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Das ZDF stellt überraschend das preisgekrönte Lobbyradar ein

Das ZDF steigt aus dem investigativen Tool "Lobbyradar" aus. Offizielle Begründung dafür: andere Großprojekte im Jahr 2016. Doch inoffiziell hört man innerhalb des ZDFs auch andere Versionen der Geschichte. Es ist von Druck und Kritik aus Reihen des Fernsehrats die Rede. Brisant: im Fernsehrat sitzen fast ausschließlich Politiker, Vertreter von Parteien und Bundesländern sowie Lobbyisten.

Wir haben mit Jan Schneider, einem der Macher des Lobbyradars über die Gerüchte gesprochen.

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Gestern berichtete Zeit Online, dass der ZDF- Mitbetreiber und Initiator des Lobbyradars, aus dem Projekt aussteigt. Erst vor wenigen Wochen haben wir hier im Blog das spannende und investigative Tool „Lobbyradar“ vorgestellt. Es zeigt Lobbyverbindungen auf, gibt wichtige Infos zu den Seitenwechslern aus Politik und Wirtschaft an und mit Hilfe des Browser-Plugins, können diese Informationen auf jeder besuchten Website abgefragt werden. Ziemlich praktisch – da es in Deutschland kein verbindliches Lobbyregister gibt, indem Auftrag, Budget und Ziel der Lobbyisten öffentlich einsehbar sind.

Ein Whistleblower meint zu wissen, woher der Ausstieg rührt

Auch uns hat nach unserem ersten Beitrag zum Lobbyradar ein Whistleblower kontaktiert, der ganz genau wissen will, dass politischer Druck zu dem Ausstieg des ZDFs aus dem Projekt geführt hat. Anonym teilte er uns mit:

Das ZDF will auf Druck aus der Politik und dem Fernsehrat das Projekt zum Ende des Jahres einstellen. Das ist der Führungsetage sogar so brenzlig, dass sie verschweigen, dass das Projekt mit dem Prix Europa Online Award ausgezeichnet wurde http://prixeuropa.eu/competition/winners .

Interview mit Jan Schneider: Was ist dran an den Gerüchten?

Sie sind einer der Macher des investigativen Tools Lobbyradar. Wie kam es zu dem Projekt?

Jan Schneider: Das Projekt ist im Rahmen eines Förderprogramms am Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) entstanden. MIZ und ZDF heute.de haben uns drei Journalisten (Dominik Wurnig, Michael Hartlep, Jan Schneider) ausgewählt um ein datenjournalistisches Projekt zum Thema „Lobbyismus in Deutschland“ zu entwickeln. Dabei ist der Lobbyradar entstanden.

ZEIT ONLINE berichtete, dass das ZDF aus dem Projekt aussteigt. Es ist dort auch die Rede von Einfluss seitens Politikern und Lobbyisten. Und auch die öffentliche Kritik des CDU-nahen Kommunikationsberaters Axel Wallrabenstein sei nicht ungehört geblieben. Stimmt es, dass diese Gründe mitunter zum Ende der ZDF-Kooperation führten?

Jan Schneider: Das Projekt war von Anfang an als längerfristiges Angebot angelegt. Viele datenjournalistische Projekte haben eine sehr kurze Halbwertszeit und sind nur punktuell aussagekräftig. Unser Angebot sollte stetig gepflegt und verbessert werden, um einen echten Mehrwert für unsere Nutzer zu bieten. Trotzdem sind Verträge natürlich immer zeitlich begrenzt. Eigentlich war die Kooperation nur bis zum März diesen Jahres geplant, nach der Veröffentlichung bei der re:publica und einem sehr guten ersten Feedback wurde die Zusammenarbeit dann bis Ende 2015 verlängert. Zwischendurch gab es auch nochmal Pläne das Projekt auszubauen, nun hat sich das ZDF aber dagegen entschieden. Ob nun zusätzlich zum Vertragsende auch noch Kritik aus der Politik zu der Entscheidung geführt haben, können wir nicht beurteilen. Im Laufe des Projekts hatten sich zwar auch einige Abgeordnete oder Verbandsvertreter mit teilweise kritischen Fragen gemeldet, im Austausch konnten wir aber meist alle offenen Fragen klären und ungenaue Infos in unserer Datenbank korrigieren.

Was war die brisanteste Lobby-Verbindung, die Sie aufgedeckt haben?

Jan Schneider: Was die „brisanteste“ Verbindung ist, lässt sich nur schwer festlegen. Unsere Datenbank und das Browser-Plugin bringen nicht täglich Lobbyskandale ans Tageslicht. Das ist auch gar nicht unsere Intention. Unser Ziel ist es, die bekannten Informationen zum Thema Lobbyismus zu sammeln, zu vernetzen und auf einen Blick sichtbar zu machen. Überrascht waren wir aber von der grossen Anzahl an Verbindungen, die wir gefunden haben. Bei über 33.000 Verbindungen hatten wir auch schon Schwierigkeiten mit der Software. Über das Browser-Plugin gehen wir dabei noch einen Schritt weiter und können Informationen zu Firmen, Verbänden und Personen direkt dort einblenden, wo sie für den Nutzer von Bedeutung sein können und helfen Nachrichten einzuordnen.

Wie wird es nun mit dem Lobbyradar weitergehen? Gibt es Möglichkeiten das Projekt zu unterstützen?

Jan Schneider: Dass das ZDF den Lobbyradar fortan nicht mehr weiter betreiben wird, bedeutet in keinem Fall das Ende unserer Arbeit. Dazu gibt es noch viel zu viel zu tun: Nebentätigkeiten von Landtagsabgeordneten könnten in unsere Datenbank einfließen oder die Sponsorenlisten auf Parteitagen. Außerdem wollen wir seit längerem auch eine EU-Version des Lobbyradars aufsetzen und Brüssel unter die Lupe nehmen. Auch gibt es schon eine Anfrage aus Österreich. Das Projekt ist als Open-Source-Projekt gestartet, der Quellcode der Website, des Plugins und auch die Datenbank sind also schon immer für alle Interessierten frei nutzbar und bleiben das auch (https://github.com/lobbyradar). Aber natürlich möchten wir den Lobbyradar gerne selbst am Laufen halten und weiterentwickeln, dafür suchen wir derzeit einen geeigneten Projektpartner. Das ZDF und auch das MIZ Babelsberg unterstützen uns bei der Suche. Für den regulären Betrieb sieht es schon ganz gut aus, wir haben einige sehr nette Angebote von Hosting-Anbietern, die unsere Website und auch die Datenbank kostenlos auf ihren Servern unterbringen wollen. Der redaktionelle Betrieb, die Pflege der Daten und auch die Weiterentwicklung der Daten-Scraper ist ein sehr viel größerer Aufwand. Wünschenswert und wichtig ist dafür eine Partnerschaft mit einer Redaktion, die auch über ein mutiges Justiziariat für Problemfälle verfügt. Falls sich dafür niemand findet, überlegen wir eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, um unsere Arbeit zumindest Teilweise zu refinanzieren.

Unterzeichne unseren Appell für ein Lobbyregister

Ein transparentes und umfängliches Lobbyregister ist in Deutschland längst überfällig. Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, wer in welchem Namen wenn berät und wer wo Einfluss nimmt. Für eine funktionierenden Demokratie braucht es ein verbindliches Lobbyregister.


Die Macher von Lobbyradar

Michael Hartlep, Jan Schneider und Dominik Wurnig

Das sind die drei Entwickler von dem Tool „Lobbyradar“ – Michael Hartlep, Jan Schneider und Dominik Wurnig. Seit Anfang an sind sie bei dem Projekt dabei und entwickeln immer neue Wege, um spannende Lobbyverbindungen für alle einsehbar und verständlich zu machen.

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Autor*innen

Campaignerin- Lara Dovifat, Jahrgang 1990, hat Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin sowie in Russland, Litauen und der Ukraine studiert. Während ihres Studiums war sie u.a bei einer PR Agentur für nachhaltigen Konsum, SumofUs.org, dem ZDF sowie am Institut für Sozialwissenschaften im Bereich Stadtentwicklung und Gentrifizierung tätig. Die letzten Jahre hat sie in der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin und Johannesburg gearbeitet. Darüber hinaus setzt sie sich für Menschenrechte & Pressefreiheit in Osteuropa und Belarus ein. Alle Beiträge

4 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. „Krassester Fall von gekaufter Politik seit Langem“BMW-Aktionäre überhäufen CDU mit Geld

    Der Vorgang erinnert an die „Mövenpick“-Affäre der FDP: 690.000 Euro spendet der Quandt-Clan an die CDU. Kurz vor dem Geld-Regen der BMW-Großaktionäre hatte Kanzlerin Merkel strengere EU-Abgasnormen verhindert. Davon profitieren vor allem Premiumhersteller – wie BMW.

    http://www.n-tv.de/wirtschaft/BMW-Aktionaere-ueberhaeufen-CDU-mit-Geld-article11543636.html

    Da stört ein Lobbyradar doch nur…

  2. Das war doch absehbar !!!
    Ich möchte,Michael Hartlep, Jan Schneider und Dominik Wurnig ermuntern weiter an diesen Projekt zu arbeiten. Das, Ihnen in jedweder Form Schwierigkeiten bereitet wird, davon mus man wohl ausgehen.
    „Keiner lässt sich gern in die Suppe spucken“
    Letztendlich geht es hier um Einflussnahme, Macht, Mitbestimmung und selbstbereicherung sei es von Politikern und Lobbyisten egal aus welchen politischen Umfeld Sie herkommen.
    Daher ist Pransparenz wichtig, eine Offenlegung aller Tätigkeiten die ein Politiker/in ausübt, und mit welchen Lobbyisten er verkehrt.
    Es gibt auch ein passendes Sprichwort das sollte jeder Politiker in sein Stammbuch vermerken: Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe!

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