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Ein Experte packt aus: Schäubles Plan gegen Geldwäsche ist reine Ablenkung

Ein Whistleblower brachte es ans Licht: weltweit nutzen Verbrecher, korrupte Politiker und Terroristen Briefkastenfirmen dazu, Geld zu waschen - und zwar besonders gerne in Deutschland. Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erklärt im Interview, warum Deutschland bei Geldwäschern so beliebt ist - und mit welchen Schritten ihnen das Handwerk gelegt werden kann.

Ein Whistleblower brachte es ans Licht: weltweit nutzen Verbrecher, korrupte Politiker und Terroristen Briefkastenfirmen dazu, Geld zu waschen – und zwar besonders gerne in Deutschland. Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erklärt im Interview, warum Deutschland bei Geldwäschern so beliebt ist – und mit welchen Schritten ihnen das Handwerk gelegt werden kann.

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Panama Papers: Geldwäsche in Deutschland. Zitat von Markus Meinzer. Grafik: Sascha Collet/Campact

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Die Panama Papers haben gezeigt, dass auch deutsche Banken maßgeblich in das Geschäft mit Briefkastenfirmen verwickelt sind. Hat Sie diese Erkenntnis überrascht?

Markus Meinzer: Nein, mich hat die Verwicklung auch deutscher Banken nicht gewundert. Der deutsche Finanzsektor ist für den Euro-Währungsraum das wichtigste internationale Scharnier. Egal wo auf der Welt jemand in Euro-Währung bezahlen oder Konten führen möchte, sind Banken aus Frankfurt fast immer mit dabei. Ausländische Korruptionsgelder, Einkünfte aus kriminellem Geschäft und vor der Steuer verstecktes Vermögen sind bis heute im deutschen Finanzsystem willkommen. Und: Kein inländischer Banker macht sich strafbar, wenn er schmutziges Geld aus Korruption und Steuerhinterziehung verwaltet. Das ist ziemlich einmalig in Europa. Dazu kommt, dass die deutsche Politik und die Lobbymacht der Finanzindustrie in Deutschland seit vielen Jahren verlässlich dafür sorgen, dass strengere Regeln etwa auf EU-Ebene verhindert werden.

Die Veröffentlichungen führen derzeit zu großem Aktionismus in der Politik: Finanzminister Schäuble (CDU) legt einen 10-Punkte-Plan vor, Justizminister Heiko Maas (SPD) präsentiert die Idee eines Transparenzregisters für Briefkastenfirmen. Was ist von diesen Vorstößen zu halten?

Man muss differenzieren. Schäubles Plan ist symbolische Politik, eine smarte Show zur Ablenkung davon, dass die entscheidende Maßnahme fehlt, die tatsächlich etwas verändern würde. Neun der zehn Punkte sind entweder leere Worte, weil sie zu unspezifisch gehalten oder längst auf dem Weg sind, werden unwirksam bleiben, weil sie zu wenig ambitioniert sind, oder sind unrealisierbar, weil sie erst dann greifen würden, wenn alle Staaten mitmachten. Damit schiebt man Veränderung auf die lange Bank, während man sich als brutalstmöglicher Aufklärer darstellen kann.

 

Das Transparenzregister von Maas hingegen ist bisher eine Riesen-Mogelpackung. Denn die Bundesregierung ist durch die 4. EU-Geldwäscherichtlinie ohnehin verpflichtet, ein Transparenzregister einzuführen. Maas aber möchte das Register anders als Großbritannien, die Niederlande oder Australien nicht im open-data Format öffentlich transparent machen, sondern eine willkürliche, ineffiziente und kostspielige Zugangskontrolle des Registers etablieren.

 

Im Bundesrat und im Finanzausschuss des Bundestags allerdings zeichnet sich erstmals Bewegung in die richtige Richtung ab – sowohl die Landesregierungen NRWs als auch der finanzpolitische Sprecher der SPD haben sich jüngst öffentlich für öffentliche Register der wahren Firmeneigentümer ausgesprochen. Das lässt hoffen – aber auch zittern.

Welche Maßnahmen sollte die Bundesregierung konkret gegen Geldwäsche und Steuerbetrug ergreifen – auch ohne im Rahmen internationaler Abkommen auf die Mitwirkung anderer Staaten zu warten?

Es geht ganz entscheidend darum, die wahren Eigentümer von Firmen und Trusts in einem Register zu veröffentlichen. Die Panama-Enthüllungen haben gezeigt, dass es eine weitverzweigte Industrie gibt, die sich der Verschleierung der wahren Eigentümer von Vermögen widmet. Nicht nur Steuerdelikte, sondern alle denkbaren Straftaten verbergen sich hinter blickdichten Mänteln verschachtelter Firmenkonstrukte und erzeugen einen unbezifferbaren Schaden für Gesellschaften überall auf der Welt. Um der organisierten weltweiten Geldwäsche überhaupt noch etwas anhaben zu können, sind öffentliche Register der wahren Eigentümer unabdingbar.

Warum ist es so wichtig, dass dieses Register auch öffentlich zugänglich ist?

Nur die breite Öffentlichkeit ist überhaupt noch in der Lage, den Missbrauch und Falschmeldungen bei Identifizierungspflichten der Eigentümer durch diese Verschleierungsindustrie Einhalt zu gebieten. Denn eigentlich ist die Rechtslage in Deutschland schon seit vielen Jahren eindeutig. Die Identität der wahren Firmeneigentümer muss verifiziert werden. Wenn EU-Banken, Makler oder Notare (sogenannte „Verpflichtete“) etwa einen Scheindirektor anstelle des wirtschaftlich Berechtigten führen, verstoßen diese gegen das Geldwäschegesetz und machen sich mitunter strafbar. Aber dieses Recht wird seit Jahr und Tag nicht ordentlich umgesetzt. Verstöße werden nicht geahndet, die zuständigen Behörden drücken beide Augen zu. Regelmäßig laufen staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren ins Leere, weil alle vorgeben nicht beweisen zu können, wer der wirtschaftlich Berechtigte letztendlich ist.

 

Die Lehre der vergangenen Jahre lautet also: Behörden genauso wie Anwälte und Banken können mit den geplanten und gegenwärtigen Regeln nicht gewährleisten, dass die wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen erfasst werden. Hätten wir öffentliche Register, könnten auch zivilgesellschaftliche Gruppen und Journalisten, interessierte und geschädigte bzw. betroffene BürgerInnen angebliche (Schein-)Eigentümer entlarven. Gemeinsam könnten sie Betrügern schneller auf die Spur kommen und das Entdeckungsrisiko von Falschangaben würde tatsächlich steigen.

Bei vergangenen Steuerskandalen ließ sich ein wiederkehrendes Muster erkennen: nach vollmundigen Ankündigungen von Reformen versandete das Thema in der Politik. Was ist nötig, damit sich dieses Muster bei den Panama Papers nicht wiederholt?

Gerade in Bezug auf das Transparenzregister gibt es einen politischen Prozess, in dem wir jetzt konkrete Forderungen erheben müssen. Und wie schon einmal beim anonymen Abgeltungssteuervertrag mit der Schweiz 2012 befindet sich die SPD wieder im Zentrum steuer- und finanzpolitischer Weltgeschichte. Als damals die SPD im Bundesrat nach einer erfolgreichen Campact-Kampange den unbequemen Weg beschritt, das von Schäuble mit der Schweiz ausgehandelte Abkommen platzen zu lassen, war kurz darauf weltweit der Weg frei für den weltweiten automatischen Informationsaustausch.

 

Dieser Datenaustausch kann allerdings nur dann funktionieren, wenn die wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen, Stiftungen und Trusts verifiziert und den Konten zugeordnet werden können. Genau um diesen wesentlichen 2. Schritt – das Erreichte zur Wirkung zu verhelfen – geht es jetzt. Innerhalb der SPD haben sich Lothar Binding und Norbert Walter-Borjans bereits für öffentliche Register eingesetzt. Wenn Justizminister Maas und die SPD als Ganze diese Forderung auch gegen den Widerstand des Koalitionspartners durchsetzen, haben wir eine Chance, dass dieser Sumpf über die nächsten Jahre ausgetrocknet werden kann.

Bitte hilf uns, die Politik in die Pflicht zu nehmen!

Gemeinsam fordern wir von Justizminister Heiko Maas, das Transparenzregister öffentlich zugänglich zu machen – als ersten Schritt im Kampf gegen Geldwäsche!


Zur Person

Markus Meinzer - Tax Justice NetworkMarkus Meinzer ist Vorstandsmitglied und Analyst des Tax Justice Network sowie Mitglied der Expertengruppe der EU-Kommission zum automatischen Informationsaustausch. 2015 erschien sein Buch „Steueroase Deutschland – Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen“ (C. H. Beck).

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Autor*innen

Katrin Beushausen kam von der Bühne zur Politik: Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Pressereferentin und Dramaturgin, lehrte und promovierte zum Verhältnis von Theater und Öffentlichkeit. Sie organisierte kreativen Protest gegen Uni-Sparpläne und stritt bei 350.org gegen klimaschädliche Investitionen. Seit 2016 ist sie Campact Campaignerin. Alle Beiträge

5 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Wieso sollte in Panama irgend jemanden interessieren wenn in Europa alles schön transparent ist? Es wird immer Wege geben, Geld ins Ausland zu schaffen.

  2. Ich denke da sind im Hintergrund eine Unmenge an Parteispenden unterwegs! Wenn im Parlament pro Angeordneten täglich drei Lobbyisten unterwegs sind kann es nur um Goldsuche gehen. Ich glaube niemals mehr einem Politiker denn wenn einer die Verbalklappe öffnet lügt er, wenn er sie schließt hat er gelogen!

    • Hallo Uto,

      trotz einzelner Skandale, die die Schlussfolgerung nahelegen, dass einzelne Politiker käuflich sind, so ist dies die übergroße Mehrheit zum Glück nicht. Politische Einflussnahme von Lobbyisten läuft meistens subtiler ab. Wenn wir alle Menschen, die bereit sind unserer Demokratie politische Ämter zu übernehmen, pauschal verdächtigen und diffamieren, dann werden wir irgendwann niemanden mehr finden, der diese wichtige Arbeit für uns leistet. Natürlich hat unsere Demokratie Mängel. Darum setzen sich soviele Menschen bei Campact ja auch für mehr Transparenz bei Abgeordneten-Nebeneinkünften, strengeren Regeln für Parteispenden und ein Lobbyregister ein.

  3. Es ist immer wieder z.K., wenn man mitkriegt, wieviele Millionen da zum Teil an der Steuer vorbei geschafft werden, und auf der anderen Seite manche Menschen wegen Lappalien verurteilt werden. Es ist zum Verrücktwerden.

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