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Krude Theorien: TTIP soll China in Schach halten

Dass ausgerechnet die Befürworter der Debatte um das EU-USA-Abkommen TTIP Ängste schüren ist überraschend. Es heißt, wenn wir das Abkommen nicht unterzeichnen, diktiere uns China die Regeln. Aber an dieser Theorie ist nichts dran, wie sich sehr schnell zeigt. Völkerverständigung und Frieden geht besser ohne TTIP.

Dass ausgerechnet die Befürworter der Debatte um das EU-USA-Abkommen TTIP Ängste schüren ist überraschend. Es heißt, wenn wir das Abkommen nicht unterzeichnen, diktiere uns China die Regeln. Aber an dieser Theorie ist nichts dran, wie sich sehr schnell zeigt. Völkerverständigung und Frieden geht besser ohne TTIP.

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Europa setzt mit TTIP keine Standards, es passt sich höchstens an

Insbesondere Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stellt die Situation bei Handelsverträgen gerne wie ein Wettrennen dar. Wenn in diesem Rennen Vertragspartner, die zusammen sehr groß sind als erste durchs Ziel gehen, dann haben sie gewonnen. Sie haben die Macht, für alle anderen ihre Standards durchzusetzen.

Wenn diese Annahme stimmt, dann hat die Europäische Union (EU) das Rennen allerdings bereits verloren. Die US-Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass sie vor TTIP ein anderes Abkommen mit Japan, Australien und neun weiteren Staaten abschließen wollen: Trans Pacific Partnership, kurz TPP.

Auch Kanada, das ja mit der EU das Abkommen CETA verhandelt, hat zuvor bereits mit China ein Abkommen abgeschlossen (das Canada-China Foreign Investment Promotion and Protection Agreement FIPA).

Auf diese Verträge und die mit ihnen gesetzten Standards nimmt Europa mit CETA und TTIP keinen Einfluss mehr.

Handelsabkommen statt Flugzeugträger – die neue „Geopolitik“ als Sicherheitsrisiko

Die Analyse von Marcel Humuza fasst die Strategie der USA so zusammen: Präsident Barack Obama hat die Lehren aus dem Scheitern der USA in Afghanistan und Irak gezogen. Er setzt auf Handelsabkommen statt militärische Macht, um das internationale System im Interesse der USA zu ordnen. „Denn das versetzt die USA in die Lage, durch neu entwickelte Sanktionsmethoden auch große Staaten vom internationalen Handel und insbesondere dem Finanzaustausch auszuschließen. Gelingt dieser Plan, wäre das Drohpotential militärischer Schlagkraft nur noch ein flankierendes Instrument amerikanischer Ordnungspolitik und die USA blieben weiterhin regelsetzende Macht in den internationalen Beziehungen.“

Aber was hat die EU davon? Steigt ihr Einfluss, wenn sie der USA mit TTIP zu mehr wirtschaftlicher Macht verhilft? Wenig spricht dafür.

Die Handelspolitik der EU, so Humuza weiter, ist „von einem offensiven Instrument zum Export des eigenen Modells zu einem defensiven Instrument der Gegenmachtbildung geworden.“ In diesem Zusammenhang werde TTIP vor allem als Bollwerk gegen aufstrebende Schwellenländer wie China gesehen. Aber diese Strategie kann gefährlich in die Hose gehen.

Denn China betrachtet die „Geostrategie“ der USA und Europas durchaus als Angriff und warnt vor einem kalten Handelskrieg. Das Land hat als Reaktion bereits damit begonnen, ein regionales Abkommen mit den ASEAN-Staaten sowie Australien, Südkorea, Indien und Japan zu verhandeln und eine Freihandelszone zwischen den BRIC-Staaten voranzutreiben. Es versucht außerdem, die Bedeutung des US-Dollar als Reservewährung zu verringern.

Statt einer neuen Hegemonie unter der Führung der Westmächte könnte wirtschaftliche Blockbildung das Ergebnis sein, quasi ein ökonomischer kalter Krieg. Wenn die konkurrierenden Blöcke versuchen Drittstaaten an sich zu binden und ihren Gegnern gegenüber Handelshürden aufzubauen, ist sogar der Frieden bedroht.

Noch vor einem Jahr erschien ein solches Szenario äußerst unwahrscheinlich. Doch die Ukrainekrise zeigt, welche Gefahren in Konflikten liegen, in denen sich handels- und geopolitische Interessen überschneiden. Denn nicht von ungefähr nahm die Ukrainekrise ihren Anfang in konkurrierenden Handelsprojekten, die das Land zwangen, sich zwischen zwei wichtigen Partnern zu entscheiden – der EU und Russland.

Selbst die nüchternsten Außen- und Sicherheitspolitiker warnen mittlerweile vor einer militärischen Eskalation. „Ein Handels- und Finanzkrieg hat zwischen den beteiligten Mächten längst begonnen.

Neue Konflikte im westlichen Lager statt transatlantischer Harmonie

Aber auch innerhalb des westlichen Lagers könnten TTIP Konflikte verschärfen, analysiert Prof. Dr. Christoph Scherrer, denn das Abkommen mit seiner Liberalisierungsagenda schafft regional unterschiedlich verteilt Gewinner und Verlierer. Er kommt zu dem Schluss: „Eine von Großunternehmen diktierte Verhandlungsagenda scheint wenig geeignet, die Völkerverständigung voranzutreiben.“

TTIP bannt weder die wirtschaftliche Blockbildung zu China, noch ist das Abkommen geeignet die Menschen in Europa wieder enger zusammenzubringen. Und genauso wenig hilft es, das nicht erst seit den Enthüllungen Edward Snowdens distanzierter gewordene Verhältnis zu den USA zu beleben.

Grundsätzlich ist das Abkommen nicht geeignet, die Globalisierung einzuhegen und ihr weltweit gültige Regeln zu verpassen. Es ist im Gegenteil ein Deregulierungsabkommen.

Wir müssen TTIP stoppen.

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6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich denke dass diese Oberste Administrationsclique den Europäern ihre scheindemokratische Kapitaldiktatur mit all ihren negativen Seiten zum Nachteil der Menschen und größtmöglichem Nutzen für eine kriminelle Oberschicht überstülpen will! Ich glaube dass ich mit meiner Vermutung richtig liege! Sehen kann dies jeder der die weltweiten Aktivitäten der USA kritisch und hinterfragen beleuchtet.

  2. Gut, dass dieses Argument auch mal auseinander genommen wurde!
    Es war noch das am ehesten nachvollziehbare Argument für Schiedsgerichte in TTIP, die sich über europäische und US Gerichte stellen:
    TTIP sollte Vorbildfunktion für ein Abkommen mit China haben und zu einer erleichterten Durchsetzung von Schiedsgerichten gegenüber China führen.

    Erstens sollte der Welthandel / internationale Investitionen es Wert sein, ordentliche, kompetente, demokratisch legitimierte Gerichte aufzubauen.
    Zweitens, man sollte sich klar machen, was es eigentlich bedeutet, wenn weitere TTIP-Prinzipien auf ein Abkommen mit China übertragen werden sollen. Wenn z.B. die gegenseitige Anerkennung von Standards auch auf ein Abkommen mit China übertragen würden und man chinesische Arbeits-, Umwelt, Gesundheits- und Sicherheitsstandards kennt, muss es einem kalt den Rücken runter laufen. Standards eines Landes mit deutlich geringerer Lebensqualität & Erwartung anerkennen ist suboptimal.

  3. Billig einkaufen , um Gewinne zu machen : Fachkräfte , Technik , Wissenschaft und Politiker aus dem Ausland ! Zum Wohl der USA – Mächtigen und tödlich für uns ! Am Horizont sieht man das Wetterleuchten des 3.Weltkrieg !

  4. China setzt nirgendwo weltweit regulative Standards. Europas Gesetze und DIN-Normen kopiert die halbe Welt, ohne dass wir groß Druck machen. Die USA möchten gerne ihre Standards exportieren, aber haben nur in Teilen Erfolg, bei bestimmten IT Standards, man denke an Floppydisketten in Zoll, und Buchhaltungsregeln, ach ja und die Mobilfunkstandards im Irak. Bestenfalls kopieren von den US unter Druck gesetzten Staaten europäische Gesetze. Mit TTIP kaufen sich die USA in diese erfolgreiche Brüsseler Kompromissmaschine ein, die gemeinsame Regeln für 28 unabhängige Staaten schafft, die darum auch immer gut für mehr Staaten geeignet sind. Mit TTIP erhalten die USA Veto-Rechte, noch bevor das Straßburger Parlament die Gesetzvorschläge der Europäischen Kommission sehen kann, müssen sie mit den USA und ihren Konzernen abgestimmt sein. Das kann nicht gut sein.

    In den USA kriegen wir dagegen nicht mal ein No-Spy Abkommen. Die Europäer sind naiv, wenn sie sich auf die Chinakarte einlassen.

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