie Ministerin Aigner, die mit dem Traktor von Event zu Event kutschiert wird.

Die Ministerin hatte über ihr Büro zugesagt, sich für zehn Minuten anzuhören, was über 80.000 Menschen von ihrer Blockade einer grüneren und gerechteren Vergabe der EU-Agrarmittel in Brüssel halten. Auch ihre Position wollte sie uns darlegen. Doch es kam anders: Ministerin Aigner kam nicht zum verabredeten Treffpunkt, sondern nahm einen anderen Eingang. Umringt von Journalisten trafen wir sie auf einem Traktor sitzend. Ihre Bodyguards versuchten uns abzudrängen als wir unsere Schilder hoch hielten. Von einer Diskussion mit uns wollte sie nichts wissen. Sie weigerte sich sogar die Unterschriften, persönlich anzunehmen.

Dass sie für unsere Argumente nicht zugänglich sein würde, wussten wir, seitdem sie gestern in ihrer Pressekonferenz zur Grünen Woche die Protestierenden unter dem Motto „Wir haben es satt!“ direkt angegriffen hatte (s. taz-Artikel). Die Protestierenden seien doch satt, während eine Milliarde Menschen auf der Welt hungerten. Aigner geht wohl davon aus, dass mit der Industrialisierung und Exportorientierung unserer Landwirtschaft die Bäuche gefüllt werden könnten – welch eine Fehleinschätzung! Spätestens mit dem Weltagrarbericht von 2009 ist bekannt, dass 80% der Hungernden Landbewohner sind, die Zugang zu Land und regionaler Vermarktung brauchen. Nur so können die Bäuche gefüllt werden. Frau Aigner braucht in diesem Punkt dringend Nachhilfe!

Natürlich waren wir enttäuscht, dass sie uns ein Angebot für die Übergabe macht und sich dann selbst nicht an die Absprache hält. Und dass sie es gar nicht für nötig hält, 80.000 Menschen ihre Politik in Brüssel zu erklären und sich auf eine Auseinandersetzung über strittige Punkte einzulassen. Das ist schwach für eine Bundesministerin. Letztlich erhielten wir durch ihre Referentin das Angebot, nach ihrer Veranstaltung auf der Bühne die Unterschriften vor der Messehalle entgegenzunehmen. Dementsprechend war die Presse fort, als sie dann wirklich auf uns traf. Sie wollte es auch schnell hinter sich bringen, ließ keine Diskussion zu und nahm die Unterschriften auch nur über ihren Referenten entgegen, als wollte sie sich die Hände nicht schmutzig machen. Dabei geht es um die Meinung von über 80.000 Bürger/innen und um deren Wunsch, darüber eine öffentliche Debatte zu führen.

Das waren unsere Forderungen in Kurzform: Wir forderten die Minsterin auf, die Reformvorschläge von EU-Kommissar Dacian Ciolos für die Gemeinsame Agrarpolitik von 2014 bis 2020 in Brüssel klar zu unterstützen:

– Subventionszahlungen müssen künftig an die Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien gebunden werden – hierzu zählen eine Fruchtfolge, der Anbau verschiedener Kulturen, der Erhalt von Dauergrünland und ein Anteil von ökologischen Vorrangflächen. Der Kommissionsvorschlag muss hier noch verschärft werden und es fehlt beispielsweise die Integration von Leguminosen als Proteinalternative zu Importsoja.
– Es braucht eine Kappung der Direktzahlungen ab einer bestimmten Betriebsgröße, gerade wenn hier kaum Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Drittel aller Subventionen fließen in gerade einmal 1,5 Prozent der Betriebe. Hier muss unbedingt angesetzt werden, um das Sterben der Höfe aufzuhalten.

Dieses Wochenende steht ganz unter dem Einsatz für Bauernhöfe statt Agrarindustrie. So hatten wir heute Vormittag die Gelegenheit genutzt, in einem Bürger/innen-Dialog mit Agrarkommissar Dacian Ciolos persönlich über die Agrarreform zu sprechen. Etwa hundert Menschen waren der Aufforderung gefolgt. Ich durfte für Campact auf dem Podium sagen, dass der Grundsatz der Agrarreform „Öffentliche Gelder für öffentliche Güter“ endlich bedeuten muss, dass die Landwirte darin unterstützt werden, lebendige und vielfältige Kulturlandschaften zu erhalten.

Agrarkommissar Ciolos machte deutlich, dass er mit seinen Vorschlägen zur Reform Wachstum und Ressourcenschutz unter einen Hut bringen will. Er beschrieb die EU als einen Elefanten, der sich nur sehr langsam in Bewegung setzt. Für ihn wäre es deshalb ein großer Schritt, wenn es überhaupt einen Impuls in Richtung Ökologisierung der Landwirtschaft gäbe, auch wenn konkrete und wirksame Maßnahmen nicht durchsetzbar seien. Das ist wenig für die Veränderungen, die wir angesichts des Klimawandels, des Tierleids und Höfesterbens sehen wollen. Als realistische Einschätzung seiner Möglichkeiten als EU-Agrarkommissar ist es wahrscheinlich viel.

Und morgen geht der Protest auf die Straße: Anlässlich der „Grünen Woche“ und des internationalen Agrarministertreffens in Berlin ruft ein breites gesellschaftliches Bündnis für den morgigen Samstag zur Demonstration auf. Tausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet werden zur Demo „Wir haben es satt!“ erwartet.

Um 11:30 Uhr geht es am Washingtonplatz (Hbf) los. Vor dem Kanzleramt gibt es eine Kundgebung mit spannenden Reden, heißer Suppe und Musik von Dota der Kleingeldprinzessin. Fordern Sie mit uns von Ministerin Aigner und der Bundesregierung ein Umlenken in der Agrarpolitik – in Berlin und Brüssel. Kommen Sie zur Demo!

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

10 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. @Ohje:
    Was haben Campact und andere ähnliche Organisationen mit ÖkoFASCHISTEN zu tun?!
    Ich glaube wirklich – anlehnend an das bekannteste Buch der Welt:
    Sie wissen NICHT, was Sie sagen!

    Und zu Frau Aigner:
    Sie ist für das Ministerium eine einzige Fehlbesetzung – was hat sie da verloren, frage ich mich tatsächlich.
    Zusätzlich ist sie von falschen Beratern umgeben.

    AgrarFABRIKEN mit allem Drum und Dran u.a. — entspricht das den CHRISTLICH-SOZIALEN Werten?
    Wohl nicht!
    Eben eine Mogelpackung … Was außen auf den Fahnen geschrieben steht, ist keineswegs drinnen.
    Ergo:
    Von wegen authentisch oder glaubwürdig!

    Schon allein aufgrund des äußerlichen, CHRISTLICH-SOZIALEN Anstrichs
    müsste sie GEGEN Agrarfabriken, Gentechnik u. dgl. sein,
    was ABER nicht der Fall ist. – – –

  2. @Ohje hat wohl in Mathe gepennt, denn seine Meinung ist eine einzelne, während 80000 eine Menge ist.
    COMPACT ist aktiv und super!

  3. Die Minsterin hat vermutlich bessers zu tun, als Eure mittelalterliche Hexenjagd zu unterstützen. 80000 Menschen sind doch nicht viel.. Die geitigen Ziehväter der Ökofaschisten konnten mit ihrer Hetze ganz ohne Intenet viel mehr Menschen mobilisieren.

  4. Wem steht Frau Eigner näher? Dem tumben Wahlvolk, den nervigen Umweltaktivisten, den Nörglern und Kritikern ihrer „Politik“? Oder doch eher der Lebensmittelindustrie bzw. deren Lobbyverbänden? Erstere werden ihr schliesslich nach Ende ihrer Ministerkarriere bestdotierte „Beraterverträge“ oder attraktive Aufsichtsratsposten offerieren.
    Urlaub auf dem Bauernhof oder doch lieber in einem luxuriös eingerichteten Ferienhaus langjähriger enger Freunde aus Wirtschaft und Industrie?
    Schicke Empfänge mit den „wichtigen“ Leuten unseres Landes, oder nervige Treffen mit Leuten, von denen nichts als nur Ärger zu erwarten ist?
    Unsere politische „Elite“ ist verdorben, durch die vielen „Vorteile“, die Ihnen die wirklich Mächtigen offerieren.
    Die tiefen aufrichtigen „Freundschaften“ zwischen Politik und Geld sind nichts anderes als eine miese Kungelwirtschaft zur Erzielung gegenseitiger Vorteile.
    Solange diese Kungelei zwischen Politik und Kapital nicht durchbrochen wird, solange werden sich die Aigners dieser Welt ausschließlich um die eigenen Interessen und denen ihrer „Freunde“ kümmern.

  5. Diese arrogante, ignorante und überhebliche Art dieser Frau ist einfach nur unglaublich, unerträglich und peinlich. Aber Hauptsache immer schön in die Kameras grinsen. Und dass sie da in so einer Tracht aufmaschiert ist auch lächerlich.
    Aber schön, dass ihr trotz allem so hartnäckig gewesen seid. Da kann man nur hoffen, dass sie die Unterschriften nicht gleich in den nächsten Aktenvernichter getan hat.

    • Dem stimme ich voll und ganz zu!!!

      Auch ich bin fassungslos über diese derart widerwärtige Ignoranz
      die diese dämliche Frau Aigner da an den Tag legt…
      Wofür hält die sich eigendlich?! Wie kann man nur so ätzend sein!

  6. Ich denke, friedliche Aktionen bringen nichts mehr, es sollte zu deftigeren Aktionen übergegangen werden. Wie wäre es z.B., ein mit Gülle entladenes Löschflugzeug über dem Reichstag zu entladen ???

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