Wie Abgeordnete unter Druck gesetzt werden gegen ihre Überzeugung zu stimmen
Die Nervosität der SPD-Parteispitze muss groß gewesen sein beim Parteikonvent Ende Juni im Willy-Brandt-Haus. Auf der Tagesordnung stand die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. Zahlreiche SPD-Gliederungen hatten dazu aufgerufen, gegen den Parteivorstand zu stimmen und die umstrittene Rundum-Überwachung zu kippen. Diese Dokumente zeigen: Es wurde massiv Druck ausgeübt, um diese Entscheidung durchzupeitschen. Laut Recherchen der WAZ soll in […]
Die Nervosität der SPD-Parteispitze muss groß gewesen sein beim Parteikonvent Ende Juni im Willy-Brandt-Haus. Auf der Tagesordnung stand die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. Zahlreiche SPD-Gliederungen hatten dazu aufgerufen, gegen den Parteivorstand zu stimmen und die umstrittene Rundum-Überwachung zu kippen. Diese Dokumente zeigen: Es wurde massiv Druck ausgeübt, um diese Entscheidung durchzupeitschen.
Laut Recherchen der WAZ soll in Nordrhein-Westfalen (NRW) massiv Druck auf Abgeordnete ausgeübt worden sein:
Ministerpräsidentin und Landeschefin Hannelore Kraft soll sich am Rande des Parteikonvents in Berlin einzelne Landtagsabgeordnete vorgeknöpft haben, die gegen den Antrag der SPD-Spitze gestimmt hatten. Vor Zeugen soll sie dem jungen Medienpolitiker Alexander Vogt aus Herne lautstark gedroht haben, so lange sie etwas in NRW zu sagen habe, könne er nichts mehr werden.
Geld für den Wahlkampf? Nur wenn ihr für Überwachung stimmt!
Eine Delegierte berichtet in ihrem Blog ähnliche Szenen beobachtet zu haben:
In manchen Landesverbänden wurden Delegierte zu Einzelgesprächen mit prominenten Vertreter*innen der Parteiführung oder der jeweiligen Landes-SPD gebeten, in denen auch ihre persönliche Zukunft in der SPD diskutiert wurde. Mir sind einige begegnet, die explizit froh waren, dass sie die Freiheit genießen „nichts mehr werden zu wollen“. Es ist wichtig, dies mal zu diskutieren, denn wenn nur Menschen in dieser Partei was werden dürfen, die im Zweifelsfall eine sehr flexible Meinung haben, dann brauchen wir auch nie wieder darüber diskutieren, warum wir an Glaubwürdigkeit verlieren.
Noch bedenklicher fand ich aber, dass in mindestens einem Landesverband darüber diskutiert wurde, wie sich die Höhe des Zuschusses der Bundes-SPD für anstehende Landtagswahlkämpfe, bei welchem Verhalten der Delegierten, verändern könnte – natürlich zum Negativen. Ich möchte nicht Teil einer SPD sein, die so etwas zulässt, sondern Teil einer SPD, die in der Sache streitet und in genau dieser (und auch nur dieser) Sache eine Entscheidung fällt. Ob sie mir gefällt, oder auch nicht.
Dass sich solche Szenen in demokratischen Parteien abspielen ist ein Skandal. Diese Beispiele zeigen, dass die Parteispitze ihre Macht ganz klar missbraucht hat, um die umstrittene Rundum-Überwachung durchzudrücken – koste es was es wolle.
Der Widerstand in der SPD: Knallharte Kritik
Umso wichtiger deutlich zu machen, dass nicht alle in der SPD so ticken. Vielen geht der Überwachungs-Kurs von Gabriel und Co. gehörig gegen den Strich. Unvergessen bleibt der Antrag des SPD-Unterbezirks Münster:
“Die wiederholte Instrumentalisierung der Anschläge von Oslo, Utøya, Kopenhagen und Paris für die Vorratsdatenspeicherung missbilligen wir. Noch 2011 hat unsere Parteiführung, in Person der Generalsekretärin Andrea Nahles, die damaligen Aussagen der CSU “für ziemlich fies” befunden und nun bedienen wir uns dieser selbst. Die Welt hat sich seit 2011 weitergedreht, auch wir als Partei haben mit großer Entrüstung auf die Enthüllungen von Edward Snowden reagiert. Deshalb kann für uns das Fazit nur heißen: Schluss mit der Turnerei und die Vorratsdatenspeicherung endlich begraben!”
Schade, dass nicht alle in der SPD so ticken, wie die SPD in Münster. Aber gemeinsam können wir dafür sorgen, dass es mehr werden.
Eine vorab angekündigte themengefällige Abhängigkeit parteiinterner Zuschüsse je nach Zuvorkommen einzelner Parteimitglieder wäre man an anderer Stelle sicherlich versucht, „Bestechung!“ zu nennen.
Schon spannend, wie dann die Beiträge des kleinen SPD-Mitglieds dann zu „Bestechungsgeldern“ entfremdet wären, um wiederum Politik gegen den kleinen Mann zu machen.