„Alles hängt immer mit allem zusammen“, sagt uns heute kein Zen-Buddhist, sondern unsere Bundeslandwirtschaftministerin Ilse Aigner. Klarere Antworten, wie sie konkret zu unseren Forderungen zur Ökologisierung der EU-Agrarreform steht, bleibt uns die Ministerin schuldig. Das ist schade. Denn wir übergeben ihr heute die Forderungen von über 200.000 Bürger/innen, die sich in den vergangenen Wochen mit ihrer Unterschrift gegen das Bienensterben und für einen Paradigmenwechsel in der EU-Agrarpolitik eingesetzt haben.
Foto: Jakob Huber/Campact
Schon vor dem Gespräch drängt uns das Ministerium ins Abseits. Den öffentlichen Übergabetermin während der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ im Januar nimmt Ministerin Aigner nicht an. Auf Nachfrage bietet uns ihr Referent ein Gespräch und eine Übergabe der Unterschriften im Ministerium an. Gespannt auf den inhaltlichen Austausch, ließen wir uns darauf ein, auf eine öffentliche Übergabe mit Presse zu verzichten. Gestern Nachmittag dann: Kürzung unserer Zeit auf 10 Minuten und Absage des Gesprächsteils.
Entsprechend wenig gesprächsbereit zeigte sich heute die Ministerin. Wir fragen, wie sie zu dem Vorschlag der Kommission steht, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) künfitg nur noch Betriebe mit Direktzahlungen zu subventionieren, die sieben Prozent der Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen nutzen. Sie sagt, sie will keine Stilllegung der Flächen. Wir: Das wollen wir auch nicht. Im Gesetzesvorschlag ist ausdrücklich von „im Umweltinteresse genutzten Flächen“ die Rede. Dazu mag sie sich nicht äußern.
Ihr Referent versucht später das Verhalten der Ministerin aufzuklären, verwickelt sich aber in Widersprüche. Zur Frage, warum sein Ministerium unter dem Stichwort Flächenstilllegung öffentlich Vorrangflächen in Frage stelle, meint er, sie wollen auch eine vielfältige, ökologische Nutzung. Nur dass sie so lange von Stilllegung sprächen, bis die Kommission ein Papier auf den Tisch lege, in dem die gemeinten Flächennutzungen genau aufgeführt werden. Das ist unglaubwürdig! Die Ministerin wettert Monate lang gegen einen Vorschlag um dann plötzlich dafür zu stimmen? Der französische Agrarminister macht vor, wie man sich konstruktiv in die Debatte einbringt: Er legte der Kommission eigene Vorschläge für „im Umweltinteresse genutzte Flächen“ vor.
Ilse Aigner will sich ebenfalls nicht zu dem Deal äußern, den Bundeskanzlerin Merkel vielleicht schon morgen auf dem Finanzgipfel der EU lancieren wird: Wenn die ökologischen Vorrangflächen von 7 auf 3,5 Prozent zusammengestrichen werden, dann bleibt es beim Budget der direkten Zahlungen an die Landwirte (1. Säule). Von diesem Deal sprechen die Medien von der Süddeutschen bis zum Spiegel ebenso wie ein offener Brief einiger Agrarminister/innen der Länder.
Ministerin Aigner meint dazu in Buddha-Manier: „Alles hängt immer mit allem zusammen“. Bevor die Staatschefs nicht das Agrarbudget festgelegt haben, könne sie zu 7 oder 3,5 Prozent gar nichts sagen. Doch dann ist es wahrscheinlich schon zu spät. Ilse Aigner müsste bekannt sein, dass mit den Budget-Verhandlungen auch inhaltliche Entscheidungen getroffen werden.
Etwas buddhistische Gelassenheit könnte der Ministerin übrigens guttun. Ihre aggressive Diskussionsweise ließ sie heute an den Jugendlichen der BUNDjugend aus. Diese waren mitgekommen, um ihre gesammelten Unterschriften für eine grüne EU-Agrarreform zu überreichen. Oberlehrerhaft bohrte Aigner nach Detailwissen in ihren Forderungen, nur um zu beweisen, dass sie selbst mehr Ahnung von der Materie habe als die Jugendlichen. Wie peinlich!
Wie dünnhäutig Aigner auf uns reagiert ist auch ein Beleg, wie sehr unser Druck ankommt. 25.000 Menschen, die bei Minustemperaturen in Berlin am 19. Januar für eine andere Agrarpolitik auf die Straße gegangen sind, 200.000, die unseren Appell unterzeichnet haben – sowas hinterlässt anscheinend auch im Agrarministerium Eindruck.
Wir bleiben weiter dran – und schauen gespannt auf den EU-Gipfel nach Brüssel, wo in den nächsten Stunden wichtige Entscheidungen zum allgemeinen Finanzrahmen der EU und damit auch zur EU-Agrarreform fallen.
Es ist doch mehr als offensichtlich, daß die Verbraucherschutzministerin eher eine
Erzeugerschutzmiisterin ist. Nun bedenkt man ihre Herkunft scheint es auch nicht
weiter verwunderlich.
Jedweden Skandal und Fehler entgegnet sie mit stoischer Gelassenheit und
mit immerzu gleichen, nichtssagenden Worthülsen.
Es wäre nun endlich an der Zeit für sie den Hut zu nehmen.
Vermutlich wird sie aber wie die meisten zeitgenössischen Politiker an ihrem Posten kleben.
E.Ludwig
ich habe eigentlich nichts anderes erwartet der kampf geht weiter versprochen
Imkermeister Klaus Ahrens Geschäftsführer DBIB Niedersachsen
es ist doch beschämend für unsere Regierung wie wenig Aigner und Co. die Interessen des Staates (der Bürger) vertreten.
Gesetze kreieren und unterstützen die der „Industrie“ dienen, immer mehr Geld zu erwirtschaften ohne Rücksicht auf Verluste nach dm Motto nach mir die Sintflut – was interessiert mich die Welt und die kommenden Generationen…….
Auch sehr bedenklich die Tatsache, dass diese Regierung die NICHTS für ihre Bürger tut aber alles ihren Lobbyisten recht macht, seit Jahren von dem größten Teil der wählenden Bevölkerung gewählt wurde und immer wieder wird.
Als würden sie alle zu den 6 – 10 % der bedienten Klientel gehören, dieses Mysterium wird sich mir nie erschließen.
Nicole
Aufgepasst! – Bei „die Bürokratie blüht!“ tritt wohl gleich Herr Stoiber auf den Plan, – um ihr entgegenzusteuern!
Nur ein kleiner Spaß am Rande … Karneval lässt grüßen.
Das entspricht doch voll dem Verhalten unserer derzeitigen Bundesregierung.
Sie ziehen sich ein grünes Mäntelchen über, um ihre schwarze Seele zu verstecken um nicht noch mehr Wähler zu verlieren.
Also alles auf Linie !
Das Bundeslandwirtschaftsministerium und Ministerin Aigner haben keine Position zur Agrarreform??
Bei der Übergabe der Unterschriften im Ministerium hat Frau Aigner Ihnen die Position der Bundesregierung und der 16 deutschen Bundesländer klar dargelegt. Schade, dass „Campact“ die Argumente unter den Tisch fallen lässt. Transparenz sieht anders aus.
Die Position der Bundesregierung in aller Kürze:
Deutschland hatte sich im Herbst 2010 als einer der ersten Mitgliedstaaten zu den Grundzielen der neuen EU-Agrarreform bekannt und steht auch weiterhin klar zum Greening. Mit anderen Worten: Wir unterstützen in weiten Teilen das, was Kommissar Ciolos an Umweltmaßnahmen vorschlägt. Wichtig ist, dass damit ein echter Mehrwert für die Umwelt verbunden ist. Das Greening muss praktikabel und vernünftig sein. Wenn am Ende nur die Bürokratie blüht, ist keinem geholfen.
Wie Sie wissen, war es die EU-Kommission, die anfangs die Forderung nach einer pauschalen Flächenstilllegung in die GAP-Verhandlungen eingebracht hat. Und wie Sie wissen, würden es die Bundesregierung und die 16 Bundesländer sehr begrüßen, wenn man sich auf ökologische Vorrangflächen verständigen könnte, auf denen eine umweltschonende Bewirtschaftung, etwa mit Eiweißpflanzen, möglich wäre, die keinen Stickstoffdünger benötigen. Auch hier ist unsere Position zur EU-Agrarreform klar und vielfach belegt – auch wenn es von „Campact“ im Rahmen der laufenden Kampagne immer noch wissentlich falsch dargestellt wird.
Um auch dieses – immer wieder bemühte – Vorurteil bezüglich der deutschen Verhandlungsposition auszuräumen, bestätige ich Ihnen gerne erneut, dass es unsere Forderung im Rahmen der Agrarreform ist, die EU-Agrarexporterstattungen vollständig abzuschaffen.
Wie Sie ebenfalls wissen, fordert Deutschland in den laufenden Verhandlungen außerdem, dass alle EU-Partner endlich die Ziele der zurückliegenden Agrarreform genauso umsetzen wie wir: Deutschland fördert ab diesem Jahr nur noch die Bewirtschaftung der Fläche über regional einheitliche Hektarprämien. Damit fördern wir nicht mehr länger die Produktion, sondern stattdessen die nachhaltige Bewirtschaftung von Land: Ab 2014 wird beispielsweise ein Landwirt in Deutschland, der nur Tiere hält und nicht gleichzeitig auch Flächen in nachhaltiger Weise bewirtschaftet, keinen Cent Regelförderung mehr erhalten. Nur zwei von insgesamt 27 EU-Staaten haben diese ehrgeizige Reform der Direktzahlungen bisher umgesetzt. Wir fordern die EU-Kommission auf, darauf zu dringen, dass die übrigen Mitgliedstaaten die Modernisierung und Ökologisierung der Landwirtschaft genauso entschlossen vorantreiben wie Deutschland. Auch in diesem Ziel sind wir uns mit den vielen Umwelt- und Naturschutzverbänden in Deutschland einig.
Herzliche Grüße aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium,
Holger Eichele
Leiter der Pressestelle
„Deutschland […] steht klar zum Greening.“ „Wir unterstützen in weiten Teilen das, was Kommissar Ciolos an Umweltmaßnahmen vorschlägt“, schreibt Herr Eichele in unserem Blog. Einzig: Was bedeutet konkret „in weiten Teilen“. Das lässt er weiter im Dunkeln – genauso wie Aigner bei unserer Übergabe-Aktion. Wir warten weiter auf konkrete Antworten auf unsere Fragen:
Stellt sich die Ministerin klar hinter einen Anteil von 7 Prozent ökologische Vorrangfläche, die im Umweltinteresse GENUTZT werden? Oder ist sie auch mit 3,5 Prozent einverstanden, so wie dies im Kanzleramt nach Medienberichten derzeit erwogen wird?
Beziehen sich die 7 Prozent ökologische Vorrangfläche auf die Ackerfläche eines Landwirts oder auf die gesamte Betriebsfläche, so wie wir dies fordern?
Welche konkreten Nutzungsformen schlägt die Ministerin für ökologische Vorrangflächen vor? Stellt Sie sich hierbei hinter die Vorschläge ihres französischen Amtskollegen Stéphane Le Foll?
Soll die von Herrn Eichele angesprochene Bewirtschaftung mit Eiweißpflanzen wirklich auf den ökologischen Vorrangflächen erfolgen – das wäre wenig zielführend? Oder stellt sich die Ministerin hinter die Position der Umweltverbände, nach der eine Bewirtschaftung mit Eiweißpflanzen auf 20 Prozent der Ackerfläche bis zu einem gewissen Prozentsatz auf die ökologischen Vorrangflächen angerechnet werden kann?
Steht die Ministerin hinter dem Vorschlag von Agrarkommissar Dacian Ciolos, nachdem eine Anbaudiversifizierung dadurch erreicht werden soll, dass mindestens drei verschiedene Kulturen angebaut werden müssen – eine auf maximal 70 Prozent der Fläche und jede auf mehr als 5 Prozent? Oder stellt sich die Ministerin hinter die Vorschläge der Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, der eine echte Rotation und damit Fruchtfolge vorsieht?
Bis zu welchem Stichtag will die Ministerin Grünlandumbruch noch erlauben? Liegt dieser in der Vergangenheit, um so einen Anreiz für Umbruch bis zum Stichtag zu vermeiden?
Und vor allem: Wie verbindlich will die Ministerin das Greening für die Landwirte gestalten? Wie hart sind Sanktionen bei Verstößen?
Solche Fragen, durch die echtes Greening von Greenwaching unterschieden werden kann, ließ die Ministerin unbeantwortet bzw. beantwortete sie mit „Alles hängt immer mit allem zusammen.“ Wir hoffen weiter auf eine konkrete Antwort von der Ministerin oder ihres Leiters der Pressestelle.
Das Gefährliche an Aigners und Eicheles Ausführungen: Offiziell stellen sie sich hinter das Greeningvorschläge von Agrarkommissar Ciolos, doch gleichzeitig bemühen sie ständig die Rhetorik des Deutschen Bauernverbands und seines neuen Präsidenten Rukwied, die die Reformpläne aus Brüssel aufs Schärfste bekämpfen: „Flächenstilllegung droht!“ „Die Bürokratie blüht!“ So macht man Politik für Besitzstandswahrer!
Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand von Campact e.V.