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Eine Paralleljustiz für Umweltzerstörer

Rosia Montana in Rumänien: hier will der kanadische Konzern Gabriel Resources Gold abbauen. Dafür muss alles weichen, was dem Abbau im Weg steht: ganze Berge, Landstriche und die hiesige Bevölkerung. Die Bewohner stemmen sich dagegen. Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt & Entwicklung mit einem Bericht aus Rumänien.

 Jetzt droht das Bergbauunternehmen den rumänischen Staat auf 4 Milliarden Dollar Schadenersatz zu verklagen, sollte es nicht zur Enteignung kommen. Ein Ausblick auf die Zukunft mit den Abkommen CETA und TTIP.

Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt & Entwicklung mit einem Bericht aus Rumänien:

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In den zauberhaften Hügellandschaften Siebenbürgens in Rumänien gruben schon die alten Römer nach Gold. Bereits vor Jahrhunderten sind 95% der einstmals reichhaltigen Vorkommen aus dem Boden geholt worden. Der Rest liegt tief im Erdreich, und auf den hat es seit über 15 Jahren die kanadische Bergbaufirma Gabriel Resources abgesehen. Ganze 1.5 Gramm Gold pro Tonne Gestein liegen hier. Das ist eine Konzentration von nur 0,00015%, doch heutzutage ist das schon relativ viel. Um an das Gold heranzukommen, soll eine Landschaft geopfert werden: Gabriel will vier Berge in die Luft sprengen, ganze Landstriche im Tagebau abbaggern und das Gold aus dem gemahlenen Gestein mit hochgiftigem Zyanid auswaschen. Die vielen Tonnen Abraum-Schlämme sollen in einem benachbarten Tal gelagert werden – als Freiluft-Giftmülldeponie, abgesichert von einer 180 Meter hohen Staumauer. Bricht sie, ergießen sich 250 Millionen Tonnen als riesige giftige Schlammlawine über die Umgebung. Im Jahr 2000 ist dies bei der Goldmine in Baia Mare in Nordrumänien passiert: 100.000 Kubimeter giftiger Schlamm verseuchten Flüsse bis nach Ungarn und Serbien, kontaminierten das Trinkwasser von 2,5 Millionen Menschen. Eine der schwersten Umweltkatastrophen in Europa seit Tschernobyl.

Haus- und Landbesitzer wehren sich gegen giftige Zukunft

Weite Teile des Ortes Rosia Montana stehen für dieses Projekt im Weg. Am einfachsten wäre es, sie zu evakuieren. Immerhin, man hat zugestanden, die Hauptstraße soll bleiben. Umgeben von Tagebauwüsten und dem ständigen Lärm von Sprengungen wird da aber niemand mehr wohnen wollen. Gabriel hat schon viele Häuser aufgekauft und lässt sie verfallen. Ähnlich erging es der Apotheke – aufgekauft und geschlossen. Man will den psychologischen Eindruck eines sterbenden Dorfes erwecken und noch mehr Einwohner zum Verkauf bewegen. Aber 350 Familien bleiben standhaft. Sie wollen ihre Heimat nicht verkaufen.

Seit 15 Jahren kämpfen sie gegen diese giftige Zukunft. Immer wieder wurden sie zurückgeworfen von korrupten Politikern und von der Teile-und-Herrsche-Politik von Gabriel Resources, die den Ort spaltet: viele gaben auf und verkauften, weil sie glaubten, man könne ja sowieso nichts gegen den mächtigen Konzern machen. Im Juni gelang es den Rosia-Montana-Verteidigern jedoch, im rumänischen Parlament ein skandalöses Sondergesetz zu stoppen, mit dem Gabriel Resources quasi amtlich zu einem Staat im Staate gemacht worden wäre, samt dem Recht für das Goldbergbauprojekt diejenigen Haus- und Landbesitzer zu enteignen, die sich immer noch weigern, ihr Land an Gabriel abzutreten. Sie alle stehen Gabriel im Weg – für einen flächendeckenden Tagebau muss man alles Land haben.

Investitionsschutz wird ausgenutzt: Paralleljustiz für Konzerne

Allmählich wird Gabriel Resources ungeduldig. Sollten am Ende die angeblich über 500 Millionen Dollar „Investitionen“ für Landkauf, für Anwaltskosten, für umfangreiche PR vergebens gewesen sein? Gabriel Resources kündigt nun in der kanadischen Presse an, wenn es nicht bald zu Enteignungen komme, den rumänischen Staat auf 4 Milliarden Dollar Schadenersatz zu verklagen – fast 2% des rumänischen Bruttoinlandsproduktes.
Möglich machen das bilaterale Investitionsschutzabkommen, die Rumänien in den 1990er Jahren mit vielen westlichen Ländern abschloß. Damit sollten Investoren in das noch instabile Nach-Wende-Rumänien gelockt werden. Gabriel behauptet, das Unternehmen sei vom rumänischen Staat „unfair behandelt“ worden und seine „legitimen Gewinnerwartungen“ seien enttäuscht worden – weil Rumänien inzwischen ein Rechtsstaat geworden ist, in dem man Menschen nicht einfach enteignen und vertreiben kann wie in der Ceausescu-Diktatur.

Solche Investitionsschutzverträge erlauben nämlich Investoren, also Konzernen, Staaten zu verklagen, wenn durch politische Entscheidungen (oder auch Nicht-Entscheidungen) oder sogar Gerichtsurteile die erwarteten Gewinne beeinträchtigt werden. Gabriel Resources hat angekündigt, man überlege sich noch, welchen dieser Verträge man als Basis nehmen will – der Vertrag Rumäniens mit Kanada sei nicht so investorenfreundlich wie der mit den Niederlanden. Gabriel hat nämlich vorgesorgt und seine Investitionen über ein Geflecht von Tochtergesellschaften so gestreut, dass man sich den besten Vertrag aussuchen kann.

Mit CETA und TTIP könnte das Beispiel Rosia Montana alltäglich werden

Absurd? In der Tat. Aber leider Realität. Die EU-Kommission will mit dem nun ausgehandelten, aber noch nicht ratifizierten Freihandelsabkommen EU-Kanada namens CETA solche Klagerechte für kanadische Investoren aller Art in der ganzen EU einführen, z.B. auch für kanadische Tochtergesellschaften von US-Konzernen. Mit dem USA-Freihandelsabkommen TTIP sollen dann auch US-Konzerne ganz direkt diese Klagerechte gegen demokratisch beschlossene Politik bekommen.

Nicht nur in Rumänien, sondern in der ganzen EU würde dann solche skandalöse Paralleljustiz für kanadische und amerikanische Konzerne eingeführt und ihnen ungeahnte Möglichkeiten gegeben, unliebsame politische Entscheidungen und demokratisch beschlossene Gesetze zu bekämpfen. Das Beispiel Rosia Montana könnte alltäglich werden. Europäische Konzerne haben solche Klagerechte schon in vielen Entwicklungsländern und machen vor, wogegen demnächst US- und kanadische Konzerne auch in der EU nach dem Willen der EU-Kommission klagen können: Monsanto könnte gegen schärfere Patent- oder Gentechnik-Gesetze klagen, wegen „enttäuschter Gewinnerwartungen“. Öl- und Gaskonzerne könnten uns verklagen, wenn nach Probebohrungen dennoch keine Erlaubnis für Fracking erteilt wird. Den französischen Universalkonzern Veolia kennen wir aus der gescheiterten Berliner Wassernetzprivatisierung – erst nach einem Volksentscheid ging das Netz wieder in öffentliche Hände über. Veolia hat Ägypten wegen der Erhöhung des Mindestlohns verklagt – und gewonnen. Der Tabakkonzern Philip Morris hat Australien und Uruguay wegen schärferer Tabakgesetze verklagt und jetzt angekündigt, dies werde er auch mit Großbritannien tun, wenn die dortigen Pläne für schärfere Tabakgesetze beschlossen werden.

Voraussetzung dafür ist, dass CETA und TTIP vom Europaparlament und den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Daher brauchen wir jetzt den Druck vor allem auf die Bundesregierung, zu diesen Abkommen klar Nein zu sagen. Die Bundesregierung hält eine solche Paralleljustiz in Freihandelsabkommen für „nicht nötig“, will sie aber dennoch ratifizieren. Das dürfen wir nicht zulassen. Daher brauchen wir jetzt sehr viel öffentlichen Druck besonders auf Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: eine Paralleljustiz für Konzerne kommt in einer Demokratie überhaupt nicht in Frage.

Zur Person

Potrait Jürgen Maier
Jürgen Maier ist seit 1996 Geschäftsführer des Forums Umwelt & Entwicklung, einem Netzwerk deutscher Umwelt- und Entwicklungsorganisationen. In dieser Funktion ist er in zahlreichen Kampagnen wie dem Bündnis TTIP-Unfairhandelbar, der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ oder der Welthandelskampagne „Gerechtigkeit Jetzt“ engagiert. Von 1993-1996 war er Geschäftsführer der Asienstiftung.

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10 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. TTIP und CETA werden kommen, weil die Mehrheit des Wahlviehs Unsere Angela gewählt haben, bzw. den Nichtwählern ist die Zerstörung der Umwelt egal. Wer nicht wählt, verhilft Angela zum Sieg. Sie gewinnt die Mehrheit auch bei nur 49% Wahlbeteiligung!

  2. Die Frage ist nur: Was zum Teufel wollen wir mit dem ganzen Scheiß?

    Da wir seit Jahrzehnten keine Golddeckung für Geld mehr haben, dankenswerterweise, das ist völlig überflüssiger Mumpitz, können die Goldreserven in Fort Knox und bei der Fed und wo auch sonst einfach mal verwendet werden.

    Wofür brauchen wir ständig neue Riesenmengen Gold?

    Wobei ich uns den herzallerliebsten Prozess mal erspare, wie man 1,5 Gramm Gold von einer Tonne Abraum trennt.

  3. Vielen Dank Herr Maier für Ihr Bericht ! ENDLICH schreibt Jemand über diese kriminelle Machenschaft und Raub! Die ganze Angelegenheit ist viel Komplexer … Gabriel Investment ist in Australien gegründet worden – alles finanziert durch Vetternwirtschaft, sie ist im Grunde eine rumänische Firma es gibt Verzweigungen zum hohen Politikern und Ministern. Seit Jahren wird sie bereits an den Börsen notiert. Als Ausgangspunkt gab es Verträge nur über Restabbau der Mineralien ( es wurden mehre Container Erde abtransportiert und in Laboren analysiert). Gold ist da nicht prioritär der Boden verbirgt andere viel wertvollere Metalle die heutzutage von anderen Industriezweigen gebraucht werden. Die rumänischen Zeitungen haben oft berichtet wurden aber mundtot gemacht. Hier gibt es aber auch Internationale und Europäische Interesse, so wird es keine Infos in den Medien. WER würde es wagen so eine Nummer in einem westlichen Land abzuziehen ? keiner …. aber ein negativ dargestelltes Land wie Rumänien interessieret keinen Menschen

  4. Den Menschen in Kanada müsste doch klar zu machen sein, dass wir in Europa keine zweite riesige giftige Schlammlawine wie im Jahr 2000 in der Goldmine in Baia Mare in Nordrumänien wollen.

    • Lieber Herr Einzmann, darüber entscheiden nicht die Menschen in Kanada. Sondern die Konzernleitung von „Gabriel Resources“. In Kanada gibt es ebenfalls eine breite Bewegung, die sich gegen die Paralleljustiz für Konzerne wenden. Ein kleines Campact-Team wird nächste Woche nach Ottawa reisen, um mit den kanadischen Partnern gemeinsam gegen CETA zu demonstrieren.

  5. Wenn CETA und TTIP kommen, dann hilft auch kein Murren an der Basis mehr. Dann wird gegen das eigene Wahlvolk mobil gemacht, sollte es den Mut aufbringen, eine Gegenstimme zu erheben.

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