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Steigende Nahrungsmittelpreise: Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

Man könnte von Fahrlässigkeit sprechen: Während Entwicklungshilfeminister Niebel in Afrika mehr Unterstützung zur Bewältigung von Krisen fordert, unternimmt die Regierung nichts gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln, einen wichtigen Auslöser für Hungerkrisen. Welche verheerende Wirkung dieses Nichtstun hat, zeigt sich momentan an den Märkten. Trotz ausreichend vorhandener Vorräte treiben Spekulanten seit Wochen die Preise für Grundnahrungsmittel erheblich in […]

Man könnte von Fahrlässigkeit sprechen: Während Entwicklungshilfeminister Niebel in Afrika mehr Unterstützung zur Bewältigung von Krisen fordert, unternimmt die Regierung nichts gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln, einen wichtigen Auslöser für Hungerkrisen.

Welche verheerende Wirkung dieses Nichtstun hat, zeigt sich momentan an den Märkten. Trotz ausreichend vorhandener Vorräte treiben Spekulanten seit Wochen die Preise für Grundnahrungsmittel erheblich in die Höhe – und das nur, weil in Nordamerika aufgrund von Dürre schlechte Ernteerträge für dieses Jahr und damit höhere Preise für 2013 erwartet werden. Ohne das massive Gezocke gäbe es momentan keinen Grund für steigende Preise.

Doch diesen Zusammenhang scheint die Bundesregierung nicht zu sehen. In einer Antwort auf eine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Niema Movassat erklärte das Kanzleramt, „Ursache des gegenwärtig starken Preisanstiegs wichtiger Agrarrohstoffe an den Termin- und Kassamärkten sind Hitze und Dürre vor allem im sog. Maisgürtel der USA“. Sie beschränkt sich darauf, auf die laufende Reform der europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) zu verweisen.

Diese Richtlinie soll erstmals auf Agrarmärkte ausgeweitet werden, weshalb es erfreulich ist, dass sich die Regierung zu ihr bekennt. Bedauerlicherweise bleibt die Novelle aber bisher in vielen Punkten schwammig. Statt dies als Chance zu begreifen, aktiv aus die Ausgestaltung einer Richtlinie Einfluss zu nehmen, zieht sich die Bundesregierung aber auf die Rolle einer Beobachterin zurück und wartet ab, was die Verhandlungen ergeben.

Dies ist umso peinlicher, als dass sich erste Großinvestoren schon von der unethischen Anlageform verabschieden: Zum 1. August hat die Commerzbank die Spekulation mit Agrarrohstoffen nach eigenen Angaben beendet.

Doch andere Investoren sehen dies weiterhin als attraktive Anlageform und so sind strenge europäische Vorgaben das einzige Mittel, um die Spekulation mit dem Hunger einzudämmen. Hierzu gehören Transparenz an den Rohstoffbörsen, ein Verbot von Investmentfonds an den Agrar-Rohstoffmärkten, strikte Beschränkungen für den Terminhandel mit Nahrungsmitteln und wirksame Kontrollen durch starke Aufsichtsbehörden, die auch präventiv eingreifen können.

Solange sie die Regierung nicht aktiv für strengere Regulierungen einsetzt werden weiterhin Millionen Menschen Hunger leiden.

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Autor*innen

Der studierte Architekt Fritz Mielert (*1979) arbeitet als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Zwischen 2011 und 2013 betreute er bei Campact Projekte im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, baute maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Alle Beiträge

4 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Weltweit wird mit nicht real existierenden Rohstoffen spekuliert. Das „gehandelte“ Spekulationsvolumen z.B. bei Mais übersteigt die Menge des real verfügbaren Mais um mehr als das 30-fache. Das heißt man braucht keine Lager. Aber man bräuchte die Ernte von Jahrzehnten wollte man diese Menge irgendwo lagern.

  2. Und was ist mit der Deutschen Bank oder Allianz z.B.?
    Diese Institutionen zocken doch auch mit Lebensmitteln!
    Spekulationen mit Nahrungsmitteln sollten VERBOTEN werden …
    Dadurch, dass unsere schwarz-gelbe Bundesregierung nur zusieht, nichts unternimmt – gegen diese Zockerei, macht sie sich sträflicherweise
    MITSCHULDIG, dass wie viele Millionen in den armen und ärmsten Regionen
    der Welt HUNGERN (MÜSSEN).
    Und wie viele VERHUNGERN?!
    ABER gleichzeitig werden – in den REICHEN Ländern hier – wie viele Tonnen an NOCH VERWERTBAREN Lebensmitteln einfach WEGGEWORFEN … Und wie viele Menschen in den Industrieländern sind regelrecht zu DICK, während in der sogenannten dritten Welt die Menschen UNTERERNÄHRT sind!
    DAS möchte ich hier an der Stelle auch genannt wissen. – – –

  3. Der Einfluss von Rohstoffspekulationen ist bis heute absolut unbewiesen. Es gibt einige (wenige) Studien die Indizien sehen, aber ein gro der Studien kommt zu dem Schluss das kein Einfluss vorhanden ist.

    Spekulationen mit „Nahrungsmittel“ laufen nur über derivative Futurekontrakte und nicht am Spotmarkt.
    Würden die Futurekontrakte durch spekulative Nachfragesteigerung so sehr steigen, dass es sich für die Spekulanten lohnen würde diese einzulösen um sie auf dem Spotmarkt zu handeln, so müssten sie Lagerhallen mieten, Transportkosten einrechnen usw.
    Dazu würde sich die Nachfrage vom Futurekontraktmarkt auf den Spotmarkt verschieben – wodurch die Futurekontrakte wieder im Wert sinken. Ergebnis: Die Gewinnspanne wird wegarbitriert, nach Kosten(Lagerung, Transport usw) lohnt sich das Geschäft nicht.
    Deshalb ist bis heute auch kein nennenswerter mittel- und langfristiger Einfluss von Rohstoffspekulation bewiesen!
    Und das sagt selbst Paul Krugman – der ja nun kein „rechter Ökonom“ ist..

    • Unsere Partnerorganisation foodwatch geht im Report „Die Hungermacher“ (S. 46-50) ausführlich auf die Argumentation von Paul Krugman ein und widerlegt sie.

      Im Folgenden zitiere ich das Fazit des Kapitels „Futures-Märkte sind (k)ein Nullsummenspiel – Die Lagerthese von Paul Krugman“:
      So ist die Behauptung, die Spekulation mit Futures sei für die Preise im Han- del mit der physischen Ware nicht relevant, aus mehreren Gründen nicht haltbar:

      Der überwiegende Teil der spekulativen Kapitalanlage in Rohstoffen erfolgt über Indexfonds, die ausschließlich als Käufer auftreten und deshalb die Future-Preise strukturell nach oben treiben.
      Einzig die Terminbörse bietet Käufern und Verkäufern Informationen über die Marktlage insgesamt. Darum orientieren sich die Handelspartner auf den Spot-Märkten an den Bewertungen der Futures-Börsen.
      Es wäre betriebswirtschaftlich unsinnig, eine Ware auf dem physischen Markt signifikant billiger anzubieten, als dafür auf dem Futures-Markt gezahlt wird. Gleichermaßen kauft niemand auf dem Spot-Markt zu Preisen, die auf dem Futures-Markt bereits unterboten werden.
      Außerdem können hohe Future-Preise auch die Spekulation mit eingelagerten Rohstoffen antreiben und so das Angebot verknappen und den Preis weiter in die Höhe treiben, ohne dass diese Lagerhaltung verlässlich messbar ist.

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