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Geschenke über die man ungern spricht – Teil 2: Vattenfall

Wenn Ausnahmen zur Regel werden: Die größten Stromverbraucher werden durch die Regierung bei der EEG-Umlage begünstigt. Grund: Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit soll nicht gefährdet werden. Doch entsprechend mehr müssen die privaten Verbraucher_innen und öffentlichen Einrichtungen zahlen. Rund 20 Prozent der Umlage-Erhöhung im kommenden Jahr gehen auf das Konto der Ausnahmen. In einer fünfteiligen Serie wollen wir […]

Wenn Ausnahmen zur Regel werden: Die größten Stromverbraucher werden durch die Regierung bei der EEG-Umlage begünstigt. Grund: Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit soll nicht gefährdet werden. Doch entsprechend mehr müssen die privaten Verbraucher_innen und öffentlichen Einrichtungen zahlen. Rund 20 Prozent der Umlage-Erhöhung im kommenden Jahr gehen auf das Konto der Ausnahmen. In einer fünfteiligen Serie wollen wir der Frage nachgehen: Für wen müssen wir hier eigentlich die Zeche zahlen?

Zum Beispiel für Vattenfall Mining.

Unternehmen, besonders die ganz großen, inszenieren sich gern als faire Player der Marktwirtschaft. Da macht der viertgrößte Energiekonzern Deutschlands, Vattenfall, keine Ausnahme – und säuselt dem gutgläubigen Stromkunden ins Ohr: „Vattenfall gewinnt die Lausitzer Braunkohle subventionsfrei in den Tagebauen Jänschwalde/Cottbus-Nord, Welzow-Süd und Nochten/Reichwalde“. Subventionsfrei, das klingt gut, suggeriert es doch, dass der Staat den klimaschädlichsten aller Energieträger nicht auch noch bevorteilt und dem Stromkonzern damit satte Renditen beschert.

Alles ganz sauber also im Braunkohletagebau? Mitnichten. Nach Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft kostet jede Kilowattstunde dreckiger Braunkohlestrom die Gesellschaft 15,6 Cent. Nur der kleinste Teil hiervon sind staatliche Förderungen, Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Der eigentliche Kostenberg ergibt sich den verursachten Umwelt- und Klimaschäden, für die Vattenfall bislang keine Rechnung bekommt. Und von all dem profitiert natürlich indirekt auch der Braunkohlebergbau. Ohne die stillschweigende Kostenübernahme durch die Gesellschaft würde Vattenfall seine jährlich geförderten 59,8 Millionen Tonnen Rohbraunkohle lange nicht so gut los. „Subventionsfrei“ ist etwas anderes.

Was Vattenfall außerdem dreist verschweigt: Der Staat entlastet die Konzerntochter Vattenfall Mining auch kräftig bei der EEG-Umlage. Nicht nur also, dass Schwarz-gelb dafür gesorgt hat, dass sich mit dem Aufweichen der „Härtefall-Regelung“ inzwischen nahezu jedes Unternehmen mit einem Stromverbrauch ab 1.000 Megawattstunden im Jahr fast gar nicht mehr an den Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland beteiligen muss. Dadurch dass auch Vattenfall Mining mit seinem Stromverbrauch quasi automatisch von der Ausnahme-Regelung profitiert, führt die Regierung auch das eigentliche Ziel des EEG ad absurdum: So wie es derzeit gestrickt ist, befördert es nämlich zwar die Energiewende, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass der Klimakiller Braunkohle auch weiterhin zu Schleuderpreisen in die Atmosphäre gelangt. Und das, obwohl das Gesetz dem eigenen Wortlaut zufolge die Vergünstigung nur gewähren darf , „soweit hierdurch die Ziele des Gesetzes nicht gefährdet werden“. Was aber gefährdet die nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung wohl mehr als der Fortbestand der fossilen Klimakiller?

Nicht einmal die fragwürdige Argumentation für die „Härtefall-Regelung“ des EEG kann die Begünstigung von Vattenfall Mining auch nur ansatzweise legitimieren. Laut Gesetzestext wird die EEG-Umlage begrenzt, „um die Stromkosten dieser Unternehmen zu senken und so ihre internationale [..] Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“. Angesichts der seit Jahren konstanten Weltmarktpreise für Braunkohle kann hier von einem runinösen Preiskampf unter Wettbewerbern derzeit wahrlich kein Rede sein. Und da soll Stromkonzern Vattenfall seine eigene Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, so dass die Verbraucher einspringen müssen, um den Konzern vor dem Untergang zu bewahren?

Vattenfall Mining ist neben der RAG Steinkohle AG eines von zwei Kohlebergbau-Unternehmen mit 29 Standorten, die von der vergünstigten EEG-Umlage profitieren. Wie hoch der tatsächliche Stromverbrauch der Branche ist, wollen weder die Unternehmen noch der zuständige Branchenverband preisgeben. Auch das für die Genehmigung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hüllt sich in Schweigen.

Der Adventskalender der Ausnahmen entstand in Kooperation mit der Redaktion von klimaretter.info – dem Magazin für die Meinungsführer der Energiewende.
Alle Rechte an dieser Artikelserie liegen bei klimaretter.info.

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Autor*innen

Der studierte Architekt Fritz Mielert (*1979) arbeitet als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Zwischen 2011 und 2013 betreute er bei Campact Projekte im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, baute maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Alle Beiträge

6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Braunkohletagebau:
    Umwelt- und Klimaschäden – ABER was ist mit den Menschen, die dort (noch?)
    leben und davon betroffen sein werden und schon sind?
    An die denkt wohl im Grunde niemand, denn im Bericht ist von ihnen keine Rede. Stellen Sie sich vor, Sie müssten quasi von heute auf morgen, zumindest in absehbarer Weise, diesem Tagebau weichen, Ihren Grund und Boden verlassen! Sie verlieren Ihre angestammte Heimat, und das fällt manchen älteren und besonders alten Leuten schwer.
    Die Frage: Wurden Sie angemessen entschädigt oder wurden Sie hierbei noch im schlimmsten Fall über den Tisch gezogen? – wäre auch sehr wichtig … – – –
    Die SOZIAL-MENSCHLICHE Komponente fand bei diesem Bericht, wie ich finde, überhaupt keine Berücksichtigung – ODER ist dies in Bezug auf den bestimmten, im obigen Artikel genannten Braunkohletagebau bereits geklärt und schon deshalb gewissermaßen Geschichte?
    Sorry, wenn ich DIESBEZÜGLICH nicht auf dem Laufenden sein sollte!
    DOCH obige Überlegungen wären durchaus schon angebracht, falls noch weitere Regionen für den Braunkohletagebau erschlossen werden (sollen) …

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