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Warum bei Sozialdemokraten jetzt die Alarmglocken schrillen sollten

An der Sozialdemokratie hängt vieles, wenn es um die Handels- und Investitionsabkommen TTIP und CETA geht. Die SPD stellt den zuständigen Wirtschaftsminister. Sie ist Teil der Regierungskoalition und zahlreiche Länderregierungen, die im Bundesrat gefragt werden. Und sie stellt mit anderen sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament, das bald über CETA entscheiden wird. Campact Vorstand Christoph Bautz argumentiert in einem Artikel im sozialdemokratischen "Vorwärts", warum TTIP - und CETA - abzulehnen sind.

An der Sozialdemokratie hängt vieles, wenn es um die Handels- und Investitionsabkommen TTIP und CETA geht. Die SPD stellt den zuständigen Wirtschaftsminister. Sie ist Teil der Regierungskoalition und zahlreiche Länderregierungen, die im Bundesrat gefragt werden. Und sie stellt mit anderen sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament, das bald über CETA entscheiden wird. Campact Vorstand Christoph Bautz argumentiert in einem Artikel im sozialdemokratischen „Vorwärts“, warum TTIP – und CETA – abgelehnt werden sollten.

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Freier Handel zwischen Partnern – das klingt lobenswert. Und wenn Autoblinker und Rückspiegel vereinheitlicht werden, ist das eigentlich eine gute Sache. Doch bei TTIP, dem Investitions- und Handelsabkommen mit den USA, geht es um weit mehr: um Themen, die bei jedem Sozialdemokraten die Alarmglocken schrillen lassen sollten.

Investoren-Schiedsgerichte:

Sie schaffen ein exklusives Sonderrecht für ausländische Konzerne. Sie können Schadensersatz in unbegrenzter Höhe fordern, wenn sie Gewinne durch demokratische Entscheidungen geschmälert sehen. Die Klagen werden nicht von unabhängigen Gerichten entschieden, sondern von Wirtschaftsanwälten, die sich in den Rollen als Ankläger, Verteidiger und Richter abwechseln. Diese sind nicht an unser Grundgesetz mit der Sozialbindung des Eigentums gebunden. Einen Vorgeschmack bietet eine Klage von Vattenfall vor solch einem Gremium: 3,7 Milliarden Euro will der schwedische Energiekonzern von uns Steuerzahlern für den Atomausstieg.

Privatisierung:

Am stärksten bedroht sind die Kommunen und Länder. Von ihnen erbrachte öffentliche Dienstleistungen geraten unter verstärkten Privatisierungszwang. Investoren könnten sich in die öffentliche Auftragsvergabe einklagen, eigene Arbeitskräfte mitbringen und Gleichbehandlung mit öffentlichen Anbietern einfordern.

Standards:

Es wird versichert, dass Standards etwa im Verbraucherschutz nicht gesenkt werden. Doch wenn Standards wechselseitig anerkannt werden, werden die jeweils höheren durch Importe unterlaufen. Dies kann auch nach Vertragsabschluss erfolgen: Auch wenn Hormonfleisch und Chlorhuhn erstmal im Vertrag ausgenommen bleiben – über die angestrebte „regulatorische Kooperation“ könnten sie im Nachhinein einen Marktzugang erhalten.

Demokratie:

TTIP verringert den Handlungsspielraum der Politik. Finanzmärkte, Klimawandel, Big Data, Gen- und Nanotechnologie: Neue Risiken erfordern neue Regeln, um Bürger zu schützen.

Doch neue Regeln sind potenzielle Handelshemmnisse. TTIP würde daher eine Politik, die soziale Standards, Verbraucherrechte, Datenschutz und Umweltschutz verbessert, stark erschweren: Hinter das erreichte Maximum an Deregulierung und Privatisierung soll es kein Zurück geben. Der demokratische Souverän wird entmachtet, die Balance zwischen Konzerninteressen und Gemeinwohl verschoben. Kurzum: TTIP ist „Eingriff in die Gesetzgebungshoheit, ein Eingriff in die Souveränität, ein Anschlag auf die parlamentarische Demokratie“, so Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“.

Viele unserer demokratischen Rechte wurden durch die Sozialdemokratie hart erkämpft. TTIP würde sie für ein Linsengericht preisgeben: Die EU-Kommission hat errechnet, dass TTIP ein zusätzliches Wachstum von gerade einmal 0,048 Prozent pro Jahr bringen könnte – bei umfassender Liberalisierung, die fast alle „Handelshemmnisse“ schleift. Es wird maßgeblich von der SPD abhängen, ob TTIP Wirklichkeit wird. Ohne die Zustimmung der SPD-Abgeordneten in Bundestag und Europaparlament und der SPD-regierten Länder im Bundesrat wird das Abkommen nicht kommen.

CETA: TTlP durch die Hintertür

Schon sehr bald kommt es zum Schwur: Denn im Herbst legt die EU-Kommission das fertig verhandelte CETA-Abkommen mit Kanada vor. Es ermöglicht „TTIP durch die Hintertür“: Konzerne müssen nur eine Tochterfirma in Kanada eröffnen, um europäische Staaten wegen entgangener Gewinne zu verklagen. Die Konzernjustiz, der viele Sozialdemokraten zu Recht misstrauen – mit CETA käme sie, ganz ohne TTIP.

Mehr als 620 000 Bürgerinnen und Bürger haben den Campact-Appell gegen TTIP unterzeichnet. 150 000 haben sich aktiv an einer EU-Konsultation zu diesen Konzernklagen beteiligt. Der EU-Kommission ist dazu bisher nicht mehr eingefallen, als dies als „Attacke und organisierten Angriff auf die Kommission“ zu bezeichnen und Änderungen bei CETA auszuschließen.Die Bundesregierung hat bisher Investoren-Schiedsgerichte in CETA und TTIP als nicht notwendig bezeichnet. Sie sind jedoch ein wesentlicher Teil der Kommissions-Strategie. CETA und TTIP gefährden die Demokratie. Sie dienen wenigen Konzernen, nicht der Wirtschaft insgesamt und nicht uns allen. Deshalb muss sich die Sozialdemokratie gemeinsam mit allen Bürgerinnen und Bürger dafür einsetzen, dass die TTIP-Verhandlungen abgebrochen werden. Und CETA nicht ratifiziert wird.

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

7 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Manfred, was hast du denn vorher gewählt? CDU oder Grüne? Warum wählst du nicht Die Linke? Denn die sind die einzige Partei die uns die Augen öffnen, die Wahrheit sagen und sich nicht von der Wirtschaft kaufen lassen. Ein riesen Potenzial sind die Nichtwähler, denn wenn sie links wählen würden, dann hätten diese „Schweinereien“ von Wirtschaftsinteressen nach unendliche Profitgier keine Chancen.
    Die Nichtwähler wollen offensichtlich Chlorhühner und Hormonfleisch haben und rechtlos gemacht werden. Dann können sie eh zu Hause bleiben bei der nächsten Wahl, weil die Politiker nichts mehr zu melden haben. 🙁

  2. Sollten wider Erwarten TTIP, CETA und TISA zustandekommen – was ich natürlich auf keinen Fall erhoffe (!), werde ich –
    allein schon aus Gesundheitsgründen –
    Produkte (insbesondere Lebensmittel), die in den USA bzw. in Kanada hergestellt wurden, einfach NICHT KAUFEN.
    Würden möglichst VIELE Bürger hier und EU-weit diesem Beispiel folgen, käme es fast einem Boykott gegenüber den o.a. Ländern gleich!

    Allerdings einen Haken hat die Sache …

    Was ist,
    wenn NICHT KLAR und DEUTLICH zu ersehen ist – weil NICHT dementsprechend auf der Packung DEKLARIERT, dass die Erzeugnisse in den USA bzw. in Kanada produziert worden sind?!

    Ich werde mich bezüglich dieser Frage in puncto Lebensmitteln bei den Experten der Verbraucherzentrale NRW erkundigen, die u.a. per Mail so zu erreichen ist:
    ernaehrung@vz-nrw.de .

    Ansonsten wäre dieser Link vielleicht interessant:
    http://www.vz-nrw.de/verbraucherinformationsgesetz .

    Jedenfalls werde ich ab nächster Woche versuchen, jemanden bei der Verbraucherzentrale NRW wegen obiger spezieller Frage zu erreichen.

    Denn das interessiert mich schon …

  3. In unser Scheindemokratie bestimmen schon lange amerikanische Kräfte das Maß aller Dinge.Bürgerrechte werden ganz bewusst ausgehebelt und Politiker intern ständig angehalten ihre Vorhaben so verdeckt wie nur möglich zu halten.Bürgerinteressen und Lobbygegner sollen so gezielt ausgeschaltet werden.Zur Zeit sind nahezu 90 % der Bürger streng gegen eine Reglementierung durch ein solches Abkommen.Versprechen vor der Wahl sind nicht nur vergessen sondern werden oftmals militant unterdrückt,so wird über Demonstrationen gegen TISA oder TTIP nur so wenig wie möglich berichtet,oftmals diese Demonstranten an den rechten Rand gedrängt.Liebe Mitbürger,aufpassen wo es geht,lassen wir uns von den Marionetten amerikanischer Interessen nicht an der Nase herumführen.Nicht dass es später wieder heisst:Warum habt ihr da zugesehen und nichts unternommen“!

  4. Was ich etwas merkwürdig finde ist, das sich hier bei aktuell 1.463.947 eingetragenen Menschen (Stand: heute 18:00 Uhr) bisher nur so „wenige“ an dieser Kampagne beiteiligt haben.
    Da gibt es noch über 1 Millionen „Campact-Aktive“, die sich hier noch nicht beteiligt haben.
    Wo sind die? Was machen die? Sind die alle für das Handelsabkommen CETA?
    Die 627.169 Unterschriften, wie bei „Stoppt TTIP“ müßten hier doch auch mindestens zusammen kommen, oder? Und warum denn nicht auch noch viel mehr?
    Liebe Grüße Dirk

    • Bei der ersten Aussendung zum CETA-Appell traten auf dem Campact-Server technische Probleme auf, aufgrund derer wahrscheinlich einige ihre Unterschrift nicht leisten konnten. Wir haben daher diejenigen, die bisher noch nicht unterzeichnet haben, noch einmal angeschrieben.

      Ansonsten: Bitte etwas dagegen tun und diese Kampagne teilen, teilen, teilen – wir können noch viel mehr werden!

  5. Ich habe zum ersten mal bei der Bundestagswahl SPD gewählt, in der Hoffnung, dass die SPD
    heute mehr mit der sozialen Marktwirtschaft anfangen kann als die CDU.
    Wenn wir uns Mithilfe der SPD bei TTIP und CETA über den Tisch ziehen lassen; dann ist uns nicht mehr zu helfen.

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